Luftpost 167: Papahānaumokuākea

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Andreas Fecker – Archiv: Fecker

US-Präsident Obama reiste Ende August 2016 nach Midway. Tolle Schlagzeile. Nicht nach Israel, Syrien oder Jemen. Midway. Ein gottverlassenes Atoll der westlichen Hawaii-Gruppe, 2000 Kilometer von Honolulus Luxusherbergen entfernt. Nicht einmal 50 Menschen leben dort, weniger als die Journalisten, die den Präsidenten wahrscheinlich zähneknirschend begleiteten. Keine Bar, kein Pressezentrum, kein WLAN, keine Häppchen, dafür eineinhalb Millionen kreischende Albatrosse und tonnenweise Vogelkacke. Auf dem Flughafen von Midway landen keine zehn Flugzeuge pro Jahr. Trotzdem ist er einer der wichtigsten Notlandeplätze der Welt. Warum das so ist, habe ich in der Luftpost 36 „ETOPS“ beschrieben.

Doch dass die Air Force One die riskante Landung in Midway machte, hat einen anderen Grund. Die Seevögel bringen nämlich jedes Jahr fünf Tonnen Plastik aus dem Meer zu ihren Nistplätzen, wo sie die Abfälle entweder hervorwürgen oder daran zugrunde gehen. Teile von Tüten, Flaschen, Zahnbürsten, Kaffeebechern, Verpackungen, Styropor, Spielzeug, Flipflops, von uns Menschen über unsere Flüsse entsorgt, oder von Seeleuten ins Meer geworfen. Acht Millionen Tonnen unseres Plastikmülls landen pro Jahr im Meer. Nicht nur die Albatrosse verschlingen das unverdauliche Plastik, es landet auch im Innern von Meeressäugern, Schildkröten, Fischen und Plankton. Von dort gerät es in die Nahrungskette der Menschen.

Zwischen Hawaii und Kalifornien dreht sich ein Müllstrudel aus Plastik, der so groß ist wie Mitteleuropa. Noch gibt es keine Methode, dieses Problem zu lösen. Stattdessen wird er jeden Tag größer. Der geborene Hawaiianer Barack Obama, glückloser Präsident ohne Mehrheit, hat mit dem 1,5 Millionen km² großen Papahānaumokuākea Marine National Monument das größte Naturschutzgebiet auf unserem Planeten geschaffen. Es ist so groß wie der Golf von Mexiko.

Weil die Müllstrudel weit weg sind, denken wir nicht daran, unsere bequeme, klinisch saubere Lebensweise zu ändern. Die Ex-und-hopp-Wirtschaft, in der alles immer billiger wird, ist süchtig nach dem immer schnelleren Geldkreislauf. Auch wir luftfahrtaffinen Individuen, die das Flugzeug als ein selbstverständliches Verkehrsmittel benutzen, werden umdenken müssen. Besonders die großen Flugzeugbauer, die längst von Metall auf Kunststoffe umgestiegen sind, müssen neben Sicherheit, Gewicht und Komfort die Recyclingfähigkeit aller Bauteile ganz oben auf die Liste der Eigenschaften setzen. Den Airlines obliegt es, auf umweltfreundliche Catering-Verpackungen zurückzugreifen. Die 210 Betriebsstätten der Catering Gesellschaft LSG-Sky Chefs in 51 Ländern sind hier in besonderem Maße gefordert, denn sie beliefern 300 Airlines weltweit mit 578 Millionen Mahlzeiten pro Jahr. Die Flugzeuge werden nach jeder Landung gereinigt, der Müll entsorgt. Und nicht überall landen die Verpackungen in einer hochwertigen Müllverbrennungsanlage, sondern auf stinkenden Müllkippen an Meeresufern armer Länder und idyllischer Ferieninseln. Und von hier gelangt das Zeug in die Strudel der Meere, in die Mägen der Fische und zurück auf unseren Teller.

Wenn Papahānaumokuākea dazu dient, das Verhalten der Menschen nach und nach zu ändern, könnte das zu einer der wichtigsten und nachhaltigsten Entscheidungen Obamas werden.

Von Andreas Fecker

Eine Antwort zu “Luftpost 167: Papahānaumokuākea”

  1. Simon sagt:

    Die Verschmutzung der Meere ist ein Trauerspiel. Doch solange allmorgendlich z.B. auf Norderney der angeschwemmte Müll bei Sonnenaufgang weggeräumt wird, kriegen es nur ein paar Frühsportler mit. Solange juckt es uns nicht. Anders sieht es ausserhalb Deutschland aus. Beispiel unsere nordischen Nachbarn. Steht der Wind ungünstig verwandelt sich der dänische Nordseestrand zur Müllkippe, denn dort räumt niemand den Strand täglich auf und harkt einmal durch. Ob es an der fehlenden Einnahmequelle der Kurtaxe liegt, oder ob die Dänen einfach zeigen wollen, was das Meer so bietet, weiss ich nicht. Auf jeden Fall dauert es Tage, teils Wochen, bis der Strand vom Unrat befreit ist. Ein NoGo im heilen und schönen Deutschland.