Jetzt wird’s royal. Es war einmal ein Märchenkönig aus dem Haus Wittelsbach. Er wurde 1845 auf Schloss Nymphenburg in München geboren und starb 1886 im Alter von gerade mal 41 Jahren unter ungeklärten Umständen. Von 1864 bis zu seinem Tod war Ludwig II. König von Bayern. Er baute einige der schönsten Schlösser der Welt, Herrenchiemsee, Linderhof und natürlich Neuschwanstein. Diese Bauten machten ihn bis zum heutigen Tag berühmt. Man erinnert sich auch gerne an seinen Wahn, dem Sonnenkönig Ludwig XIV. von Frankreich nachzueifern und dessen Prachtbauten noch zu übertreffen.
Berüchtigt wurden auch seine Vorlieben für Richard Wagner, pompöse Gemälde, prächtige Pfauen, elegante Schwäne, prachtvolle Kutschen, hängende Gärten und kitschige Bauwerke. Weniger präsent ist hingegen seine Begeisterung für neue Technik. Nachdem er zum Beispiel sein Interesse an der Fotografie entdeckt hatte, ließ er sich auf Schloss Hohenschwangau ein Fotolabor einrichten. Ludwig unterstützte die Drucktechnik und finanzierte den Erfinder des Lichtdrucks. Auf seine Initiative wurde der Farbstoff Indigo erstmals künstlich entwickelt. Er förderte die Dampfkraft und nahm 1876 das erste Elektrizitätswerk der Welt (!) in Betrieb. In der künstlich angelegten Venusgrotte bei Schloss Linderhof ließ er einen Wasserfall und einen unterirdischen See installieren, den er in verschiedenen Farben anstrahlen konnte. Gesteuert wurde das von 24 Dynamos.
Viele seiner Bauten waren mit Technik gespickt. Im Schloss Neuschwanstein stand das erste Telefon im gesamten Königreich. Die Zentralheizung wurde mit Heißluft betrieben, alle Toiletten hatten Wasserspülung, überall gab es fließend Wasser. Architekten und Ingenieure verzweifelten allerdings an seinen Visionen und ständigen Änderungswünschen. Ganze Stockwerke mussten wieder abgetragen werden, weil dem König einfiel, einen Thronsaal einzuziehen, der von einer freitragenden Kuppel überdacht werden sollte. Dabei kamen erstmals Doppel-T-Stahlträger zum Einsatz. In der Küche gab es einen Fleischspieß, dessen Umdrehungen sich dem Grad der Hitze ständig anpassten. So wurde Bayern zu einem Vorreiter neuer Technologien. Um die Ausbildung von Ingenieuren zu forcieren, gründete der König die „Königlich Bayerische Polytechnische Schule zu München“, aus der später die TU München wurde.
Anders als andere Könige richtete er beim Bau aber nicht seine Untertanen zugrunde, sondern setzte Dampfmaschinen zum Bewegen von Lasten ein. Auch der soziale Aspekt war revolutionär: Er bezahlte seine Arbeiter gerecht und versicherte sie und ihre Familien gegen Krankheiten, Verdienstausfall und Tod.
Schloss Neuschwanstein, eines der schönsten Schlösser der Welt – Foto: Fecker
Doch seine Visionen verschlangen viel Geld. Der Schuldenberg wuchs, Kreditgeber zogen sich zurück. Seine Minister suchten nach Gründen, den König für geisteskrank erklären zu lassen, um ihn zu entmündigen. Einen Grund fanden sie im Papierkorb. Dort lagen zerknüllte Skizzen: Entwürfe eines Flugwagens mit einer Gondel in Pfauenform. Die Gondel sollte von einem Ballon getragen und mit einem Seil von einer Dampfmaschine gezogen werden. Damit wollte er über den Alpsee vor seinem Schloss schweben. Da gab es keine Zweifel mehr: ‚Wenn der König jetzt auch noch fliegen will, dann ist sein Geisteszustand nicht mehr zu retten.‘ Vier Ärzte unterzeichneten ein Gutachten, das den König 1886 für unzurechnungsfähig erklärte. Sein Flugwagen-Entwurf wurde ihm zum Verhängnis. 12 Jahre später legte ein gewisser Ferdinand Graf von Zeppelin den Entwurf seines ersten Luftschiffes vor, eine zigarrenförmige Ballonhülle mit einer Gondel darunter. Diese Erfindung sollte die Menschen nicht nur über den nächsten See, sondern sogar über den Atlantischen Ozean tragen.
Andreas Fecker
immer wieder toll zu lesen.. Liebe Grüße aus Idar-Oberstein