Die Lufthansa Technik AG hat im Geschäftsjahr 2022 trotz eines herausfordernden Umfelds sowohl Umsatz als auch Ergebnis signifikant gesteigert. Beim Adjusted EBIT wurde mit 511 Millionen Euro (Vorjahr: 362 Millionen Euro, plus 41%) sogar ein neuer Rekord aufgestellt. Die Umsatzerlöse wuchsen auf 5,6 Milliarden Euro (Vorjahr: 4,0 Milliarden Euro, plus 39%), den drittbesten Wert in der Unternehmensgeschichte. Die deutliche Erholung der Luftverkehrsbranche insgesamt trieb die Nachfrage nach Wartung, Reparatur und Überholung (MRO) von Verkehrsflugzeugen stark nach oben. Auch die weiter konsequent vorangetriebene Restrukturierung, ein vorteilhafter US-Dollarkurs und die ausgezeichnete Marktpositionierung des Unternehmens trugen maßgeblich zum finanziellen Erfolg bei.
„Die starke Dynamik der Luftfahrtbranche hat auch das Geschäftsjahr von Lufthansa Technik geprägt. Es war ein Jahr, das uns einmal mehr alles abverlangt hat. Zwar sind wir noch nicht ganz zu alter Größe zurückgekehrt, aber wir werden aus einer Position der Stärke weiter wachsen“, sagt Sören Stark, Vorstandsvorsitzender von Lufthansa Technik. „Ich danke all unseren Mitarbeitenden für ihren besonderen Einsatz und ihre Bereitschaft, unser Unternehmen beständig zu verändern und zu verbessern.“
Das Rekordergebnis wurde auch durch das konsequent weiterverfolgte Zukunftsprogramm RISE ermöglicht. Die darin enthaltenen Maßnahmen halfen Lufthansa Technik, sich effizienter zu organisieren, Prozesse zu vereinfachen und Aufwände nachhaltig zu verringern. Trotz zahlreicher operativer Herausforderungen, beispielsweise bei Personal und Lieferketten, ist es Lufthansa Technik gelungen, den Betrieb wieder deutlich hochzufahren.
Enge Partnerschaft in Krisenzeiten schlägt sich in Vertriebserfolg nieder
Die Zeichen stehen weiter auf Wachstum: Im vergangenen Jahr wurden neue Verträge mit einem Volumen von 9,6 Milliarden Euro abgeschlossen. Insgesamt hat Lufthansa Technik 706 neue Verträge unterzeichnet und dabei auch 28 neue Kunden gewonnen. Ähnlich wie beim Umsatz entfallen fast zwei Drittel dieses Neugeschäfts auf die Region EMEA (Europe, Middle East and Africa), mehr als doppelt so viel wie auf die Region Americas und circa fünfmal so viel wie auf die Region APAC (Asia Pacific), wo das Unternehmen aber große Chancen für künftiges Wachstum sieht.
„Das Fundament unseres Erfolgs bleibt die Partnerschaft mit unseren Kunden. Und diese Kunden, denen wir in der Corona-Krise trotz unserer eigenen Herausforderungen vielfach partnerschaftlich entgegengekommen sind, danken uns dies nun mit Neugeschäft und Vertragsverlängerungen“, erklärt Stark. „Wir sind der Wunschpartner für Airlines auf der ganzen Welt. In der Folge betreuten wir Ende 2022 nicht nur mehr als 800 Kunden, sondern auch wieder mehr als 4.200 Flugzeuge, obwohl wir durch das eingestellte Russlandgeschäft zuvor hunderte aus unseren Auftragsbüchern gestrichen haben.“
Ein besonderes Beispiel aus dem abgelaufenen Geschäftsjahr sind mit drei Ultra-Low-Cost-Carriern der Indigo-Partners-Beteiligungsgruppe abgeschlossene Komponenten-Verträge, in deren Rahmen Lufthansa Technik allein über die kommenden zehn Jahre rund 1.000 Flugzeuge der Airbus-A320-Familie betreuen wird. Neuabschlüsse von Verträgen mit den Airlines der Lufthansa Group machten im vergangenen Jahr ungefähr ein Drittel des Neugeschäfts aus, circa zwei Drittel entfielen auf konzernexterne Kunden.
Trotz Rekordergebnis: Herausforderungen bei Personal und Lieferketten weiter im Blick
Neben den in Teilen immer noch belasteten globalen Lieferketten sieht Lufthansa Technik in der anhaltenden Knappheit von Fachpersonal die aktuell größte Herausforderung bei der Bewältigung der enormen Kundennachfrage. Durch die in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres gestartet Rekrutierungs-Offensive konnte dem Personalmangel aber bereits ein Stück weit begegnet werden. So ist es Lufthansa Technik 2022 allein in Deutschland gelungen, über 2.100 offene Stellen intern und extern zu besetzen. In diesem Jahr ist in Deutschland die Einstellung von circa 2.000 neuen Mitarbeitenden geplant, weltweit werden es insgesamt etwa 4.000 sein.
