Luftpost 500: Pacific Clipper

Werbung
Anläßlich der 500. Ausgabe der Luftpost möchte ich eine der ganz großen Airlines würdigen. Foto: Andreas Fecker

Im Auftrag von Pan American Airlines baute Boeing ein Flugboot mit vier Motoren, die Boeing 314. In Anspielung auf die großen Segelboote erhielt das Flugzeug den Beinamen „Clipper“. In dem fliegenden Schiff war Platz für 74 Passagiere oder für 40 Betten. Außerdem gab es geräumige Garderoben, einen Speiseraum, den man zur Lounge verwandeln konnte und eine Hochzeitssuite. Für das Catering wurden Erst-Klass-Hotels verpflichtet. 12 Exemplare wurden von diesem Flugzeug gebaut. Mit der Boeing 314 ging Pan American 1939 auf den Trans-Atlantik Markt, zumindest bis zum Beginn des 2. Weltkrieges. Die Flüge begannen in New York am Ufer von Long Island. Erster Stopp war auf den Azoren, von dort ging es nach Lissabon und endete in Marseille.

Captain Robert Ford, der Skipper des Pacific Clipper – Foto: Pan Am Historical Society

Pan Am Captain Robert Ford erhielt am 07. Dezember 1941 einen Flugauftrag nach Neuseeland mit dem California Clipper: „PAA Flug 6039 — SFO-LAX-HNL-CIS-SUV-NOU-AUK und zurück als Flug PAA 6040.“ Von San Francisco ging es also über Los Angeles nach Hawaii, von dort weiter über Kiribati, Fidschi und Neukaledonien nach Auckland. Kurz vor der Landung in Auckland erfuhren sie, dass die Japaner Pearl Harbor angegriffen haben. Da die Flugboote auf den Pazifikstrecken Hawaii als ihren wichtigsten Zwischenlandehafen brauchten, war der direkte Rückweg versperrt. Eine Woche lang belagerte die Crew das US Konsulat in Auckland um die neusten Nachrichten zu erfahren und in Kontakt mit dem Headquarter von Pan American zu treten. Dort war man mit der Regierung in Verhandlung, denn die Armee brauchte plötzlich jedes Flugzeug für den Krieg und requirierte Pan Americans gesamte Clipper-Flotte. Personal und Ausrüstung mussten zu den europäischen und pazifischen Kriegsschauplätzen transportiert werden. Die Crew des California Clipper in Auckland erhielt den Befehl, sofort alle Hinweise auf die Airline, die Registriernummern und Logos am Flugzeug zu entfernen, und sich westwärts über Australien und Afrika auf den Weg zu machen, um das Flugboot so schnell wie möglich nach New York zu bringen. Die Besatzung hatte jedoch keine Karten von der Strecke, sie wusste nicht, mit wem sie auf welchen Frequenzen kommunizieren, wo sie unterwegs auftanken konnte, wo sie eine Wetterberatung erhalten würde, sie wusste noch nicht einmal, welche Staaten ihnen freundlich oder neuerdings feindlich gesonnen waren.

Ihr nächster Weg war zur öffentlichen Bibliothek in Auckland. Dort studierten sie alle Karten westlich von Neuseeland. Der Flug nach Australien sollte nicht das Problem sein, aber Australien zu überqueren schon. Schließlich hatte das Flugboot kein Fahrwerk für eine eventuelle Notlandung. Auch die nächste Etappe verlangte eine weitere, noch riskantere Entscheidung: Von Perth direkt nach Madagascar, oder von Australiens Ostküste nach Norden über Darwin, Java, Indien, und von dort nach Afrika? Der Direktflug nach Madagaskar würde das Flugzeug an den Rand seiner Reichweite bringen. Der geringste Navigationsfehler, oder der leichteste Gegenwind könnte sie in tödliche Gefahr nach einer Notwasserung in den Weiten des Indischen Ozeans bringen. Die Alternative über Java und Indien hatte den Reiz, dass man vielleicht auf hilfsbereite holländische oder britische Streitkräfte treffen würde. Aber man müsste auch ein Kriegsgebiet durchfliegen. Von Indien sollte die Route dann nach Kinshasa führen, dann weiter nach Afrika. Auf dem Kongo Fluss hatte Pan American einen Stützpunkt für ihr weltweites Flugbootnetzwerk. Das Problem war, die Route führte wieder tausende von Meilen über afrikanische Landmasse, davon viel Urwald und Wüste und wenn überhaupt, wenige und unbekannte Gewässer. Schließlich gab es dann noch die nächste lebensgefährliche Etappe, den Flug über den Atlantik nach Natal, vor der Küste Brasiliens. Erst von dort könnte man schließlich relativ entspannt an der Küste entlang über die Karibik und Florida nach New York fliegen.

