Luftpost 383: Lachs!

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An Bord einer Beaver in der Wildnis Alaskas – Bildarchiv: Fecker

Einst kam ich nach einer ziemlich rustikalen Trekkingtour durch die Brooks Range in Alaska nach Anchorage zurück. Als ich mein Gepäck für den Flug nach Frankfurt eincheckte, vernahm ich bei dem Kunden vor mir einen deutschen Akzent. Er erklärte dem Gate Agent, dass er gekühlten Lachs im Gepäck habe und wollte sich vergewissern, dass der Laderaum auch wirklich kühl sei. Später traf ich ihn wieder am Gate. Enthusiastisch und voller Mitteilungsbedürfnis erzählte er mir von seinem Angelurlaub am Iliamna Lake.

Der Lake Iliamna ist ein See im Südosten Alaskas, wo die wilde Kette der Alëuten Inseln beginnt. Es ist auch ein Lachsparadies. Angler aus der ganzen Welt konkurrieren dort mit Bären um fette Beute. Geschäftstüchtige Alaskaner betreiben Lodges mit einer Mischung aus Outdoor Feeling und Komfort für zahlungskräftige  Kunden aus den USA und Übersee. Aus Deutschland zum Beispiel. Mein Mitpassagier war voller Vorfreude, dass er bald seinen Angelfreunden in Bochum von seinen Erlebnissen im Hohen Norden erzählen könne. „Du glaubst gar nicht, was ich da rausgezogen habe! Gleich am ersten Tag habe ich kiloweise Fische gefangen! Mehr als ich jemals an der Ruhr gesehen habe! Sooolche Oschis!“ Dabei  breitete er die Arme aus, als wolle er den Getränkeautomat an der Wand umarmen. Und weiter schwärmte er: „Und die Wirtin hat dann die Lachse zubereitet. Jedesmal nach einem anderen Rezept. Sogar zum Frühstück gab es feine Lachsstreifen! Ich hab gleich am nächsten Tag noch um eine weitere Woche verlängert. Eigentlich wollte ich ja nur 14 Tage bleiben. Aber das war einfach großartig.“ „Wow!“ sagte ich, „was kostete denn eine Woche?“ „Na ja, die erste Woche kostete 6000 Dollar für den Flug von Anchorage, für Unterkunft und Vollverpflegung. Die zweite Woche gab’s für 3000, weil kein Flug mehr dabei war.“ antwortete er etwas nachdenklich. Es schien mir, als dachte er gerade an ein überzogenes Konto, und wie er das seiner holden Weiblichkeit erklären werde. Er beeilte sich aber hinzuzufügen, „Ich habe die dritte Woche für 2500 gekriegt!“ „Toll! Und zu essen gab es immer Lachs?“ „Ja, meistens. Zwischendurch gab’s auch mal Fleisch und Kartoffeln.“ Als ich schwieg, sagt er, „Ich freue mich jetzt mal auf ein richtig fettes Schnitzel mit Pommes. Und ein paar Kölsch.“

Auch so kann man sich ins Gespräch bringen – Foto: Alaska Airlines

 

Lachsfang mit Inuit in Alaska – Foto: Fecker
Unser Luftpost-Autor mit seinen ersten Lachsen – Foto: Bildarchiv Fecker

Airlines bieten auf bestimmten Strecken bevorzugt typische Gerichte an, die im Zielland konfektioniert werden. Im Flugzeug wollte es der Zufall, dass der Angler eine Reihe schräg hinter mir saß. Als das Essen serviert wurde, gab es – landestypisch eben – Lachs. Ich warf einen verstolenen Blick nach hinten und sah, dass er sein Essen nicht anrührte. Da musste ich es loswerden: „Na? Was ist? Kein Appetit auf Lachs?“ Ich habe selten erlebt, wie es jemanden derart angwidert und spontan am ganzen Körper schütteln kann wie diesen Anglerfreund! Aus seinem Mund entfuhr ihm ein herzhaftes, ehrliches: „Bäh!“

In den frühen 1970er Jahren hatte auch ich mein Lachserlebnis in  Alaska. Ich war mit Inuit vor der Küste von Kotzebue in der Beringstraße auf Lachsfang. Als Gast. Zwei Tage lang. Kaum hatten wir um 22 Uhr das Netz ausgebracht, zogen wir das Boot vor der Rückfahrt ins Dorf unter dem Netz hindurch. Es war keine halbe Stunde vergangen, da war das Boot voll! Um Mitternacht legten wir wieder am Strand an und versorgten den Fang zum Verkauf an die Fischereigenossenschaft der Inuit. Um zwei Uhr morgens gab es dann „Abendessen“. Bei Mitternachtssonne. Auf dem Teller lag dann allerdings ein Karibou-Steak und Gemüse. Einheimische Fischer schätzen nämlich Abwechslung über alles.

Andreas Fecker