Luftpost 470: Unzumutbar

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Foto: Fecker

Seit einiger Zeit begegnet mir immer wieder diese sympathische Geschichte:
Beim Boarding zu einem Flug der British Airways von Johannesburg nach London fand sich eine weiße Mittvierzigerin aus Kapstadt im Sitz neben einem Schwarzen. Sie rief nach der Kabinenchefin.
“Was haben Sie für ein Problem, Madam?” fragte die.
“Sehen Sie nicht? Man hat mich neben einen Kaffer gesetzt. Das geht doch nicht! Soll ich etwa bis London neben dem sitzen? Ich bestehe auf einem anderen Platz!”
“Bitte beruhigen Sie sich, Madam.” antwortete die Stewardess. “Ich kümmere mich darum. Wir haben heute allerdings ein volles Flugzeug. Vielleicht haben wir noch einen freien Sitz in der Business oder in der First Class.” Die Frau würdigte den Schwarzen neben sich mit keinem Blick. Der allerdings war erkennbar außer sich, genauso wie die Passagiere, die die Szene mitgekriegt hatten. Ein paar Minuten später kam die Stewardess zurück. „Ich habe gute Neuigkeiten für Sie, Madam. Wie befürchtet ist die Economy ausgebucht. Auch in der Businessklasse ist nichts mehr frei. Aber wir haben noch einen freien Sitz in der Ersten Klasse. Es ist äußerst ungewöhnlich, jemanden von Economy auf First Class upzugraden. Ich musste den Captain dafür um Erlaubnis bitten. Aber er teilte meine Ansicht, dass es unzumutbar ist, neben einer widerlichen Person zu sitzen.“ Während die Frau sichtlich triumphierte, wandte sich die Stewardess an den schwarzhäutigen Sitznachbarn:
“Sir, bitte nehmen Sie ihr Handgepäck und folgen Sie mir in die Erste Klasse.”
Die Passagiere in den umliegenden Sitzen standen auf und klatschten begeistert, als der Schwarze mit seinem Köfferchen nach vorne ging.

Balsam für die Seele, nicht wahr? Man stellt sich vor, welch eine Lektion das für die Südafrikanerin war. Und man wünscht sich von Herzen, dass die Geschichte auch tatsächlich irgendwann so passiert ist. Ich habe mir einen Wolf recherchiert! Sie tauchte erstmals 1998 auf. 2012 machte die selbe Story die Runde, in der sich ein 50-jähriger Muslim beschwerte, neben einer älteren Dame zu sitzen, die in der Bibel las. In einer anderen Version soll der Vorfall an Bord von TAM Airlines in Brasilien passiert sein. Offenbar haben sich philanthropische Menschen die Geschichte zu eigen gemacht, geringfügig verändert und weitererzählt, um die eigene menschenfreundliche Einstellung zu unterstreichen. Sollte sich die British Airways Story tatsächlich so ereignet haben, wurde sie also zur Legende. Hier müssen wir Toleranz walten lassen, und nur den Kern verinnerlichen. Denn solange der erhalten bleibt, ist es doch egal, an Bord welcher Airline das passierte.
Im Vergleich dazu wurde die erfundene Geschichte mit der Radarfalle zu einem Email-Hit, der nur darauf abziehlt, sich für ein Knöllchen zu rächen und die Verkehrspolizei dumm aussehen zu lassen. Nett zu lesen ist sie allemal. Man darf sie nur nicht für bare Münze nehmen.
Andreas Fecker