Taskforce nach Flugzeugunglück stellt Zwischenergebnis vor

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Foto: Bildarchiv Dierk Wünsche

Die unter dem Dach des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) eingerichtete Taskforce zu den Folgen des Flugzeugabsturzes am 24. März 2015 über den französischen Alpen hat in dieser Woche einen neuen Zwischenbericht ihrer Arbeit vorgelegt.
Der Vorsitzende der Taskforce, Matthias von Randow (Hauptgeschäftsführer des BDL) erklärte dazu in einem Pressestatement:

Die Taskforce hat ihre Beratungen am 8. April 2015 aufgenommen.

Auftrag der Taskforce ist es, in Folge des Absturzes am 24. März 2015 in den französischen Alpen zu beraten, ob die Sicherheitsregelwerke im Luftverkehr weiterentwickelt werden müssen. Dabei wird insbesondere folgenden Fragestellungen nachgegangen:
Muss es Veränderungen an den Sicherheitsfunktionen der Cockpittüren geben?
Kann die Feststellung und Überprüfung der Flugtauglichkeit von Piloten verbessert werden?

Zum Grundverständnis der Taskforce gehört:
– Beim Thema Flugtauglichkeitsfeststellung und -überprüfung hat das Vertrauensverhältnis, das zwischen Piloten und Flugmedizinern sowie Psychologen aufgebaut wird, eine wichtige sicherheitsrelevante Funktion.
– Schlussfolgerungen sind unmittelbar vom Fortschritt der Untersuchungen der staatlichen Ermittlungs-und Untersuchungsbehörden abhängig.
– Beratungsergebnisse können nicht in Alleingängen umgesetzt werden sondern sind in die Diskussionen auf europäischer und internationaler Ebene einzubringen – also bei EASA,
ICAO und IATA.

Zu den Mitgliedern der Taskforce:
Die Taskforce arbeitet unter dem Dach des BDL (Vorsitz). Mitglieder der TF sind folgende Gruppen und Institutionen:
– Flugmediziner, Psychologen und psychiatrische Sachverständige
– Die BDL-Fluggesellschaften
– Das Bundesverkehrsministerium, das Luftfahrt-Bundesamt, das Luftfahrtamt der Bundeswehr und Vertreter des Bundesdatenschutzbeauftragten
– Die Berufsverbände Vereinigung Cockpit (VC) und Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO)
– Die Hersteller über ihren Verband BDLI
– Die Deutsche Flugsicherung

Zusammenfassung der Zwischenergebnisse

a) Thema „Cockpittür“
Bewertet hat die Taskforce zweierlei:
– Erstens: Eventuell denkbare Alternativverfahren zu den heutigen Zutrittsverfahren
– Zweitens: Die „Zwei-Personen“-Regelung

Ergebnis:
– Die Cockpittür hat eine ganz wesentliche Sicherheitsfunktion, die darin besteht, dass niemand, der nicht autorisiert ist, in das Cockpit hineinkommt. Diese Funktion hat sich bewährt und muss unbedingt erhalten bleiben. Wir plädieren dafür, dass keine kurzfristigen Änderungen vorgenommen werden.
– Langfristig sollten bei der Neuentwicklung von Flugzeugen bauliche Optionen geprüft werden (z.B. Schleuse zwischen Kabine und Cockpittür, Integration WC in geschütztem Bereich).
– Zur „Zwei-Personen“-Regelung: Die vorläufige Einführung dieser Regelung wurde begrüßt. Sie wird auch von der Europäischen Flugsicherheitsagentur EASA empfohlen.
Die Taskforce empfiehlt, dass die Erfahrungen mit der Regelung nach einem Anwendungsjahr evaluiert werden (Die Gewerkschaften der Piloten und Flugbegleiter schlagen im Lichte ihrer eigenen Gesamtbewertung vor, dass die „Zwei-Personen“-Regelung wieder aufgehoben werden könne).

b) Thema „Tauglichkeit“
Im Wesentlichen ging es hierbei um die Frage nach Optimierungspotenzialen
– erstens im Bereich der Erlangung von Flugtauglichkeit,
– zweitens im Bereich des Informationsflusses und der Transparenz bei Untersuchungen
– und drittens, ob es einen Bedarf nach eventuell ergänzenden Untersuchungen gibt.

