Hin und wieder wird die Menschheit von Katastrophen heimgesucht, die uns zum Umdenken zwingen. Manche sind von Menschenhand gemacht, wie 9/11, die Klimakatastrophe, der Islamismus, die Kriege in Syrien oder im Jemen, Fukushima oder Tschernobyl. Andere sind natürlichen Ursprungs wie Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände, Erdbeben, Tsunamis, Stürme oder Hurrikane. Und wieder andere müssen wir ausbaden, weil die Natur zurückschlägt. Gerade in jüngster Zeit erleben wir ein Desaster, das uns noch lange in Atem halten wird.
Ostafrika mit seinen Staaten, deren Größe wir stets unterschätzen, insbesondere Äthiopien, Kenia, Somalia, Eritrea, Sudan, Ruanda, Tansania und Uganda, werden seit Jahrzehnten von Heuschreckenschwärmen biblischen Ausmaßes heimgesucht, die in Minuten blühende Landstriche kahlfressen, Ernten vernichten und Hungersnöte auslösen. Ein einziger Quadratkilometer dieser gefräßigen Insekten vertilgt an einem Tag die Nahrung von 35.000 Menschen. Gerade vor einem Monat, im Februar 2020, während bei uns Corona und Flüchtlingskrise die Schlagzeilen befeuerten, wurde in Ostafrika die Ernte für 110 Millionen Menschen teilweise vernichtet. Kenia wurde dabei von einem Heuschreckenschwarm von 80 Kilometer Länge und 40 Kilometer Breite heimgesucht. Die Biester fressen pro Tag die Nahrungsgrundlage von 80 Millionen Menschen. Wen wundert es, dass diese Menschen ihr Land verlassen wollen?
Heuschreckenschwärme behindern auch den Flugverkehr. Eine Boeing 737 der Ethiopian Airlines geriet bei der Landung in Dire Dawa in einen Heuschreckenschwarm. Die auf der Frontscheibe zermatschten Insekten behinderten die Sicht der Piloten, eine Landung wurde unmöglich. Das Flugzeug musste durchstarten und 350 km nach Addis Abeba fliegen, wo eine Instrumentenlandung möglich war.
Wenn der Wind günstig steht, legen die Heuschrecken bis zu 150 Kilometer am Tag zurück. Besonders nach üppigen Regenfällen finden die Insekten in den feuchten Böden ideale Reproduktionsbedingungen. Für die meist armen Kleinbauern ist das verheerend, weil ihre Ernte aufgefressen wird. Das Vieh der Hirten hat nicht mehr genügend Nahrung. Das ist dann der Grund, dass in Ostafrika 25 Millionen Menschen hungern. Als wäre das nicht genug, terrorisieren die wahabistischen Al Shabaab Milizen die Bevölkerung um einen sogenannten islamischen Gottesstaat am Horn von Afrika zu errichten.
Ethiopian Airlines (ET) ist mit 122 Flugzeugen und 11 Millionen Passagieren jährlich die größte Luftfahrtgesellschaft Afrikas. Darunter sind allerdings auch noch vier Boeing 737-Max8, die seit dem tragischen Absturz am 10. März 2019 weltweit stillgelegt sind. Ethiopian bedient alle wichtigen afrikanischen Städte südlich der Sahara, fliegt nach Nord- und Südamerika, in alle wichtigen Länder Asiens und Europas und hat ein engmaschiges Inlandsnetz geknüpft.
In einer eigenen Flugschule bildet sie ihre Piloten aus. Außerdem nutzt sie die Maschinen für Agrarflüge, um die Felder großflächig mit Pestiziden zu besprühen und die Heuschreckenplage zu bekämpfen. Dazu kaufte sie von dem tschechischen Flugzeugbauer Aero Vodochody mehrere Cropduster vom Typ AE 270 mit Turboprop Motor. Wieder eines der Beispiele, wie eine Airline nicht nur Menschen und Staaten miteinander verbindet, sondern auch die Ernährung der Bevölkerung sichern kann. Das wird ganz besonders in Krisenzeiten spürbar, wenn Straßen unpassierbar, Grenzen geschlossen und Lieferketten unterbrochen sind.
Andreas Fecker
Hej Andreas, danke für den Artikel. Hier: kurz und knackig auf den Punkt gebracht, was unsere Nachrichtenwelt total vergisst: auf der Welt passieren noch viele andere Dinge, die viel schrecklicher sind als gerade unser Covid-19. Aber nur die Quote zählt, nicht die Vernunft.
Anbei eine dramatische Dokumentation von CNN zu diesem Thema.
https://edition.cnn.com/interactive/2020/05/africa/locusts/