Luftpost 488: Risiken und Nebenwirkungen

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Foto: Fecker

Ich bin im Besitz tausender Fotos von Flugzeugen, Flughäfen, Airlines und allem was dazugehört. Über Jahrzehnte hat sich da sehr viel angesammelt. Darunter befindet sich ein Bild von meinem Freund Robert Domandl aus Buenos Aires, das ich zu den ausdrucksstärksten Dokumentationen über den täglichen weltweiten Flugbetrieb und die Leistung der Piloten zähle. Es wurde 2006 in Bolivien aufgenommen. Die Boeing 727-200, Baujahr 1980, flog bis 2015 bei der bolivianischen AeroSur. An diesem Bild beeindruckt mich besonders der Flughafen. Die Piste des Aeropuerto Juana Azurduy de Padilla in Sucre ist eine Herausforderung für Mensch und Maschine, besonders an heißen Tagen. Auf 2.900 Metern Höhe gelegen, 2.835 Meter lang, 30 Meter breit, keine Befeuerung, keine Landehilfen. Nach dem Aufsetzen des Fahrwerks bringen manche Piloten ihre Maschinen trotz Umkehrschub erst mit rotglühenden Bremsen auf der abschüssigen Bahn zum Stehen. Gleich am Ende des Asphalts geht’s abwärts in ein 75 m tiefes Flußtal. Beim Start wiederum liegen oft nur 50 Meter zwischen hastig eingezogenen Fahrwerk und dem hügeligen Terrain jenseits der Piste. Selbst erfahrene Piloten reden hier vom Schließmuskelfaktor 10! Kein Passagier wird das mitbekommen, weil er nicht nach vorne sieht. Das Bild vermittelt die Gefahren, welche der Pilotenberuf mit sich bringt. Die Crews können sich ja die Flughäfen meist nicht aussuchen, auf denen sie starten und landen. Sie sind Dienstleister im öffentlichen Flugverkehr, und die Airlines ermöglichen ihrer Kundschaft, möglichst pünktlich, schnell und sicher an ihr Ziel zu kommen, auch wenn diese Ziele entlegen und schwierig anzufliegen sind. Risiken sollen durch Simulatortraining klein gehalten werden. Die Kapitäne entscheiden schließlich, ob sie bei der vorherrschenden Wetterlage und dem Pistenzustand das Risiko vertreten können oder nicht. Beruhigend für die Passagiere ist, dass auch Piloten ihren nächsten Flug überleben wollen. Die Ausnahmen kann man an einer Hand abzählen … Und noch etwas darf alle Besucher der bolivianischen Hauptstadt beruhigen: 2016 wurde ein neuer Flughafen eingeweiht, der einfacher anzufliegen ist. Allerdings liegen 31 km anstrengende Straße mit mehreren Bergrücken und Tälern dazwischen.

Sucre Airport, Bolivien – Foto: Robert Domandl

Nicht weit von Sucre, auf etwa gleicher Höhe, liegt Quito, die Hauptstadt von Ecuador. Der alte Flughafen war mitten in der Stadt, die Wohnbebauung begann fast direkt an der Piste. Der Flughafen war extrem gefährlich. In den Sommermonaten kam es regelmäßig wegen plötzlicher Scherwinde mit 30 bis zu 70 km/h  aus verschiedenen Richtungen zu Landungsabbrüchen und Durchstartmanövern in letzter Sekunde. Das sichere Aufsetzen der Maschinen war bisweilen unmöglich. Allein zwischen Juni und August 2018 mussten 159 Landeversuche beim ersten Mal abgebrochen werden. Die Crews entschieden sich dann frühzeitig zu Ausweichlandungen an anderen Flughäfen.

Quito – Foto von Kok Chwee Sim aus Singapur, der 2010 wegen des Ausbruchs des Eyjafjallajökull Vulkans auf Island und dessen globalen Auswirkungen auf den Flugverkehr mehrere Tage in Ecuador feststeckte.

Inzwischen wurde nahe Quito ein neuer Airport eröffnet, 37 km außerhalb der Stadt. Eine sechsspurige Autobahn verbindet ihn mit der City. Trotz 4100 m langer Piste machen Höhe und Hitze den Piloten zu schaffen. Um die Risiken zu testen führen die Flugzeughersteller Hot-and-High-Tests auf den höchstgelegenen Airports der Welt durch. Seit wenigen Jahren hält allerdings China mit Nagqu-Dagring auf 4436 m Höhe den Rekord  der höchstgelegenen Flughäfen der Welt. Das größte Risiko für die Passagier erwartet sie erst nach dem Aussteigen aus der Maschine: Eine Lungenembolie. Der Flughafen verfügt daher über eine spezielle Krankenstation mit Druckkammer, medizinischem Personal und ausreichend Sauerstoffgeräten.

Hot and high auf 4.061 m in La Paz, Bolivien – Foto: Airbus

 

Andreas Fecker

 

Eine Antwort zu “Luftpost 488: Risiken und Nebenwirkungen”

  1. Joachim Fischer sagt:

    Hi Andy, ja wie wahr ist Deine Beschreibung. Ich bin wiederholt den alten und den neuen Platz in Quito angeflogen. Nicht nur die Höhe und die Turbulenzen sind das Problem, sondern dazu auch noch die häufigen Gewitter und die hohen Berge um den Platz drumherum im An- und Abflug. Aber dafür ist das Erfolgserlebnis ein gutes Gefühl, wenn wieder mal alles gut gelaufen ist.