Dabei helfen soll die neue Arbeitgebermarke „Aviationeers“ (eine Kombination aus „Aviation“ und „Pioneers“), die über eine breite Palette an Kanälen positioniert wird und auch die immer stärker international ausgerichtete Rekrutierung von Fachkräften unterstützt. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Stärkung der Arbeitgeberattraktivität, beispielsweise durch die nach der Krise wieder aufgenommenen Vergütungssteigerungen und Erfolgsbeteiligungen. Auch innovative Lösungen für die Work-Life-Balance, beispielsweise über die Umwandlung von Bonuszahlungen in Freizeit, sind Teil des groß angelegten Maßnahmenpakets.
Nachhaltigkeit: Spritspar-Lösungen gehen in Serie, Wasserstoff-Labor in den Forschungsdienst
Das Jahr 2022 stand erneut im Zeichen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Als einziges MRO-Unternehmen bietet Lufthansa Technik seinen Kunden eigene Lösungen zur Reduzierung ihres ökologischen Fußabdrucks an: Ein Beispiel dafür ist die gemeinsam mit BASF entwickelte Haifischhaut AeroSHARK. Im Dezember erteilte die Europäische Flugsicherheitsbehörde EASA eine Ergänzende Musterzulassung für die Modifikation, mit der Lufthansa Technik nun jede Boeing 777-300ER und 777F circa ein Prozent sparsamer und emissionsärmer machen kann. Die Umrüstung der 777-Flotten bei den Erstkunden SWISS und Lufthansa Cargo läuft aktuell auf Hochtouren, so dass mittlerweile schon acht mit AeroSHARK beklebte Fracht- und Passagierflugzeuge im Dienst stehen.
Deutlich weiter in die Zukunft blickt das Hydrogen Aviation Lab in Hamburg. Dieses von der Hansestadt geförderte Reallabor auf Basis eines Airbus A320 wurde im Oktober erstmals vorgestellt und erhält derzeit verschiedene technische Einbauten. Die Erforschung unterschiedlichster Instandhaltungs- und Bodenprozesse für zukünftige, mit Wasserstoff betriebene Verkehrsflugzeuge kann damit nach aktuellem Stand noch in diesem Sommer starten.
Durch Übernahmen von Swiss-AS und LHIND zum Digital Tech Ops Ecosystem
Bei der Digitalisierung der MRO-Branche ist Lufthansa Technik einen wichtigen Schritt vorangekommen: Mit dem Erwerb der SWISS Aviation Software (Swiss-AS) und ihrer weit verbreiteten MRO-Software AMOS sowie der Übernahme von Lufthansa Industry Solutions (LHIND) kann das bisherige Digitalangebot weiter ausgebaut werden. Die hinzugewonnenen Digitalkompetenzen ergänzen den AVIATAR, eine unabhängige Digitallösung für die technische Flottenbetreuung, und werden zu einem Digital Tech Ops Ecosystem ausgebaut. Damit kann zukünftig die gesamte Wertschöpfungskette der technischen Betreuung von Flugzeugen digital abgebildet werden.
Ein weiterer Baustein ist die Digitalisierung interner Produktions- und Verwaltungsprozesse in der ganzen Lufthansa Technik Gruppe. Im Rahmen des Programms „Digitize the Core“ wurde mittlerweile schon eine dreistellige Anzahl an Transformationsprojekten initiiert. Nur einer von zahlreichen technologischen Bausteinen dafür ist das firmeneigene 5G-Mobilfunknetz, das kontinuierlich weiter wächst: Nach der Anbindung mehrerer Produktionshallen der Triebwerksinstandhaltung erfolgt aktuell unter anderem die Abdeckung der Dutzende Hektar großen Vorfeldbereiche der Hamburger Basis mit 5G-Konnektivität.
Gezielte Investitionen in neue, digitale Werkstätten und ein starkes Produktportfolio
Seinen Wachstumskurs unterstützt das Unternehmen mit einer deutlich erhöhten Investitionstätigkeit. War es im abgelaufenen Geschäftsjahr noch lediglich ein leichtes Plus von vier Prozent auf eine Investitionssumme von 99 Millionen Euro, ist für die kommenden Jahre ein ungleich höherer Kapitaleinsatz geplant. Allein 65 Millionen Euro sind für den Weiterbau einer Hydraulikwerkstatt am Standort Hamburg vorgesehen, der während der Pandemie ausgesetzt wurde und nun bis 2025 fertiggestellt werden soll. Bis dahin sollen am selben Standort auch die VIP-Interieur-Werkstätten mit angeschlossenem Lackiercenter neu entstehen, wofür ebenfalls eine hohe zweistellige Millionensumme investiert wird.
