Luftpost 90: „Nah-Tod-Erfahrungen“

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Oft sind es Alltagspannen, die in den USA von gewieften Anwälten zu Millionenklagen verarbeitet werden, wie der Becher heißen Kaffees am Autoschalter einer Imbisskette, mit dem sich Stella Liebig den Schoß verbrühte. Die erlittenen Schmerzen brachten ihr 2,7 Millionen Dollar ein, von denen allerdings ihr Anwalt einen Teil kassierte.

Da liegt es nahe, dass sich viele amerikanische Anwaltsbüros auf vermeintliche oder tatsächliche Unfälle und Missgeschicke an Flughäfen und mit Airlines spezialisieren. Die Gelben Seiten amerikanischer Telefonbücher sind voll von Annoncen dieser Airplane Accident Lawyers. Denn außerhalb der eigenen vier Wände wartet das Leben, da lauern neben dem bösen Sauerstoff auch noch andere Gefahren, wie ein glatt polierter Fußboden im Flughafen, auf dem man ausrutschen, eine tückische Teppichfalte im Terminal, über die man stolpern kann, reißwolfartige Rolltreppen, in denen sich ein Schuhbändel verfangen oder gefährliche Gangways, wo man sich den Arm brechen kann. Herabfallendes Gepäck aus den Overhead-Bins wird immer wieder gerne genommen, um das eigene Konto mit einer halben Million aufzubessern. Schon der Bordkaffee – zu heiß oder zu kalt – führt unweigerlich zu „Emotional Distress“, Turbulenzen in der Luft mit plötzlichem Absacken der Maschine zu traumatischen Angstzuständen und Nah-Tod-Erfahrungen, so der neue Anwaltssprech.

Nun hat auch das Amtsgericht Frankfurt entschieden, dass dem Passagier bei einer Notlandung weitere Ausgleichszahlungen zustehen, selbst wenn die Airline bereits eine Verspätungsentschädigung gezahlt hat (Az. 30 C 1590/13 (75)). Da gibt es keine mildernden Umstände, wenn der Käpten bei Ausfall eines Triebwerks sicherheitshalber und gewissenhaft den nächstgelegenen geeigneten Flughafen angesteuert hat. Schnell wird der „Beinaheabsturz“ vor den Kadi gebracht und psychische Folgen geltend gemacht, für die die Airline geradezustehen hat. So hat man natürlich des nächtens Albträume und fürchtet sich fortan ein Flugzeug zu besteigen. Das wiederum benachteiligt „das Opfer“, denn es kann ja nun nicht mehr unbeschwert die Welt bereisen. Im jüngst verhandelten Fall reduzierte das Gericht immerhin den Reisepreis um 40%, denn es war ja ein deutsches Gericht. Jenseits des Großen Teiches wäre die Fluglinie nicht so billig davon gekommen.

Wenn Sie also das nächste Mal eine „Nah-Tod-Erfahrung“ auf der Landstraße haben, weil die Autos in weniger als 2 Meter Abstand mit hoher Geschwindigkeit an Ihnen vorbei fahren, versuchen Sie doch mal, Ihre KFZ-Steuer um 40 % zu reduzieren!

von Andreas Fecker