Luftpost 75: Prognosen, Prognosen

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker / Jörg Adam

Lange Zeit schien es in der Passagierluftfahrt nur eine Richtung zu geben: Nach oben. Besonders China und Indien hatten ein Nachholbedürfnis, das Boeing und Airbus stellare Absatzzahlen prophezeite. Die großen Flughäfen der Welt konnten mit konstant steigenden Passagierzahlen rechnen, weshalb sie auf Erweiterung und Ausbau ihrer Kapazitäten drängten. Sie wollten dem Ansturm rechtzeitig gewachsen sein. Boeing hat erst im Juni 2013 seine Prognose von 30.000 Flugzeugen auf 36.770 in den nächsten 20 Jahren erhöht, als gäbe es nicht eine hochgefährliche Gleichzeitigkeit großer Krisenherde.

Aber wer reist denn heute noch in die Länder des südlichen Mittelmeers oder in den Nahen Osten? Kriegsberichterstatter, paradieshungrige Konvertiten mit Drang zum explosiven Abgang, Geschäftsleute mit Lösegeldversicherung, idealistische Flüchtlingshelfer, Ärzte ohne Grenzen, oder aber Schnäppchenurlauber, die die letzten zehn Jahre keine Zeitung mehr gelesen, und statt den Nachrichten lieber eine Talentshow verfolgen. An den Palästinenserkonflikt und den Siedlungsbau im Westjordanland hat man sich ja schon gewöhnt. Der islamistische Flächenbrand in Nordafrika frisst sich immer weiter nach Süden und hat bereits einen Großteil dieses Kontinents infiziert, im Westen Afrikas wütet Ebola, auf Madagaskar die Pest, im Nahen und Mittleren Osten die Barbaren der ISIS. Die Bewegung pflanzt sich fort über Afghanistan und Pakistan nach Indien, wo man zumindest als Frau auch nicht mehr sicher ist. In China machen die Uiguren auf sich aufmerksam.  In Thailand läuft man Gefahr, zwischen Rot- und Gelbhemden zu geraten, die Philippinen und Indonesien sind unsicher geworden, Australien wird von Hitzewellen, Waldbränden und Überschwemmungen bedroht, die USA erleben eine Renaissance des Rassismus, China hat eine Umwelt- und Lebensmittelkrise, Hongkong probt den Aufstand, Japan versucht Fukushima zu ignorieren und liegt im Clinch mit China über ein paar unbewohnte Inseln. Nordkorea ist unberechenbar, Vietnam, die Philippinen und China haben ebenfalls ein Territorialproblem. Mittelamerika versinkt im Banden- und Drogenkrieg, in Venezuela hat ein Busfahrer das Land vollends vor die Wand gefahren, Argentinien ist pleite, Brasilien nutzt die kommende Olympiade, auf soziale Missstände aufmerksam zu machen. Dazwischen gibt es vereinzelte Inseln der Glückseligkeit, die noch als sicher gelten. Die Zeit der globetrottenden Studiosus-Reisenden, Erlebnisurlaubern und Sonnenanbetern scheint fürs erste vorbei. Aber auch in Deutschland geraten Salafisten, Jessiden, Kurden und Hooligans aneinander, und mittendrin die Polizei. Das sind keine Krisen mehr, das sind Brände!

Trotzdem erwartet die IATA für das Jahr 2014 einen Zuwachs von 800 Millionen Passagieren weltweit. Ein Drittel davon kommt aus China. Die USA bleiben mit voraussichtlich 900 Millionen Passagieren der größte Einzelmarkt. Die globale Rezession tritt regional unterschiedlich zutage. Wir müssen unsere Wachstumserwartungen in Europa und Nordamerika eindampfen, weil wir es hier erstens mit bereits entwickelten Märkten zu tun haben und weil zweitens verschuldete Verbraucher, hohe Arbeitslosigkeit und Sparprogramme die Wachstumsreize abschwächen.

von Andreas Fecker