Luftpost 287: Sioux City, Iowa

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Mehrere Ereignisse liegen der heutigen Luftpost zugrunde: Die Notlandung eines Airbus A321 der Ural Airlines in einem Maisfeld am 15. August 2019, die Notlandung einer DC-10 der United Airlines am 19. Juli 1989. Während der russische Airbus nach dem Start in Moskau-Zhukovsky nach Vogelschlag den Schub beider Triebwerke in niedriger Höhe verlor, hatte Captain Yusupov nicht viele Optionen als das Flugzeug aus 230 m Höhe so sanft wie möglich und ohne Fahrwerk in ein Maisfeld zu setzen. Alle 226 Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder kamen ohne nennenswerte Verletzungen davon.

Anders die DC-10 vor 30 Jahren. Flug UA 232 war mit 285 Passagieren und elf Mann Besatzung unterwegs von Denver nach Philadelphia, als im mittleren Triebwerk eine Turbinenscheibe platzte und Trümmerteile sowohl Seiten- als auch Höhenruder beschädigte. Alle drei Hydrauliksysteme fielen aus. Das Flugzeug war nicht mehr steuerbar. Dennis Fitch, ein zufällig mitfliegender Fluglehrer war mit der DC-10 vertraut. Ohne große Formalitäten bot er dem Captain seine Hilfe an, und der war nicht zu stolz, diese anzunehmen: „My name’s Al Haynes.“ “Hi, Al. Denny Fitch.” “How do you do, Denny?” “I’ll tell you what. We’ll have a beer when this is all done.” Denny Fitch hockte sich hinter die Mittelkonsole und steuerte das Flugzeug feinfühlig über die Leistungshebel der beiden Außenbordtriebwerke.  Das Problem war, dass die Maschine keine Linkskurven mehr fliegen konnte. Um zehn Grad nach links zu fliegen, musste es einen Vollkreis nach rechts machen und rechtzeitig ausrollen.

Der Flugweg der steuerlosen DC-10 – Zeichnung: Fecker

Die Crew war mittlerweile beschäftigt, einen Notlandeplatz zu finden und die Höhe wegzudrücken. Zwischendurch erwogen sie auch, ‚den Bock auf eine Autobahn zu setzen‘. Die Entscheidung fiel auf Sioux City, Iowa. Da sie sich jedoch die Piste nicht aussuchen konnten, musste die Runway herhalten, die in Flugrichtung zeigte, und das war mit 6000 Fuß ausgerechnet die kürzeste. Und eigentlich war sie geschlossen. Und sie hatte kein ILS. Und das Flugzeug hatte keine Hydraulik mehr. Und keine Klappen. Und keine Bremsen. Da es nur über den Schub gesteuert wurde, war es auch schneller als normal. Die Crew wusste, dass die Piste nicht ausreichen würde und bereitete Kabinenpersonal und Passagiere darauf vor. Beim Aufsetzen auf die Piste brach die DC-10 nach rechts aus, raste in ein Maisfeld, zerbrach und überschlug sich. Cockpit und Heck wurden abgerissen, der Mittelsektor fing Feuer. Trotzdem überlebten 185 Menschen. Das war mehreren glücklichen Umständen zu verdanken:

Der Unfall ereignete sich bei Tageslicht. In den Krankenhäusern der Stadt war gerade Schichtwechsel, sowohl in der Unfallklinik als auch in einer Spezialklinik für Brandverletzungen. Es war also überall doppelt so viel medizinisches Personal vorhanden. Zufällig war auch gerade die Nationalgarde von Iowa auf dem Flughafen, sodass 285 Fachkräfte bei Versorgung und Abtransport der Verletzten helfen konnten. Die Rettungskräfte hatten ausreichend Zeit, sich in Position zu bringen und wussten, was auf sie zukommen würde. Ein Airport Manager namens Gary Brown hatte zwei Jahre zuvor ein solches Szenario durchgespielt und ein „Drei-Staaten-Rettungsnetzwerk“ ersonnen und trainiert. Man hatte sogar die gesperrte Piste 22 dazu benutzt. Ausschlaggebend war jedoch die Leistung der Cockpit Crew unter Kapitän Haynes, das Flugzeug überhaupt über eine so lange Zeit in der Luft zu halten und den Flugplatz auch noch zu erreichen.

Testpiloten versuchten im Simulator den Flug mit denselben Ausfällen nachzuvollziehen und das Flugzeug zu landen. Sie benötigten 29 Versuche! Captain Al Haynes starb am 25. August 2019 im Alter von 87 Jahren.

Andreas Fecker