Am 22. Mai 2020 befand sich Pakistan International Flug 8303 im Anflug auf Karachi. Die beiden Piloten des PIA Airbus A320 hatten während des gesamten Flugs über die Corona Pandemie diskutiert und wie dies ihre Familien und Verwandtschaft einschränkte. Der ILS-Anflug gestaltete sich nach dem vorläufigen Untersuchungsbericht salopp gesagt als unkonzentriert bis schlampig. Sie waren von Anfang an viel zu hoch, der Anfluglotse forderte sie zweimal auf, das Verfahren abzubrechen und neu zu beginnen, gab sie jedoch trotzdem mit dem Zusatz frei, „Landung auf eigene Verantwortung“. Er behielt sie dabei auf der Frequenz der Anflugkontrolle, statt sie an den Tower zu übergeben. Die Crew hatte alle Hände voll zu tun, die überschüssige Höhe wegzudrücken, so dass sie das Fahrwerk vergaßen. Den elektronischen Gleitpfad erwischten sie erst bei einer halben Meile vor der Schwelle, statt bei etwa zehn Meilen vor der Landung. Der Tower-Controller bemerkte zu spät, dass das Fahrwerk nicht ausgefahren war. Statt die Piloten direkt über Notfrequenz anzusprechen und einen sofortigen Pull-up anzuordnen, verlor er kostbare Zeit und teilte dies dem Radarlotsen mit, auf dessen Frequenz das Flugzeug noch immer war. Die Maschine setzte inzwischen auf den Triebwerksgondeln auf. Jetzt erst gaben die Piloten Gas und starteten durch. Beim zweiten Landeversuch fielen die beschädigten Motoren aus, die Maschine stürzte in Karachi in bewohntes Gebiet und zerstörte zwölf Häuser. 100 Menschen kamen ums Leben, mehrere davon am Boden.
Nach Überprüfung der persönlichen Lizenzen, Zulassungen, ärztlichen Bescheinigungen wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt. Die internationalen Aufsichtsbehörden empfahlen eine generelle Überprüfung aller 860 in Pakistan ausgestellten ATPL-Transportlizenzen und deren Vergabepraxis. Dabei fielen 262 gefälschte Patente auf. Die betreffenden Piloten haben angeblich andere dafür bezahlt, an ihrer Stelle die Prüfung abzulegen. Es soll auch untersucht werden, inwieweit Bestechungen bei den Behörden eine Rolle gespielt haben.
Immer wieder bringen solche Unfälle Missstände zutage, die sonst nicht aufgefallen wären. Da hat zum Beispiel ein kanadischer Staatsbürger, dessen Flugausbildung bei der kanadischen Luftwaffe wegen mangelnder Begabung abgebrochen wurde, einen zivilen Flugschein erworben, den er später auf Verkehrsflugzeuge ausweitete. Schließlich erhielt er in Nigeria auf Grundlage seiner kanadischen Pilotenlizenz und einer angeblich erfolgreich absolvierten Instrumentenflugprüfung die Instrumentenflug-Berechtigung. Bei einer späteren Kontrolle stellte sich jedoch heraus, dass in seinem Fluglogbuch keine solche Prüfung verzeichnet war. Später fiel auf, dass er für verschiedene Musterzulassungen jeweils mehrere Anläufe brauchte. Schließlich endete sein und das Leben von 108 Passagieren mit einem Crash, als er nach einem katastrophal verkorksten Instrumentenanflug gegen einen Berg flog.
Einem anderen Captain wurde von der FAA die Lizenz entzogen, weil er sein Flugbuch nachträglich geändert hatte. Empfehlungsschreiben der nigerianischen Luftfahrtbehörde waren gefälscht. In Abuja pflügte er 2012 sechs Meilen vor der Landung mit stehenden Motoren durch ein Wohngebiet. 160 Menschen ließen ihr Leben.
Wir erinnern uns an den tragischen Absturz der Fußballmannschaft von Chapecó 2017 in Medellín mit 71 Toten. Im Rahmen der Flugunfalluntersuchung wurde bekannt, dass der Pilot bei der Vergabe der Fluglizenz nicht die erforderliche minimale Stundenzahl hatte. Dies war der Behörde bekannt. Der Leiter der Zulassungsbehörde war der Sohn des General Managers der betroffenen Airline. Er und einige andere landeten daraufhin im Gefängnis.
Sowohl die EU als auch die US-Luftfahrtbehörde FAA haben die Pakistan International wieder auf die schwarze Liste gesetzt. Sie ziehen auch Arbeit, Integrität und Qualifikation der Civil Aviation Authority Pakistans in Zweifel. Bis nachgewiesen ist, dass alle Sicherheitsstandards und Überprüfungskriterien der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO eingehalten werden, dürfen pakistanische Flugzeuge nicht mehr in Territorien der EU oder der Vereinigten Staaten einfliegen. Das betrifft auch Codeshare Flüge oder sonstige Luftfahrtdienste.
Damit das klar ist: Auch Piloten, bei denen alles mit rechten Dingen zugegangen ist, können folgenschwere Fehler machen. Aber bei Betrug und erschwindelten Lizenzen unter falscher Identität ist die Wahrscheinlichkeit bereits eingebaut.
Andreas Fecker