Luftpost 210: Das ganz private Glück der Frau Qiu

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Foto: Fecker

Der Trevi Brunnen in Rom, die Donauquelle bei Donaueschingen, Tropfsteinhöhlen, Klippen, Felsschluchten, Burggräben, Kasematten, Brücken, Tempel, Felsvorsprünge, Bergwerke, Geysire und Thermalquellen haben eines gemeinsam: Touristen werfen mit Kleingeld um sich. Mal soll es Glück bringen, wenn man es über die rechte Schulter nach hinten wirft, mal muss es die linke sein, die Wunschbrunnen sind nicht kleinlich. Und die, die nachts das Geld wieder herausholen auch nicht. Schon in altrömischen Zeiten wurde der Brauch gepflegt. Reiseleiter und Stadtführer schärfen ihren Kunden ein, man würde Rom nur wiedersehen, wenn man mindestens eine Münze in den Trevi Brunnen wirft.  2007 fanden Archäologen im tiefgrünen Wasser des römischen Tempels Aquae Sulis im englischen Bath 12.000 römische Münzen aus dem Jahr 270 vor Christus. Ihr Wert wird auf 150.000 Britische Pfund geschätzt. Aber die Römer warfen die Münzen nicht nur aus Dankbarkeit oder um dem Glück zu huldigen. Wurden ihnen zum Beispiel während des Badens die Kleider gestohlen, verbanden sie mit dem Geld auch einen Fluch für den Dieb und wünschten ihm so die Pest an den Hals.

1954 wurde ein Film gedreht, zu dem Jule Styne den Titelsong komponierte: „Three Coins In The Fountain“. Frank Sinatra durfte ihn singen. Darin ging es um den Fontana di Trevi in Rom, die „Mutter aller Groschengräber“. Zumindest für den Komponisten haben sich die drei Münzen gelohnt: Er erhielt den Oscar für den besten Song. Auch die Lizenzrechte bedeuteten pures Gold, denn der Titel wurde von 33 verschiedenen Künstlern aufgenommen. Soviel zum Aberglauben.

Nicht überall hat man Verständnis für alte Bräuche, besonders wenn Aberglaube auf Hi-Tech trifft. Frau Qiu (80) aus Shanghai wünschte sich und ihrer Familie vor ihrem Flug nach Guangzhou eine gute Reise. Gönnerhaft warf sie beim Einsteigen in die A320 von China Southern Airlines eine Handvoll Münzen in das Triebwerk, auf dass ihr Flugzeug sie pünktlich und wohlbehalten nach Guangzhou bringen möge. Von den elf Münzen im Gegenwert von 21 Eurocents fielen zwar acht daneben, trotzdem war’s das erst mal mit dem glücklichen Flug. Alle Passagiere mussten wieder aussteigen, Techniker öffneten alle Klappen, schraubten Teile der Triebwerksverkleidung ab, und holten nach akribischer Suche mit Sonden und Endoskopen tatsächlich auch noch den letzten Yuan aus einer Ritze. Fünf Stunden dauerte die Aktion.

Das Glück macht aus Bettlern Könige und aus Königen Bettler, so sagt ein Sprichwort. Qiu ist das chinesische Wort für Bettler. Und Frau Qiu hatte mehr Glück als Verstand, denn die Airline war nachsichtig und die Polizei sah von einer Verhaftung ab. Frau Qiu habe es ja gut gemeint, und in ihrem Alter konnte sie die Folgen eben nicht abschätzen. Außerdem sei sie nicht vorbestraft, so ein Polizeisprecher. Dafür schaffte sie es sozusagen im Handumdrehen nicht nur zu Weltruhm, sondern auch in die 210. Ausgabe der Luftpost.

Von Andreas Fecker