Zu den Ergebnissen:

– Erstens: Im Zuge der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Erkenntnisse bedarf es einer verstärkten – auch diagnostischen – Sensibilisierung aller Beteiligten für psychische Erkrankungen. Die Information für die untersuchenden Fliegerärzte über geeignete Ansprechpartner bei der Feststellung psychischer Auffälligkeiten/Anhaltspunkte sollte verbessert werden.

– Zweitens: Von ganz wesentlicher Bedeutung sind Anlaufstellen, an die sich Crewmitglieder wenden können, wenn sie bei sich selbst oder bei Kollegen psychische Probleme feststellen. Hier verfügen die BDL-Fluggesellschaften über Vertrauensteams und externe Hilfegruppen. Die Anlaufstellen haben sich in jeder Hinsicht bei Prävention, Behandlungsberatung und Hilfe bewährt, werden von den Crews angenommen und sollten weiter gestärkt werden.
Die Fluggesellschaften sprachen sich dafür aus, im Rahmen einer Selbstverpflichtung diese Anlaufstellen zum Industriestandard zu machen.

Die Taskforce schlägt vor, dass der europäische Gesetzgeber solche Anlaufstellen verbindlich vorschreiben sollte.

– Drittens zum Thema Konsum von Medikamenten, Drogen und Alkohol:

Eine Kontrolle auf den Konsum von Medikamenten, Drogen und Alkohol bei der medizinischen Erstuntersuchung wird befürwortet und sollte Standard sein.
Grundsätzlich bestand auch eine Offenheit gegenüber sog. randomisierten also Zufallskontrollen bei Piloten; die Entscheidung zu der Frage, ob diese verbindlich eingeführt werden sollten und wie dies ggf. geregelt bzw. umgesetzt werden könnte, hat die Taskforce noch zurückgestellt: sie bittet zunächst das Luftfahrt-Bundesamt, die zu dieser Thematik vorliegenden Studien, Regeln und Erfahrungen der Federal Aviation Administration (FAA) der USA auszuwerten.

– Viertens: Informationsfluss und Transparenz der Untersuchungen.
Ein wesentlicher Bestandteil der Anforderungen an die Qualität der flugmedizinischen Tauglichkeitsfeststellung ist, dass sowohl die untersuchenden Mediziner, Psychologen und Psychiater sowie die kontrollierende Aufsichtsbehörde jederzeit vollen Ein- und Überblick in die vollständige Untersuchungshistorie erhalten können. In Deutschland praktizieren die Behörden in Umsetzung des europäischen und deutschen Rechts ein Verfahren der Pseudonymisierung bei der Übermittlung von Befunden an die Behörden. Diese Verfahren spiegeln die Anforderungen des Datenschutzrechts und der Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht wieder.
In der Taskforce wurden die in Deutschland praktizierten Verfahren der Pseudonymisierung der medizinischen Untersuchungsbefunde diskutiert und bewertet. Es wird vorgeschlagen, Alternativen zu entwickeln, mit denen – unter Wahrung von Datenschutz und ärztlicher Schweigepflicht – die Komplexität des Informationsflusses reduziert und damit die Untersuchungs- und Kontrollpraxis weiter vereinfacht werden kann.

Gesamtfazit und weiteres Vorgehen:

Die Beratungen in der Taskforce zeigen: Das Sicherheitsniveau im Flugbetrieb und insbesondere auch zu den beratenen Themen „Cockpittür“ und „Tauglichkeit“ ist bereits heute sehr hoch. Den größten Mehrwert sieht die Taskforce beim Thema einer verstärkten auch diagnostischen Sensibilisierung für psychische/mentale Erkrankungen und bei den in den deutschen Unternehmen mit guten Erfahrungen betriebenen Anlaufstellen.

Die Taskforce wird ihre Beratungen zum Themenfeld „Tauglichkeit“ fortführen insbesondere zu den Punkten „Anlaufstelle“, „Pseudonymisierung“ und – in Abhängigkeit von der Auswertung durch das LBA – zum Punkt „Randomisierte Kontrollen auf Medikamente, Drogen und Alkohol“.

Gemäß des Grundverständnisses der Taskforce, dass zahlreiche Beratungsergebnisse nicht im nationalen Alleingang umgesetzt werden können, wird vorgeschlagen, die Zwischenergebnisse dieses Berichts nunmehr in die Beratung auf europäischer und internationaler Ebene einzubringen (EU-KOM, EASA, ICAO, IATA).

Quelle: PM BDL