Weitere Investitionen in dieser Größenordnung sollen bis 2026 in den Ausbau der Überholungskapazitäten für das Triebwerksmuster CFM LEAP sowie in bedarfsgerechte Reparaturlösungen (Mobile Engine Services, kurz: MES) fließen. Nachdem im vergangenen Jahr vor den Toren Dublins bereits eine neue, deutlich größere Reparaturstation für diese zuletzt immer stärker nachgefragten Services eingeweiht wurde, soll das MES-Netzwerk bald noch um einen sechsten internationalen Standort erweitert werden.
Auch in die Flugzeuginstandhaltung wird investiert. Bei Lufthansa Technik Philippines läuft die Vorbereitung für eine dritte Überholungslinie für den Airbus A380, mit der das Unternehmen einer zuletzt stark erhöhten Nachfrage nach MRO-Leistungen für das von vielen Airlines mittlerweile reaktivierte Flugzeugmuster begegnet. Sie soll in der zweiten Jahreshälfte den Betrieb aufnehmen.
Ein enormer Anteil an den Investitionen wird auch in Zukunft auf Maßnahmen zur flächendeckenden Digitalisierung entfallen. Allein im oben genannten Programm „Digitize the Core“ ist bis Ende 2026 eine hohe zweistellige Millionen-Summe eingeplant.
Ausblick: Vorkrisen-Marktniveau wird 2023 übertroffen
Ein Blick auf die Entwicklung des MRO-Marktes zeichnet eine Perspektive für diese Investitionen. Der immer noch steile Aufwärtstrend bei Flugreisen wird auch den Bedarf nach Instandhaltungsleistungen weiter beflügeln. Daher geht Lufthansa Technik davon aus, dass der globale MRO-Markt schon im laufenden Jahr mit etwa 96 Milliarden Euro Gesamtvolumen das Vor-Corona-Niveau nicht nur erreichen, sondern übertreffen wird. Das prognostizierte Marktvolumen wird sich dabei nahezu gleichmäßig auf die drei Vertriebsregionen Americas, EMEA und APAC verteilen. EMEA wird auch weiterhin Kernmarkt des Unternehmens bleiben. Dennoch ist es das erklärte Ziel, die Präsenz in den beiden anderen Regionen auszubauen. „Es gibt keinen Grund, warum wir in den Americas und in APAC nicht genauso präsent sein sollten wie in EMEA”, sagt Stark. „Unabhängig von Regionen bin ich froh, sagen zu können: Wir sind gut vorbereitet auf einen Markt, der wieder genauso attraktiv ist wie vor der Krise.”
Die „klassischen“ MRO-Geschäftsbereiche von Lufthansa Technik unterliegen in den kommenden Jahren verschiedenen branchenzyklischen Entwicklungen mit hauptsächlich positiven Auswirkungen. Im Bereich Aircraft Component Services (Flugzeugkomponenten) ist weiterhin mit einer anhaltenden Belebung zu rechnen. Auch im Bereich Aircraft Maintenance Services (Wartung und Überholung von Flugzeugen) wird ein positiver Trend in der Nachfrage erwartet, der aufgrund der weltweit knappen Hangar-Kapazitäten für größere Checks zudem von einem steigenden Preisniveau flankiert wird. Im Bereich Engine Services (Triebwerksinstandhaltung) rechnet Lufthansa Technik für 2023 und 2024 mit deutlichen Nachholeffekten aus der Krisenzeit. Zudem werden viele neue Triebwerke dann zum ersten Check in die Werkstätten müssen.
Lufthansa Technik verzeichnet zudem weiterhin eine hohe Nachfrage nach Cabin-Completions und Instandhaltungen für VIP-, Regierungs- und Special-Mission-Flugzeuge. Perspektivisch möchte das Unternehmen hier besonders seinen Anteil am Verteidigungsmarkt weiter erhöhen. Nachdem im abgelaufenen Geschäftsjahr durch Absichtserklärungen mit strategischen Partnern ein Einstieg in die militärischen Programme CH-47 Chinook (Schwerer Transporthubschrauber) und P-8A Poseidon (Seefernaufklärer) gelungen ist, erhofft sich Lufthansa Technik weitere positive Entwicklungen in diesem Bereich. Ein Eckpfeiler bleibt die enge Zusammenarbeit mit der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung. Hier steht für 2023 beispielsweise die zusätzliche Umrüstung von zwei im vergangenen Jahr übergebenen Airbus A321LR-Truppentransportern für medizinische Evakuierungen (MedEvac) an.