Luftpost 184: Antarktis

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Andreas Fecker

Niemand wird bezweifeln, wie lebenswichtig die Klimaforschung für die Erdbevölkerung ist. Die Erwärmung der Erde, das Abschmelzen von Gletschern und Polkappen, die Wirkung auf die Meeresströmung und deren Einfluss auf das globale Wetter, den maritimen Lebensraum und die Ernähung der Menschen. Im Antarktisvertrag von 1961 über die friedliche Nutzung des Kontinents zwischen dem 60 und 90 Grad südlicher Breite einigten sich die Unterzeichnerstaaten auf eine rein wissenschaftliche Erforschung dieses Lebensraumes. Nur drei der verschiedenen Forschungsstationen sind ganzjährig bewohnt: die US-amerikanischen Stationen Amundsen-Scott am Südpol und McMurdo als logistisches Zentrum und die deutsche Georg-von-Neumayer Station. Und auch diese werden in den Wintermonaten auf eine Rumpfmannschaft reduziert.

C-130 an der ADMUNSEN-SCOTT STATION, Antarctica – Foto: US Air Force

Der Versorgungsbetrieb erfolgt per Schiff und Flugzeug eigentlich nur im antarktischen Sommer zwischen Oktober und Februar. Im Winter herrschen dort Temperaturen von -60° bis -85° Celsius, und da ist der Windchill Faktor noch nicht eingerechnet. Laut Antarktisvertrag darf das Gebiet nur zivil genutzt werden, militärische Kräfte sind allerdings zur technischen Unterstützung erlaubt. Pioniere sind auch ständig dabei, die Eispisten zu präparieren, auf denen selbst schwere Frachtmaschinen der US Air Force landen können.

Eines der robustesten Flugzeuge der Welt: Die arktiserprobte Twin Otter in der Antarktis – Foto Kenn Borek Air Ltd

Im Juni 2016 erlebte die Amundsen-Scott Station den Super-GAU: Zwei ihrer Wissenschaftler wurden im antarktischen Winter so ernsthaft krank, dass sie sofort ausgeflogen werden mussten. Das zwang selbst die US Air Force dazu, sich wieder einmal nach fremder Hilfe umsehen:

Kenn Borek Air

Verlegung zweier Twin-Otter von Calgary nach Punta Arenas – Grafik: Fecker

Kenn Borek im kanadischen Calgary verfügt über eine Flotte von DHC-6 Twin-Otter und bedient im Linienflug die nördlichsten Strecken Kanadas bis hinauf ins arktische Resolute. Außerdem hat Kenn Borek Erfahrung bei der Fernverlegung seiner Flugzeuge, denn sie wird gemäß ihrem Wahlspruch Anytime, Anywhere, Worldwide überall gerufen, wo es jemanden unter unmöglichen Bedingungen zu retten gibt. Die Twin Otter hat ab Werk eine Höchstreichweite von 1400 km. Aber die Airline kann auf die wahrscheinlich besten Flugzeugtechniker zurückgreifen, die es auf der Erde gibt. Es sind Männer, die unter allen Wetterbedingungen arbeiten und die eingefrorene Motoren zum Laufen kriegen. Kenn Borek Air unterhält ihre eigenen Werkstätten, in denen Ersatzteile hergestellt werden, Schwimmer repariert, Kufen geschmiedet oder Zusatztanks eingebaut werden.

When the flying gets tough, the tough get flying. Der Plan sah vor, zwei DHC-6 mit Zusatztanks von Calgary nach Punta Arenas in Süd-Chile zu verlegen, dann in fünfeinhalb Stunden zur britischen Forschungsstation Rothera zu fliegen, um dort geeignetes Flugwetter für das längste und schwierigste Teilstück abzuwarten. Das zweite Flugzeug würde in Rothera bleiben, um bei eventuellen Notlagen des ersten helfen zu können. Am 21. Juni startete Wally Dobchuk zum 2400 km entfernten Südpol. Er landete nach 9 Stunden Flug über die unwirtlichste Eiswüste der Welt. Zwei Stunden brauchten die Techniker am folgenden Morgen, um die gefrorene Hydraulik wieder aufzutauen, das Flugzeug wieder flott zu machen, zu betanken und die Motoren aufzuwärmen. Dann wurden die Wissenschaftler eingeladen und nach Rothera gebracht. Jim Haffey, der Pilot der zweiten Maschine, brachte sie nach Punta Arenas, wo sie von einem Ambulanzflugzeug in eine geeignete Klinik geflogen wurden.

Die zweite, gefährliche Etappe von Rothera zum Südpol – Grafik: Fecker

Ist es nicht gut zu wissen, dass es eben doch Menschen gibt, die einen Weg finden um zu helfen, wenn Hilfe nach menschlichem Ermessen gar nicht mehr möglich ist? Dass es Menschen gibt, die niemals aufgeben? Menschen, die notfalls für andere ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen? Ich wünsche allen Lesern ein gesundes und friedliches Jahr 2017, und dass alle Ihre Pläne, Vorsätze und Wünsche Wirklichkeit werden.

Von Andreas Fecker