Luftpost 182: El Condor Pasa

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Andreas Fecker

In den letzten Wochen waren die Lufthansa und ihre Piloten wegen des 14. (in Worten vierzehnten) Streiks in der laufenden Tarifauseinandersetzung täglich in den Medien. Die breite Mehrheit der Lufthansa Belegschaft fürchtet sich langsam vor den Auswirkungen des Streiks auf ihre Jobs. Das Management versucht, durch Konzernumbau gegen die Dumpingpreise der Billiggesellschaften zu bestehen, Piloten und Flugbegleiter befürchten den Verfall der Gehaltsstruktur. Immer mehr Traditionsstrecken überträgt die Kranich Airline den Billigtöchtern. Aber auch deren Personal lässt nicht alles mit sich machen. Dass all dies zu weiterem Passagierschwund führen könnte, wird offenbar in Kauf genommen. Lufthansa Technik schließt gerade ihre Sparte Flugzeugüberholung in Hamburg, die LSG verlagert einen Teil des Caterings ins osteuropäische Ausland. Die bislang noch treue Lufthansaklientel muss miterleben, wie „ihre“ einst große und traditionsreiche Fluggesellschaft nicht mehr selbst gestaltet, sondern den Branchenführern der Billigheimer durch Ausgründungen, Schließungen oder Auslagerungen hinterherhechelt und vermutlich trotzdem nie mit ihnen auf Augenhöhe kommen wird.

Luftpostbrief von 1937 aus Peru – Foto: Andreas Fecker, eigene Quelle

Während der Recherche zum Beitrag 172 „Friede in Kolumbien“ fiel mir ein alter Luftpostbrief in die Hände, abgeschickt am 23.08.1937 in Lima. Befördert mit Syndicato Condor und Lufthansa. Schon früh im vergangenen Jahrhundert waren deutsche Flugpioniere auf dem lateinamerikanischen Kontinent tätig. Sie gründeten bereits 1919 verschiedene Fluggesellschaften, wie zum Beispiel die SCADTA (Sociedad Colombo Alemana de Transporte Aéreo), aus der schließlich die heutige AVIANCA hervorging. Die ist damit eine der ältesten Fluggesellschaften der Welt. Helmuth von Krohn flog die erste Junkers F-13 der SCADTA von Barranquilla nach Puerto Colombia. An Bord hatte er 57 Briefe. Es gab noch kaum Infrastruktur in Kolumbien, daher flog man die F-13 mit Schwimmern und landete auf Flüssen in der Nähe der Städte.

Die Lloyd Aereo Boliviano (LAB) operierte zwar unabhängig von der Lufthansa. Es war allerdings kein Zufall, dass sie deutsche Flugzeuge flog, die von deutschen Technikern gewartet wurden. Im Nachbarland Brasilien gab es nämlich seit 1927 die Syndicato Condor (SC). Und die firmierte auch offiziell als eine Tochtergesellschaft der Deutschen Luft Hansa. Das Streckennetz von LAB und SC fügte sich als Zubringer und Verteiler nahtlos an die Südatlantikstrecke der Lufthansa von Deutschland über Afrika nach Rio, Montevideo, Buenos Aires und Santiago de Chile. Die Trans-Südamerika-Route von Rio de Janeiro nach Lima dauerte drei Tage. Die Syndicato Condor flog davon den ersten Teil von Rio nach Corumbá, übergab dann an die LAB für das schwierige Teilstück Corumbá – La Paz, von wo die Deutsche Lufthansa Perú für das letzte Stück nach Lima übernahm. Bedenkt man, dass hier regelmäßig die Andenkette überflogen wurde, dass einige Flughäfen zwischen 3000 und 4000 m hoch liegen, dass keine Navigationsanlagen und kaum Funkverkehr zur Verfügung standen, wird man sich die fliegerische und organisatorische Pionierleistung vorstellen können.

