LUFTPOST 12: Verweigerte Landungen

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Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Fecker

Pakistan ist kein Land, in dem Menschenrechte besonders hoch im Kurs stehen. Das weiß man nicht erst seit Malala von einem Taliban in den Kopf geschossen wurde, weil sie als mutiges Mädchen für Schule und Bildung eintrat.

Derzeit steht dort Pervez Musharraf vor Gericht. Beinahe wöchentlich sieht er sich neuen Vorwürfen und Anklagen ausgesetzt. Angeblich soll er im Wahlkampf seiner Konkurrentin Benazir Bhutto angedeutet haben, er könne nicht für ihre Sicherheit garantieren. Was das bedeutet, kennt jeder Liebhaber von Mafia Filmen. Am 27.12.2007 wurde Frau Bhutto auch tatsächlich erschossen. Drastische Maßnahmen scheinen aber im Land zwischen Indien und Afghanistan Tradition zu haben.

So steuerte am 12. Oktober 1999 Capt. Syed Sarwat Hussein seinen PIA Airbus A300 von Colombo nach Karachi. Gleichzeitig entließ Premierminister Nawaz Sharif seinen damaligen Armeechef Pervez Musharraf, zufällig einer der 190 Passagiere an Bord. Als der Airbus in Karachi zur Landung ansetzte, gab der Staatschef die Order, das Flugzeug nicht in Karachi landen zu lassen. Capt. Hussein hatte aber nur noch wenig Sprit. Trotzdem flog er bis ins nahe gelegene Nawabshah. Als er dort im Anflug war, richtete ihm die Flugsicherung aus, der Flughafen sei für ihn geschlossen, auf der Landebahn stünde ein Truck, er solle sich „um die Landung in einem anderen Land kümmern“. Capt. Hussein schrie, er müsse nun landen, oder das Flugzeug mit 190 Passagieren würde abstürzen. Zu diesem Zeitpunkt übernahm Musharraf-treues Militär den Flughafen von Karachi mitsamt der Flugsicherung und befahl Hussein nach Karachi zurück zu fliegen und dort zu landen. Das Flugzeug landete auf dem letzten Tropfen Sprit.

General Musharraf übernahm daraufhin die Regierung. Premierminister Nawaz Sharif wurde wegen Transportgefährdung und versuchtem Mord angeklagt, später aber begnadigt und ins Exil verbannt. Da kein PIA-Pilot bereit war, ihn auszufliegen, schickte die Regierung Saudi Arabiens eine Boeing 777 und brachte den geschassten Regierungschef und dessen Familie nach Jeddah. Als Sharif 2007 nach Pakistan zurückkehrte, wurde er noch am Flughafen festgenommen und vorübergehend wieder nach Saudi Arabien abgeschoben. Doch wieder kehrte er zurück, und wurde am 5. Juni 2013 erneut zum Premierminister gewählt. Nun ist offenbar wieder einmal Payback Time in dem Land am Hindukusch.

Doch auch in Deutschland gibt es Beispiele für verweigerte Landungen, die man als Betroffener zumindest ähnlich interpretieren könnte: Am 05.12.2010 befand sich die Mannschaft von Borussia Dortmund auf der Rückreise von Nürnberg. Die Dortmunder hatten ein schweres Spiel hinter sich, waren aber gut gelaunt, denn sie hatten soeben die Herbstmeisterschaft gewonnen. Doch es stand eine nächtliche Provinzposse auf dem Programm, die sich niemand hätte träumen lassen. Die „Schutzgemeinschaft Fluglärm Dortmund–Kreis Unna e.V.“ hatte ein Nachtflugverbot durchgesetzt, das um 23.00 Uhr beginnt. Um 22.55 Uhr befand sich das Flugzeug mit ausgefahrenem Fahrwerk im langen Endanflug auf Dortmund. Um 23.00 Uhr waren es noch genau 29 Sekunden bis zur Landung. Da kam die Anweisung zum Durchstarten. Eine Ausnahmegenehmigung über die Landesregierung unter Hinweis auf die Verdienste des Vereins für seine Stadt war nicht erteilt worden! Nach der Ausweichlandung in Paderborn musste dann ein Bus organisiert werden, der die müden Spieler um Mitternacht über vereiste Straßen ins hundert Kilometer entfernte Dortmund brachte. Wir reden hier von Spitzensportlern, die für ihren Verein und für ihre Stadt eine sportliche Höchstleistung in einem eiskalten, verschneiten Fußballstadion in den Knochen hatten! Wenn nicht einmal dafür eine Ausnahmegenehmigung am heimischen Flughafen zu kriegen ist, dann stimmt das schon nachdenklich.

Leider hat diese Praxis mittlerweile Methode. Wir sitzen vor dem Fernseher und verfolgen mit Spannung und Stolz, wie deutsche Athleten einen EM- oder WM-Titel gewinnen. Wenn die Sportler aber dann todmüde um 22:55 in Frankfurt landen, erwarten wir offenbar, dass sie um Mitternacht mit ihren 30 Kilo Sperrgepäck mit dem Zug nach Hause fahren, nach Berlin, nach München, Hannover oder Bremen, je nachdem, wo sie zuhause sind. Hauptsache, es startet kein Flieger mehr nach 23:00 Uhr, der sie in 50 Minuten in ihre Heimat bringen könnte. In anderen Ländern pilgern die Bürger zum Flughafen und bereiten ihren Helden dort einen Ehrenempfang!

Unsere fluglärmgestörten Freunde zitieren gerne den Artikel 2 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Leider wird der Artikel nie zu Ende zitiert, weil das wenig zweckdienlich ist. Denn da folgt: „In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Und eines dieser Gesetze ist zum Beispiel das LuftVG. Verkehr zu Lande, zu Wasser und in der Luft ist nun mal im öffentlichen Interesse. Und wenn Gerichte zwischen Gemeinwohl und Individualinteresse entscheiden müssen, fällt das Urteil im Allgemeinen zugunsten des Gemeinwohls aus. Würde man dem öffentlichen Interesse nicht Vorrang vor dem privaten Interesse geben, käme alles öffentliche Leben zum Erliegen.

Bei verspäteten Landungen sollte deshalb Augenmaß Anwendung finden, und zwar von allen Seiten. Und eine Landung mit geringer Triebwerks-Drehzahl ist noch allemal leiser als ein Durchstartverfahren.