Luftpost 272: Heiße Bremsen

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Foto: Bildarchiv Fecker

Wenn Airlines versuchen, so viele Umläufe wie möglich in einen Tag hineinzupressen, dann ist das stets ein Spiel mit mehreren Unbekannten. Im Sommer sind es Wärmegewitter, im Winter ist es Schnee und Enteisung. Es könnten auch Verzögerungen in der Security auftreten, oder notwendiges Entladen eines Gepäckstücks, weil ein Passagier nicht an Bord ist. In allen Fällen bringt das die Planung für den Rest des Tages durcheinander, die Verspätungen bauen sich auf und enden schließlich in einer letzten Landung mit Sondergenehmigung außerhalb der offiziellen Öffnungszeit des Flughafens. Das wiederum ist Ansatz von Fluglärmgegnern, sich gegen Verstöße von Flughafen und Airlines zu beschweren.

Einer dieser schwer vorhersehbaren Störfaktoren sind heiße Bremsen von der Landung davor. Ein Passagierflugzeug landet mit ungefähr 140 Knoten, das entspricht 260 km/h. Auf einer Pistenlänge von ca. 3 km müssen dabei 45 bis 65 Tonnen zum Stehen oder auf eine kontrollierbare Rollgeschwindigkeit heruntergebremst werden. Dafür sind die Hauptfahrwerke mit Bremspaketen aus Stahl oder Carbon ausgerüstet. Bremskraftregler, Computer und Antiblockiersysteme verhindern dabei eine Überbeanspruchung oder gar Reifenschäden. Umkehrschub entlastet die Bremsen. Mit Rücksicht auf die Flughafenanrainer sind die Airlines jedoch gehalten, auf die Verkürzung der Landestrecke durch Schubumkehr möglichst zu verzichten.

So erreichen die Bremsen eines Flugzeugs schnell mal 300, 400 oder gar 500 Grad Celsius. Lange Rollwege können die Bremsen kühlen, wenn nicht allzu viele Richtungs- und Tempowechsel auftreten. Auch das Warten vor dem Überqueren einer aktiven Piste mit den Triebwerken im Leerlauf beansprucht die Bremsen. Bis das Flugzeug dann in der Parkposition abgestellt wird, heizen sich die Bremsen weiterhin auf. 300°Celsius ist eher die Regel als die Ausnahme. Nach einer Faustregel kühlen die Bremsen pro Minute um ein Grad. Ventilatoren sollen den Abkühlprozess unterstützen. Ein Kühlen mit Wasser würde die Bremsen zerstören. Es ist also eine Illusion, man könnte ein Flugprogramm mit zahlreichen Kurzstrecken einen ganzen Tag aufrechterhalten. Wenn nämlich das Flugzeug nach kurzem Stopp vollgetankt und schwer wieder zum Start rollt, werden auch die Bremsen wieder stärker beansprucht. Und nach dem Start fahren die Räder ein. Dann legen sich 400 Grad heiße Carbonpakete in die Fahrwerkschächte, deren Klappen geschlossen werden. Mitnichten kühlen sich die Räder dann wieder vollständig ab. Stattdessen werden sie im Laufe mehrerer Landungen immer wärmer.

Im Cockpit lässt sich die Temperatur für jedes Fahrwerk ablesen. Egal wie schnell das Entladen und Beladen mit Passagieren und Gepäck geht, irgendwann wird der Captain vor einem Start in eine Haltebucht rollen und warten, bis die Bremsen wieder unter der empfohlenen Höchsttemperatur für den Start sind. Und das kann dann schon mal eine halbe Stunde dauern. Denn für einen eventuellen Startabbruch möchte man nicht schon mit heißen Bremsen antreten.

Andreas Fecker