Luftpost 265: Rauch in Noumea

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Andreas Fecker – Archiv: Fecker

Boeing scheint derzeit mal wieder vom Pech verfolgt. Während Airbus gerade einen Großauftrag aus China über 290 Flugzeuge vom Typ A320 und zehn A350 einfährt, stehen fast 400 Maschinen von Boeings neuestem Verkaufsschlager am Boden, Bestellungen werden storniert, Schadenersatzforderungen aufgestellt, das Image ist ramponiert und das Vertrauen erschüttert. Es ist eine Katastrophe, sagen Boeing Mitarbeiter. Nun musste auch Boeings Flaggschiff, ein 787 Dreamliner von United Airlines auf dem Flug von Melbourne nach Los Angeles in Noumea wegen Rauch im Cockpit notlanden. Denn wo Rauch ist, sagt man, ist auch Feuer. Lange war die Boeing 787 geplagt von brennenden Batterien.

Noumea also. Das ist die Hauptstadt von Neukaledonien. Ein gewisser Präsident zählt das Land zu den „Shithole Countries“. Die 256 Passagiere des Dreamliners dürften schnell einen anderen Eindruck gewonnen haben. Es ist nämlich das völkerverbindende Element des Reisens: Persönliche Kontakte führen zu Freundschaften, ermöglichen Einblicke, erwecken Verständnis, erhellen neue Sichtweisen, führen zu Handel und verhindern Kriege. Tweet eines gestrandeten Passagiers: „New Caledonia is a beautiful place. […] the people of New Caledonia are taking good care of us.“

Wenn uns schon die Aktualität der Ereignisse nach Neukaledonien bringt, darf ich Sie mal für ein paar Minuten in diesen etwas entlegenen Teil der Welt entführen? Neukaledonien gehört seit 1946 zu Frankreich, ist aber ein Teil von Melanesien, das unter anderem auch die Staaten Fiji, Vanuatu und die Salomonen umfasst. Die Einwohner von Neukaledonien sind die Kanaken. Das Wort, das hierzulande von xenophoben Rassisten als Schimpfwort benutzt wird, kommt aus der hawaiianischen Sprache und bedeutet nichts anderes als „Mensch“. Zwei in der Hauptstadt beheimatete Fluglinien verknüpfen das Inselreich des Südpazifiks mit den weit verstreuten Inselstaaten. Geschäftsleute und Touristen aus Australien und Europa generieren einen gewissen Wohlstand. Große Langstreckenmaschinen unterhalten den Kontakt zum Mutterland Frankreich. Air Calédonie befliegt die kurzen Strecken, AirCalin die Auslandsstrecken. Soweit so gut.

Wie fragil und lebenswichtig allerdings diese Verbindungen sind, und wie hochpolitisch die Airline in der Südsee wahrgenommen wird, haben die Insulaner vor zehn Jahren zu spüren bekommen. Eine Kanakin der Air Calédonie wurde wegen eines kleinen Vergehens abgemahnt, woraufhin alle Kanaken dieser Airline in den Streik traten. Und schon war die Verbindung zwischen Noumea und der gesamten Inselgruppe der Loyalty Islands unterbrochen. Dort leben immerhin 22.000 Menschen. Dem CEO der Fluggesellschaft, selbst Kanake, wurde vorgeworfen, nicht genügend für sein Volk zu tun. Nach zwei Wochen Streik traten er und der Chef des Aufsichtsrates zurück, die Abmahnung wurde widerufen. Die Kaledonier halten also zusammen.

1953 erhielten die Insulaner die französischen Bürgerrechte und erfreuen sich eines stabilen Staatswesens. Das gefällt auch zahlungskräftige Touristen aus Australien und Neuseeland, denn die haben stets die Wahl zwischen hochattraktiven Urlaubs-, Tauch- und Korallenparadiesen fast vor ihrer Haustüre. Airlines aus den verschiedenen Kleinststaaten im Pazifik wetteifern mit attraktiven Angeboten. Angesichts der Klimadiskussion und absaufender Pazifikparadiese frage ich mich allerdings, wie ehrlich und umweltbewusst die Leidtragenden selbst sind, wenn sie um mehr Tourismus werben.

Andreas Fecker