Die Lufthansa 1938 in Südamerika – Grafik: Fecker

Die Lufthansa hatte bereits ein Monopol in mehreren Regionen Südamerikas. Als sie auch noch die Lizenz für die neue Tochtergesellschaft SEDTA in Ecuador erhielt und eine Strecke zu den Galapagos-Inseln beantragte, schrillten im Pentagon die Alarmglocken. Die USA befürchteten nicht nur eine neue Achse zwischen Deutschland und Südamerika, sondern stellten mit Argwohn fest, dass nach Chile und Peru ein dritter Außenpostens Nazi-Deutschlands an der Pazifikküste entstand. Die Deutschen waren ja bereits an der SCADTA in Kolumbien beteiligt. Nun verstärkte Washington den Druck auf die Staaten Südamerikas. Die eigens für nationale Interessen der USA auf dem südlichen Erdteil geschaffene Pan American – Grace Airways (PANAGRA) ersetzte auf Betreiben Washingtons nach und nach die Strecken der Lufthansa und ihrer Töchter und leitete damit die Wende ein. Mit Fortgang des zweiten Weltkriegs verlor der Kranich alle Streckenrechte in Südamerika. Aus der Syndicato Condor wurde 1943 die Cruzeiro do Sul. Die ging 1993 in der VARIG auf, welche 2007 vom Markt verschwand.

Nach dem Krieg flog eine neue Lufthansa im Konzert der Großen in alle Erdteile. Viele Hauptstädte Südamerikas waren im Streckenplan. Heute scheint sie neben Australien auch diesen Kontinent aufgegeben zu haben. Nur noch vier Ziele werden in Südamerika angeflogen: São Paulo, Rio de Janeiro, Buenos Aires und Bogotá. Vielleicht braucht der Kranich neue Ideen, mehr Selbstbewusstsein und den Mut des Condors um wieder ganz vorne mitfliegen zu können.

Von Andreas Fecker

2 Antworten zu “Luftpost 182: El Condor Pasa”

  1. Frank Schüler sagt:

    Hi Andy, wo hast Du bloß diesen tollen LH Schirm her? ? Und natürlich hast Du Recht: Es braucht generell neue Ideen im Luftverkehr. Ich mache mir Sorgen um diese Billigfliegerei. Wie in vielen aktuellen Bereichen des Lebens und vor allem in der Politik, sollten wir uns wieder auf beständige und verlässliche Werte besinnen! Ich vermisse die Zeit, wo Fliegen noch etwas besonderes war. Ich wünsche Dir, Deiner Familie und Deinen Lesern einen schönen 4. Advent. BRGDS Frank, SJJ GU LH a.D.

  2. Rolf Stünkel sagt:

    Hallo Andy,
    toller Beitrag, bei dem man förmlich ins Schwärmen über die damaligen Pioniere und deren Tatendrang gerät. Bei der Analyse der LH- Situation bin ich auch zu 90% d’accord, man kann nach einer solchen Rückschau nicht zufrieden sein. Allerdings hat sich die Welt verändert, und auf z.B. Sydney-Strecken verbrannte LH schon Anfang der 90er nur noch Geld. Die Auseinandersetzungen zwischen den Tarifpartnern sind für die Kundschaft wahrhaftig eine Zumutung, allerdings geht es den Piloten nicht um irgendwelche Gehaltssteigerungen. Wer lange genug in der Branche ist, weiß, dass Luftfahrt von den Investoren wie jedes beliebige Produkt vermarktet und den Bedingungen angepasst wird. Der billigste Pilot ist erstmal der Beste; bis irgendwas passiert. Sozialer Druck geht irgendwann zu Lasten der Sicherheit, und ich kenne Airlines, die den Piloten „raten“, besser nicht zu viel zu tanken.
    Als Pilot empfehle ich mir und anderen einen nüchternen Blick auf mich, meine Rolle als kleines Rädchen einer immer wieder faszinierenden Branche, Wachsamkeit und eine Prise Gelassenheit. Unsere Chefs wechseln gern mal die Airline oder gleich in die Pharma-Branche, da sollte man selbst bei aller Flieger-Romantik auch einen Plan B im Ärmel haben.