Außergewöhnlich einzigartig – Tee von der Azoreninsel Sao Miguel

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Wer sich heute einen frischen schwarzen Tee aufbrüht, greift in der Regel zu Blättern aus China, Indien, Kenia oder Sri Lanka. Diese Länder führen die Rangliste der weltweit größten Teeproduzenten an. Aber gibt es auch Tee aus Europa? Man muss schon gut vier Stunden fliegen, um auf den Azoren im Atlantischen Ozean, dem westlichsten Außenposten der EU, fündig zu werden. Auf der Insel Sao Miguel, sie ist mit eine Fläche von 746,8 Quadratkilometern die größte Insel der Azoren, sind noch zwei der letzten verbliebenen europäischen Teeplantagen zu finden. Nur eine kleine Pflanzung in Cornwall hält zudem noch die Flagge für die britischen Teetrinker hoch.

„Chá Gorreana“ steht in großen roten Lettern an der Hauswand des Fabrikgebäudes. Chá – es ist das portugiesische Wort für Tee, Gorreana ist die Region – wird hier von der Familie Motta seit 1883 angebaut. Mehrere Busse mit Besuchern, der Hauptstadt-Hafen von Ponta Delgada ist Anlaufpunkt von Kreuzfahrtschiffen, stehen auf dem Parkplatz gleich vis-à-vis den Teepflanzen auf den Feldern. Die Plantage bildet in parallel verlaufenden Büschelreihen einen dichten grünen Teppich, der bis ans Meer zu reichen scheint. Das milde Klima an der Nordküste von Sao Miguel mit über das ganze Jahr verteiltem Regen, ohne Frost und kaum sengender Sonne sowie der leicht säurehaltige, vulkanische Boden sind geradezu ideal für den Teeanbau. Pestizide, Herbizide oder Fungizide benötigt man nicht, denn auf der Insel gibt es weder Spinnen noch Moskitos oder Pilzkrankheiten, die den Teepflanzen schaden könnten.

Ob die ersten Pflanzen aus Brasilien oder von Macau mitgebracht wurden, ist eine reine Glaubensfrage. Dokumentiert ist die Einfuhr von Samen der Teepflanze durch den Miguelenser Jacinto Leite für das Jahr 1820. Fest steht auch, dass der Teeanbau die finanziell angeschlagenen Bauern vor dem Ruin rettete. Denn ihre bisherige Erwerbsquelle, der Orangenanbau, befand sich durch Pilzbefall der Bäume im steilen Niedergang. Zur Blütezeit des Teeanbaus reihten sich auf Sao Miguel 62 Plantagen aneinander. Lange Jahre war er die Haupteinnahmequelle der Inseln. Der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Handelswege machten dem ein Ende. Heute sind es nur noch die Plantagen Chá Gorreana und Chá Formosa, die Tee produzieren und vornehmlich nach Portugal exportieren.

In den Hallen von Chá Gorreana werden die geernteten Teeblätter ganz traditionell verarbeitet. Schlendert man durch die Fabrikhallen des Herstellungsbetriebes, fühlt man sich ins 19. Jahrhundert versetzt. Der Duft frischer Blätter erfüllt die Luft. Altehrwürdige Maschinen der englischen Firma Marshall versehen nach wie vor treu ihren Dienst. Sie rattern, rütteln, schütteln und sieben in ihrem immer gleichen Rhythmus, ohne dabei laut zu sein. Die Teeblätter werden vorgewalzt, fermentiert, getrocknet, gereinigt, von Hand gesiebt und  anschließend von fleißigen Frauenhänden in kleine Tütchen verpackt. Rund 40 Tonnen schwarzen und grünen Tee gewinnt man im Schnitt im Jahr.

Wer beim Anblick dieser duftigen und sorgfältigen Herstellungsmethoden Durst bekommen hat, der kann den Tee nun selbst probieren. Große Kessel mit dem wohlschmeckenden heißen Gebräu, Tassen und Zucker stehen zur freien Verkostung bereit. Der Tee ist mild, denn er enthält kaum Bitterstoffe. Wer so auf den Geschmack gekommen ist, der kann natürlich auch ein Tütchen erwerben. Schwarzer Tee der Sorten Orange Pekoe, Pekoe und Broken Leaf sowie grüner Tee sind im Angebot von Chá Gorreana. Damit hält er etwas ganz besonderes in den Händen, denn Tee von der Azoreninsel Sao Miguel wird man im Sortiment des heimischen deutschen Supermarktes nur schwerlich finden. Schade eigentlich, er schmeckt doch so gut!

© Dierk Wünsche

Wenn dir kalt ist, wird Tee dich erwärmen,

Wenn du erhitzt bist, wird er dich abkühlen,

Wenn du bedrückt bist, wird er dich aufheitern,

Wenn du erregt bist, wird er dich beruhigen.

Zitat: William Gladstone (1809 – 1898), englischer Politiker