Seit 110 Jahren wird in Göttingen die Luftfahrt erforscht

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Bau der Modellversuchsanstalt in Göttingen – Foto: DLR (CC-BY 3.0)

Vor 110 Jahren wurde in Göttingen die erste staatliche Einrichtung für Luftfahrtforschung Deutschlands gegründet. Der Vorläufer des heutigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) legte die Grundlagen der modernen Luftfahrt.

Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten Zeppeline und Flugzeuge flogen, kam es öfter zu unerklärlichen Problemen und Abstürzen. Bestimmte Formen und Konstruktionen flogen besser als andere. Aber warum? In der Luft bewegte Objekte schienen unbekannten Einflüssen zu unterliegen. Prof. Ludwig Prandtl, 1904 als Direktor der Technischen Physik nach Göttingen berufen, wollte darauf Antworten finden. So wurde im November 1907 auf Anregung Prandtls zur Durchführung aerodynamischer Versuche die Modellversuchsanstalt Göttingen ins Leben gerufen. „Das war die erste staatliche Einrichtung für Luftfahrtforschung in Deutschland“, sagt Dr. Jessika Wichner, Leiterin des Zentralen Archivs im DLR. „In Göttingen wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die theoretischen und experimentellen Grundlagen gelegt, ohne die die heutige Luftfahrt nicht möglich wäre“, so Wichner.

Suche nach optimaler Luftschiffform
Die neue Forschungseinrichtung beschäftigte sich in ihren Gründungsjahren unter anderem mit der Entwicklung der besten Luftschiffform. Ludwig Prandtl wurde mit der Erforschung der wissenschaftlichen Grundlagen zur Grenzschichttheorie und zur Theorie des Tragflügels weltweit zum „Vater der Aerodynamik“.

Aus der Modellversuchsanstalt ging nach dem Ersten Weltkrieg die Aerodynamische Versuchsanstalt (AVA) in Göttingen hervor, eine der drei Vorläuferorganisationen des DLR. „Göttingen war ein Magnet für die Pioniere der Luftfahrtforschung weltweit“, so Wichner. So arbeitete hier unter anderem der ungarische Forscher Théodor von Kármán, der später einer der wichtigsten Aerodynamiker der USA wurde, oder Hans Pabst von Ohain, Erfinder des ersten Strahltriebwerks.

Der Kern der Arbeit blieb bis heute gleich: die wissenschaftliche Suche nach den optimalen Flug- und Fahrbedingungen – egal ob von Flugzeugen, Raumschiffen oder Hochgeschwindigkeitszügen.

Nurflügler
Prandtl entwickelte 1907 den Windkanal „Göttinger Bauart“, der im Gegensatz zu den damals üblichen aus einem komplett geschlossenen Ringsystem bestand. Auf ihm basieren die meisten heutigen Windkanäle. In Göttinger Windkanälen wurden so revolutionäre Entwürfe wie der Nurflügler oder das Rotorschiff getestet. Ein Nurflügler ist ein Flugzeug ohne Höhenruder und ohne Unterscheidung von Flügel und Rumpf. Vor und während des Zweiten Weltkriegs wurden in Göttingen die Modelle der Brüder Horten getestet. Heute gilt diese Bauweise als Vorbild für den amerikanischen Tarnkappenbomber B2 und die nächste Generation ziviler Großraumflugzeuge.

Bereits in den 20er Jahren wurde in Göttingen ein Rotorschiff entwickelt, das durch rotierende Zylinder angetrieben wurde – eine Idee, die sich nicht durchsetzte, aber in der jüngeren Vergangenheit mit dem E-Ship 1 wieder aufgegriffen wurde. So simpel wie wegweisend war die Erfindung des Pfeilflügels, Standard bei fast jedem heutigen Flugzeug. Ohne ihn wäre der moderne schnelle Reiseflug nicht möglich.

Heute arbeiten im DLR Göttingen 480 Mitarbeiter. Im gesamten DLR sind es 8000.

Quelle: PM DLR