Luftpost 174: Falscher Alarm

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Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Fecker

Was ist ein Schlaumeier? Das ist zum Beispiel jemand, der verspätet zum Flughafen unterwegs ist und meint, er könne seinen Flug aufhalten, in dem er mit unterdrückter Rufnummer die Airline anruft und behauptet, es befände sich eine Bombe an Bord. Er glaubt allen Ernstes, in der Zeit, die für die Entladung des Flugzeugs und die Durchsuchung des Gepäcks benötigt wird, in Ruhe sein Fahrzeug zu parken und einchecken zu können. Natürlich nimmt ein Flughafen jede Drohung ernst, und ja, alle Passagiere müssen wieder aussteigen und sich zurück zum Gate begeben. Das Gepäck wird entladen und von Spürhunden untersucht, das Flugzeug womöglich an einen sicheren Ort geschleppt, weg vom Gebäude.

Gleichzeitig wird die Passagierliste auf sogenannte No-Shows untersucht, das sind Kunden, die aus irgendwelchen Gründen nicht für den gebuchten Flug eingecheckt hatten. Und schon hat man einen Namen. Taucht der Passagier dann verspätet auf, wird ihm die Polizei einige peinliche Fragen stellen. Auf seinem Mobiltelefon werden sich Spuren von seinem Anruf finden. Es kann als gesichert angenommen werden, dass er schließlich nicht nur diesen Flug verpassen wird, sondern auch noch eine empfindliche Strafe folgt, von der gesalzenen Rechnung der Airline ganz abgesehen.

2003 ruinierte sich eine 28-jährige Bauingenieurstudentin mit mehreren anonymen Anrufen am Flughafen Düsseldorf ihre Zukunft. Wegen Beziehungsproblemen wollte sie nicht mit ihrem Freund gemeinsam in den gebuchten Urlaub nach Teneriffa fliegen und drohte dem Flughafen mit einer Bombenexplosion. Sie hoffte, dadurch die Stornierungskosten zu sparen. Der Flughafen wurde daraufhin geschlossen, fast 200 Flüge gestrichen. 15.000 Passagiere saßen fest, der Schaden wurde auf 1,4 Millionen Euro beziffert. Das Gericht verurteilte die Studentin vier Jahre später zu 207.000 Euro Schadenersatz, zahlbar in Monatsraten über die nächsten 30 Jahre von ihrem Einkommen. Ihr bleibt gerade mal der Betrag unterhalb der Pfändungsgrenze. Einer dreijährigen Gefängnisstrafe entging sie nur durch ihr lückenloses Geständnis.

Eine ganz andere Art von falschem Alarm wird aus einem deutschen Jagdgeschwader aus den 1960er Jahren überliefert. Damals saßen die Radarlotsen noch in einer ziemlich windigen Baracke nahe an der Piste, umgeben von einem kleinen Erdwall. Für Notfälle hatte der Tower einen Alarmknopf, womit sie in der Baracke einen Evakuierungsalarm auslösen konnten, damit sich die Kameraden bei einem Landeunfall in Sicherheit bringen konnten. Ein Spaßvogel auf dem Tower beschloss eines grauen Morgens, die Eintönigkeit aufzulockern und den Kollegen in der Radarbarracke „eine Runde Sport zu verpassen“, wie er es später formulierte. Nach Drücken des Alarmknopfes dauerte es keine 30 Sekunden, da flog unten die Türe auf und vier Radarlotsen rannten panisch ins Freie, Kopfhörer samt Kabel noch um den Hals.

Die Strafe folgte auf den Fuß, der Towerlotse musste ein Donnerwetter von seinem Chef über sich ergehen lassen, welches er Zeit seines Lebens nie vergessen wird. Nun könnte man das als dummen Streich abhaken, wäre an diesem Tag nicht noch etwas Anderes passiert. Eine knappe Stunde später kam nämlich tatsächlich eine landende Fiat G.91 von der Bahn ab. Das Fahrwerk knickte ein, der Pilot rettete sich mit dem Schleudersitz, der Jet überschlug sich und schlitterte auf die Baracke zu. Zehn Meter vor der Tür kam er zum Liegen. Drinnen hatte niemand auf den Evakuierungsalarm reagiert. Stattdessen rief der Wachleiter der Radarlotsen den Tower an und schimpfte in den Hörer: „Hört auf mit dem Scheiß. Einmal reicht!“ Der Wachleiter auf dem Tower antwortete verständnisvoll und schuldbewusst: „Ja, wir haben Scheiße gebaut, und das wird auch nie wieder vorkommen. Aber jetzt schaut doch mal einfach zur Tür hinaus!“

Von Andreas Fecker