Luftpost 121: Luftfracht 1

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Vergangene Woche habe ich daran erinnert, wie die Raumfahrt im Weltall unsere Lebensbedingungen ergänzt. Heute nehme ich Sie mit in den erdnahen Bereich und beleuchte die Warenströme und die Rolle der Luftfracht. Als 1922 die deutschen Eisenbahnen streikten, wurden Post und Tageszeitungen kurzerhand auf Flugzeuge verladen und so in die gesamte Republik verschickt. Nach acht Tagen wurde der Streik erfolglos abgebrochen, die regelmäßige Luftfracht war geboren und hatte sich schon bewährt.

Mexiko 1924. Die Industrie boomte dank Erdölfunden an der Golfküste. Doch Banditen überfielen immer wieder die Kuriere der Ölfirmen, die gut 150 km anreisen mussten, um den Arbeitern die Löhne zu zahlen. Auf einer Flugshow hatte der amerikanische Bankier George L. Rihl den rettenden Einfall: wenn der Landweg so gefährlich war, flog man die Löhne eben über die Köpfe der Wegelagerer hinweg! Er kaufte die ganze Flugshowtruppe samt Maschinen auf und gründete mit einem Partner in Tampico die Compañia Mexicana de Aviación (CMA). Fortan flogen drei Doppeldecker Löhne und Verpflegung sicher zu den Bohrfeldern und die Banditos schauten in die Röhre.

1934 nahm die Deutsche Lufthansa mit dem Flugboot Dornier-Wal den Luftpostbetrieb nach Rio de Janeiro auf, mit Zwischenlandung unter anderem neben einem auf halber Strecke stationierten Schiff zum Auftanken, für damalige Zeiten eine Sensation. In den USA gründete William Edward Boeing derweil die United Aircraft and Transport Company. Er baute Flugzeuge, beförderte zuerst Post, später auch Passagiere, bis er wegen des Vorwurfs der Monopolbildung auf Anordnung der Regierung 1934 die Firmen trennen musste. So entstanden die United Aircraft Company, die Boeing Airplane Company und die United Air Lines. Mit dem Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg verschoben sich jedoch die Schwerpunkte. Statt immer größere Passagier- und Frachtmaschinen zu bauen, mussten nun Kampf- und Transportflugzeuge gebaut werden. 300 Flugzeuge verließen pro Woche die Boeing-Werke in Seattle. Nach dem Krieg wechselten viele Militär-Piloten in die zivile Fliegerei, blieben häufig auf den gewohnten Militär-Maschinen sitzen, die man mittlerweile zu Passagier- oder Frachtmaschinen umgebaut hatte. Besonders die legendären DC-3 und DC-4 bewährten sich über Jahrzehnte hinweg.

Mit Beginn des Jetzeitalters kamen größere Flugzeuge auf den Markt. Im Unterdeck befand sich Stauraum, welchen man zusätzlich verkaufen konnte. Das Interesse der Airlines an diesem einträglichen Nebengeschäft führte zu interessanten Veränderungen. Die Passagierkabinen wurden so gestaltet, dass man die Sitzreihen in kürzester Zeit entfernen und wieder einrüsten konnte. Der Quick-Change war geboren: Nach der letzten Landung am Abend wurden die Passagiermaschinen zu Frachtern umgerüstet und verließen kurz darauf voll beladen wieder den Flughafen, um Post, Pillen oder Papayas über Nacht zum nächsten Luftumschlagszentrum zu befördern.

Bei einer Boeing 747, voll beladen mit Passagieren und Gepäck, machen 15 Tonnen Frachtbeiladung gerade mal ein Achtel der Nutzlast aus. Die neueste Cargo-Version des Jumbo-Jets befördert heute bis zu 140 Tonnen Fracht pro Flug. Der Anteil des Luftfrachtverkehrs an den weltweiten Frachtströmen wächst derzeit um etwa 6 Prozent pro Jahr. Es gibt offenbar auch keine Denkverbote gegen unbemannte Frachter, zumindest im chinesischen Hinterland. Solche Fluggeräte mit 10 Tonnen Nutzlast oder weniger könnten schon in etwa 15 Jahren realisiert werden.

207 Milliarden Tonnenkilometer an Fracht wurden 2013 weltweit transportiert. Heute fliegen 1700 Frachter verschiedener Größen weltweit. 72% des Warenaustauschs zwischen Europa und Fernost findet per Luftfracht statt, zwischen Fernost und den USA sind es gar 80%, während der transatlantische Warenverkehr nur zu 43% mit fliegenden Frachtern bedient wird.

