Luftpost 382: Grand Canyon

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Unser Klima ist es wert, die Menschheit auf kreative Weise auf die Gefahren hinzuweisen –  Fotoarchiv Fecker

Als ich noch meine Jahresurlaube nutzte, um dreiwöchige Wander- und Trekkingtouren durch Arizona zu führen, beinhalteten diese auch einen mehrtägigen Rafting Trip durch den Grand Canyon. An einer bestimmten Stelle ließ ich den Motor abstellen. Während uns die Strömung geräuschlos flussabwärts trug, erzählte ich meinen Kunden folgende Geschichte:

Eine amerikanische Power Company wollte im Grand Canyon den Colorado zu einem 160 km langen See aufstauen. Während natürlich das Kraftwerk der Hauptgrund war, erzählte man der Öffentlichkeit, diese „Verschönerung“ solle der Erholung dienen, und den Menschen das Grand Canyon Erlebnis näherbringen. Mit Motorbooten könnten die Touristen dann näher an die Wände des Canyons gelangen, die der Fluß im Laufe von 550 Millionen Jahren geschliffen hat. Auf beiden Seiten des Flusses sieht man auch heute noch die Löcher von den Probebohrungen im Fels. Der amerikanische Sierra Club brachte das Projekt zu Fall, indem er Flugblätter druckte und in der New York Times eine ganze Seite kaufte. Unter einem Foto der Sixtinischen Kapelle wurde gefragt: „Sollten wir nicht auch die Sixtinische Kapelle fluten, damit die Touristen näher an die Deckengemälde kommen?“ (Should we also flood the Sistine Chapel so tourists can get nearer to the ceiling?) Dieser sarkastische Vorschlag führte den Befürwortern des Dammes die ganze Absurdität so drastisch vor Augen, dass sie das Projekt aufgaben.

Ich finde diese Initiative der Umweltschützer noch heute großartig! Klar, machen wir uns inzwischen Sorgen um Klima und Umwelt, auch wenn das Thema aus aktuellem Anlass etwas aus den Schlagzeilen geraten ist. Unserem Wettergeschehen ist das aber egal. Fantasievoll auf Versäumnisse, Missstände und Gefahren hinzuweisen, bewirkt mehr als ständiges Meckern und Mahnen. Vielleicht fällt einer hiesigen Bürgerinitiative auch mal so eine kreative Idee ein, statt auf Kosten des eigenen Gehörs lärmend mit Kochtöpfen und Trillerpfeifen durchs Frankfurter Flughafenterminal zu latschen und abgedroschene Schüttelreime gegen Fluglärm zu skandieren? Das könnte dann wirklich mal den Unterschied machen!

Apropos Stausee. Der Colorado wurde ja mit dem Hoover Dam in den 1930er Jahren aufgestaut. Dadurch entstand der Lake Mead. Zusammen mit dem Lake Powell und dem Colorado River System versorgt der See fast 40 Millionen Menschen im Westen der USA mit Trinkwasser und produziert Millionen Megawattstunden Energie. Doch jährlich fällt der Wasserspiegel um zwei Meter alleine durch Verdunstung. Das entspricht ca. 40 Milliarden Liter pro Woche. Jetzt hat er seinen historischen Tiefpunkt erreicht.  Die Vieh- und Landwirtschaft in Amerikas Südwesten läuft bereits trocken. Ein paar Meter noch, und das Kraftwerk des Hoover Damms muss abgeschaltet werden. Las Vegas ist klimatisch eine der heißesten Städte in den USA. Es liegt in der Mohave Wüste. 40° Celsius sind eher die Regel als die Ausnahme. Die Stadt mit 650.000 Einwohnern und 42 Millionen Besuchern pro Jahr bezieht ihren Strom von diesem Kraftwerk. Auch 90 Prozent ihres Wassers kommen aus dem Lake Mead und dem Colorado. Die prekäre Strom- und Wasserversorgung dürfte Auswirkungen auf die Klimaanlagen in den Casinos und Hotels, aber auch auf die Leuchtreklamen, Lasershows und Wasserspiele haben, für die Las Vegas berühmt ist.

Vor 20 Jahren landeten elf Millionen Touristen am Flughafen von Las Vegas. 2019, ein Jahr vor Corona waren es 35 Mio, die in Las Vegas die Nacht zum Tage machten und 10 Milliarden Liter Wasser in den Hotelcasinos verbrauchten, davon 54% in den Hotelzimmern. Die Mängel sind bereits allerorts spürbar. Gut möglich, dass das auf den Flugverkehr durchschlägt. Und schon wieder wird eine Wachstumsprognose eingedampft, und zwar aus einer Richtung, die man bei den Flugzeugbauern eher nicht auf dem Schirm hatte.

Andreas Fecker