Aber noch war die Crew in Auckland. Käpten Robert Ford entschied, zwei Ersatzmotoren aus Auckland zu zerlegen und mit an Bord zu nehmen, falls man unterwegs wichtige Teile tauschen müsste.

Während die Crew in Neuseeland noch dabei war, alle amerikanischen Merkmale von dem Flugboot zu entfernen, kam ein weiteres Telegramm von Pan Am: „Die Japaner dringen im Pazifik Insel für Insel vor. Auf eurem Weg nach Australien fliegt über Neukaledonien, landet in Noumea und nehmt alle amerikanischen Angestellten mit.“ Nun hatten sie ein weiteres Problem. Es blieb nicht mehr genügend Zeit, alle Kennungen abzuwaschen UND die Motoren zu zerlegen. Die Zeit drängte, sie mussten los nach Neukaledonien. Also entschied der Skipper, mit den Ersatzteilen loszufliegen, obwohl noch eine amerikanische Flagge auf den Tragflächen erkennbar war. Die Mannschaft hatte jetzt 38.650 Kilometer Flugstrecke vor der Brust!

Foto: Boeing 314 – Library of Congress, public domain

Die Evakuierung in Noumea klappte reibungslos. Doch als sie in Gladstone an der australischen Küste ankamen, gab es keinen Treibstoff mit 100 Oktan, um die Tanks zu füllen. Das Ziel der nächsten Etappe war Darwin, 3000 km und elf Stunden Flugzeit entfernt. Der Skipper riskierte den Flug mit seinem Resttreibstoff. Die Landung in Darwin erfolgte in einem massiven Gewitter. Dort fand die Crew die Stadt in Aufruhr und Invasionsangst. Ausgerechnet an diesem Tag war auch nach Monaten der Trockenheit der erste Frachter angekommen, der Bier an Bord hatte. Jegliche militärische Ordnung war mit dem Alkoholdunst verflogen. Das Flugzeug dümpelte vor der Küste und musste mühsam mit Kanistern betankt werden, die mit einem Boot hinausgefahren wurden. Den Tag über wechselte sich tropischer Regen mit Luftalarm ab, das Flugzeug wäre ein willkommenes Ziel für die japanischen Bomber gewesen. Während der Regengüsse musste die Betankung unter einer Plane stattfinden. Um 2 Uhr morgens war die Maschine dann startklar.

Beim Anflug auf Surabaya in Indonesien wurden sie plötzlich von Kampfflugzeugen umringt. Der noch erkennbare Rest der amerikanischen Flagge auf der Tragfläche rettete ihnen das Leben, es waren nämlich holländische Fighter. An Land erfuhren sie, dass sie bei ihrer Wasserlandung schon wieder Glück hatten, denn dieser Teil des Meeres war stark vermint. Nach der Betankung ging es weiter nach Triconmalee auf Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Unterwegs, kurz vor Ceylon, wurden sie von einem japanischen U-Boot beschossen, aber nicht getroffen. Nach klärenden Gesprächen wurden sie von der Britischen Marine versorgt und erfuhren die typisch englische Gastfreundschaft. Start in Ceylon an Heiligabend. Kaum waren sie in der Luft, explodierte Motor Nummer 3. Skipper Ford drehte um und landete wieder in Triconmalee, um den Motor zu reparieren. Während ein Teil der Crew Weihnachten feierte, reparierten die Mechaniker den Motor. Weiter ging es am nächsten Tag nach Karachi, dann nach Bahrain und Khartum. Die Briten hatten am Nil eine Servicestation für Flugboote. Vor allem aber hatten sie Karten von Afrika und die Frequenzen der wichtigsten Stationen auf dem Weg nach Kinshasa, damals noch Leopoldville. Die Crew bunkerte genug Sprit, um von hier bis Brasilien zu kommen. Doch der hindernisfreie Startkanal auf dem Kongo war für das überladene Flugboot nicht lang genug. Am Ende der Startstrecke mündete der Fluss in Stromschnellen, bevor er sich in einen Canyon stürzte. Der fehlende Bodeneffekt und 40 Grad Hitze würden es schwierig machen, danach an Höhe zu gewinnen. Das Flugboot müsste innerhalb des Canyons an Höhe gewinnen, bevor man die Höchstleistung der vier Motoren zurückfahren konnte. Aber auch das konnte der Skipper und seine Crew meistern.