Viele Waren können wahlweise per Straße, Schiene, Schiff oder Luft transportiert werden. Interkontinental gibt es im Wesentlichen nur zwei Möglichkeiten: Schiff oder Flugzeug. Das Schiff bietet die günstigeren Preise, das Flugzeug die kürzere Zeit, die Zuverlässigkeit und die schnellere Bezahlung. Das Geld für die Luftfrachtgüter geht schon ein, da wäre das Schiff noch nicht einmal in internationalen Gewässern! Auch die Umwelt profitiert, denn besonders die älteren Frachtschiffe erzeugen im Gegensatz zu Flugzeugen gigantische Mengen an Schadstoffen. Die Bundeszentrale für politische Bildung nennt eine spannende Zahl: „Geht man vom Warengewicht der grenzüberschreitend transportierten Güter aus, hat die Luftfracht einen Anteil von weniger als einem Prozent. Bezogen auf den Warenwert steigt der Anteil jedoch auf etwa 40 Prozent. Denn im Gegensatz zur Seefracht konzentriert sich der Luftfrachtverkehr auf kapitalintensive, kurzlebige und verderbliche Güter.“ Dreiviertel unserer Luftfracht verteilt sich deshalb auf Langstrecke über 6000 km, der Rest ist Kurz- und Mittelstrecken. Der Grund dafür: „Vor allem bei Waren aus dem Kommunikations- und EDV-Bereich ist der Produktzyklus sehr kurz, bei ihnen werden die Hauptumsätze während der ersten Monate nach Einführung erzielt. Unter Konkurrenzbedingungen ist daher die schnelle Marktdurchdringung für einen großen Teil des Markterfolges verantwortlich. Dies gilt auch für die Modebranche, da hier Trends schnell entstehen und ebenso schnell vergehen.“ Air Cargo ist daher aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken, obwohl sich viele von uns inzwischen langlebigere Zyklen und ein nachhaltigeres Wachstum ersehnen würden.

Bruce Dickinson, Komponist, Sänger, Schriftsteller, Drehbuchautor, Pilot, Airline Manager – Foto: US Air Force

Der eine oder andere Leser mag sich an die Heavy Metal Band „Iron Maiden“ erinnern. Der Frontmann und Lead-Sänger der Band, Bruce Dickinson, ist gleichzeitig 757-Kapitän bei Astraeus Airlines. Er flog nebenher auch Evakuierungseinsätze in diversen Krisengebieten. Nun managt er die neue Air Djibuti, bildet Personal aus und sorgt für die Wartung der geplanten fünf Flugzeuge. Er sieht im ostafrikanischen Djibouti einen einzigartigen Standort für Investitionen in den Binnenstaaten Afrikas, ein Verkehrskreuz für Güter und Know-How von und nach Europa, Nahost und Asien. Der Hafen liegt strategisch günstig an der Straße von Hormus, einer der meistbefahrenen Schiffsrouten der Welt. Vielleicht ist gerade das eine der richtigen Initiativen, Afrika zu stabilisieren und seinen Menschen eine Chance auf ihrem Kontinent zu geben. Ganz bestimmt brauchen wir noch mehr solche Initiativen. Laut neuestem Welthungerindex leiden 800 Millionen Menschen Hunger. Die meisten davon in Afrika.

Von Andreas Fecker

Eine Antwort zu “Luftpost 121: Luftfracht 1”

  1. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich auf eine Luftpost verweisen, die ich hier vor zweieinhalb Jahren zum Thema Luftfracht geschrieben habe. Sie endet mit diesen Sätzen:
    „Es gibt etwa 50 Staaten auf der politischen Weltkarte, die keinen Seehafen haben. Der Handel mit vielen von ihnen kann nur über die Luftfracht erfolgen, denn der Transit durch die Nachbarstaaten ist entweder aus politischen, zollrechtlichen, infrastrukturellen, sicherheitstechnischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Per Luftfracht erreicht man dort derzeit eine halbe Milliarde Menschen und bietet diesen Ländern gleichzeitig einen Zugang zu internationalen Märkten.
    Wer also den Luftfrachtverkehr auf unseren Flughäfen ausdünnen will, muss sich entscheiden, ob wir diese Menschen vom Welthandel ausschließen wollen. Oder wollen wir warten, bis sie auf der Suche nach einem ‚besseren Leben‘ zu uns kommen und sich über die Metropolen der westlichen Welt verteilen?“