Foto: Boeing 314 – Library of Congress, public domain

Nach 23 Stunden und 35 Minuten Flug erreichten sie Brasilien. Der Rest des Weges über Trinidad verlief ohne Zwischenfälle. Doch nach einer Odyssee von einem Monat, von 38.000 Kilometern, auf denen sie viermal den Äquator überquert hatten, nach 209 Flugstunden und 18 Landungen mussten sie ausgerechnet vor der Landung in New York noch eine Stunde Warteschleifen fliegen, bis ihnen die Genehmigung zur Landung erteilt wurde. Landungen vor Sonnenaufgang waren damals noch verboten. Einen Monat dauerte diese Reise zwischen dem Start in San Francisco und der Landung in New York. Auf dem langen Weg um den Globus hatte sich die Welt verändert. Und nebenbei hat ein Pan Am Clipper als erstes kommerzielles Flugzeug eine Weltumrundung geschafft. Er wurde von California Clipper zum Pacific Clipper umbenannt. Als Pan Am einst die Flugboote beschafft hatte, lag es auf der Hand, das Funkrufzeichen „Clipper“ zu adoptieren. Der Captain nannte sich Skipper. Zu Ehren des Pacific Clipper behielt Pan Am dieses Funkrufzeichen bei, bis die Airline 1991 den Betrieb einstellte.

Andreas Fecker

5 Antworten zu “Luftpost 500: Pacific Clipper”

  1. Karl Seiler sagt:

    DANKE Andy, EINE TOLLE GESCHICHTE! Damit Du aber siehst, dass der Lehrer a.D. (und OTL d.R.) deine Texte immer sorgfältig liest: Hätte auf dem Direktflug nach Madagaskar der geringste Navigationsfehler oder der leichteste Gegenwind nicht die tödliche Gefahr einer Notwasserung in den Weiten des indischen und nicht des „pazifischen“ Ozeans bestanden?
    Ansonsten AD MULTOS ANNOS noch Hals- und Beinbruch im Sinne des jiddischen hazlóche un bróche, d. h. GLÜCK UND SEGEN.

  2. Frank Schüler sagt:

    Lieber Andy,
    mit dir jede Woche in den letzten 10 Jahren auf eine neue, literarische Abenteuerreise zu gehen, hat mir sehr viel Freude bereitet. Ich werde deine Stories vermissen! Ich werde die letzte Geschichte in Ehren halten und sie am Frühstückstisch zum Besten geben. Und Annett und ich werden dann ein bisschen Pippi in den Augen haben! Lass es dir gut gehen, alter Freund! Gib auf dich und deine Gesundheit acht.
    Viele liebe Grüße von Annett und Frank (ex SJJ GU LH)

  3. Mark sagt:

    Moin Andy,

    ein toller Abspann! Danke für diese 10 Jahre humorvoll beschriebene Luftfahrtsgeschichte. Auch als nicht gerade Wenigflieger habe ich viel mitgenommen! Nun haben wir ja noch Deine Bücher, der Lesestoff geht uns so schnell nicht aus.
    Alles erdenklich Gute für Dich und Grüsse an Dein Finanzamt welches Kulturgut und Wissen gegen Gewinnerzielungsabsicht definiert. Wie wir aus der Luftpost wissen gibt es eben Leute die einfach nur an ihren nächsten Ballermannflug denken und sich nicht für das hinter den Kulissen interessieren, wovon ihr Leben abhängt.

    Prosit!

    Ich hoffe der Sekt hat geschmeckt. Lässt sich wohl auch nicht als Schlusswort absetzen.

    Alles erdenklich Gute!

    Mark

  4. Andreas Fecker sagt:

    Liebe Luftpost Leser
    Ich erhalte derzeit eine kleine Flut von Zuschriften unterschiedlichster Art. Manche traurig, manche ermunternd, manche humorvoll. Eine vorwurfsvolle war dabei, ob ich mir überhaupt mal Gedanken gemacht habe, wie er und seine Familie nun das Frühstück am Samstagmorgen beginnen solle? Aber aus jeder Zuschrift und jedem Kommentar lese ich heraus, dass ich mich in die Herzen dieser Menschen geschrieben habe. Ich wusste nicht, dass ich diese Gabe habe, aber ich bin dankbar dafür. Ich freue mich über jedes Schmunzeln und jedes Lächeln, das ich anstoßen durfte. Da kann mir mein Finanzamt und alle Kohle der Welt gestohlen bleiben. Glück, Fröhlichkeit, Lachen, Sympathie, Verständnis, Dankbarkeit und Zufriedenheit sind mir wichtiger als alle Schätze der Welt.
    Andreas Fecker