Luftpost 111: Larry Hillblom

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Andreas Fecker – Archiv: Fecker

Larry Hillblom hatte eine Geschäftsidee. Der mittellose Jurastudent aus Berkeley, Kalifornien, sammelte abends in verschiedenen Anwaltskanzleien von San Francisco eilige Dokumentensendungen nach Los Angeles ein, fuhr zum Flughafen und brachte sie mit dem letzten Flug nach L.A. Von dort flog er am frühen Morgen mit ebenso eiligen Papieren nach San Francisco zurück. Das machte er fünfmal die Woche. Verteilung und Zustellung übernahmen Freunde und Kommilitonen für geringes Geld. Nach seinem Studium beschloss er, in das Kuriergeschäft einzusteigen. Er fand auch gleich eine Marktnische, indem er Schiffsladepapiere zwischen San Francisco und Honolulu, Hawaii hin- und herflog. Wenn nämlich diese Papiere schon vor der Fracht am Zielhafen waren, konnten Verzollung, Entladung und Zustellung schneller über die Bühne gehen. Zwei von Hollbloms Freunden machte er zu Partnern, Adrian Dalsey und Robert Lynn. Zusammen gründeten sie 1969 den Paket- und Briefexpressdienst und benannten ihn nach den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen: D.H.L. Mit ihrem zweitürigen Plymouth Duster fuhren sie durch die Straßen von San Francisco und sammelten eilige Dokumente und Päckchen ein, buchten einen Erste-Klasse-Flug nach Hawaii und brachten die Sendungen dort 6 Stunden später zum Empfänger. Das First Class Ticket erlaubte jedem Passagier, 175 kg begleitetes Reisegepäck mitzunehmen. Die Frage, ob man das alles selbst gepackt hatte, wurde damals noch nicht gestellt. Die quirligen Unternehmer übernachteten bei zwei Freunden in Honolulu. Das Geschäft war so erfolgreich, dass sie zusätzliche Kuriere einstellen mussten, die gerne ab und zu Erste Klasse flogen und sich dafür mit einem Freiflugschein entlohnen ließen. Auch das FBI wurde auf die „Umtriebe“ aufmerksam. Um zu ergründen, ob alles mit rechten Dingen zuging schleuste die Bundespolizei eigene Agenten als Kuriere ein. Einige von ihnen fanden den Job aber so toll, dass sie ihren Dienst quittierten und bei DHL anheuerten. Sogar Hillbloms Jura-Professoren waren allzugerne bereit, mit einem Postsack voller Dokumente nach Hawaii zu fliegen.

Bald dehnten die drei Freunde ihr Geschäft bis nach Hongkong, den Philippinen, Australien und Japan aus. Während sich FedEx aus Memphis noch auf den Inlandsmarkt konzentrierte, bediente DHL längst den Internationalen Markt. Nachfrage und Wachstum schienen keine Grenzen gesetzt. Inzwischen wuchs das Unternehmen zu einem Logistik-Weltkonzern mit eigener Fracht-Airline, DHL Aviation mit etwa 100 Flugzeugen und Anteilen an anderen Cargo-Airlines. 2002 übernahm die Deutsche Post die DHL und ist damit in 220 Ländern und 480.000 Mitarbeitern vertreten. Der europäische Hub ist in Leipzig.

Das europäische Frachtumschlagzentrum der DHL in Leipzig – Foto: DHL

DHL war also nun in anderen Händen. Wie ging es derweil mit Larry Hillblom weiter? Seiner „Umtriebigkeit“ waren dadurch in keinster Weise Grenzen gesetzt, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Saipan ist eine Insel auf den Nördlichen Marianen zwischen Japan und Neuguinea. 1899 verkauften die Spanier Saipan an das Deutsche Reich. 1914 wurde sie von Japan, 1944 von den USA erobert. Seitdem gehört das Eiland zum Commonwealth der Vereinigten Staaten. Dorthin zog sich Hillblom 1980 als Milliardär zurück. Gerade einmal zehn Jahre hatte er gebraucht, um mit DHL dieses Vermögen anzuhäufen. Er gründete oder investierte in mehrere Unternehmen in Vietnam, auf Hawaii und den Philippinen. Als studierter Jurist wurde er in den obersten Gerichtshof von Saipan gewählt. Er besaß Land auf Guam, eine Ranch in Kalifornien und eine in Idaho. Er kaufte sich mit 15% bei Continental Airlines ein. Er brachte das Kabelfernsehen nach Mikronesien. Er kaufte Grundstücke auf zahlreichen Inseln im Pazifik. Oft sah man ihn in abgewetzten Jeans, er war der hemdsärmelige Prototyp des Understatements. Aber er wurde auch zunehmend exzentrisch. Und er war begeisterter Flieger. Eines Tages musste er seine Cessna auf dem Strand der Insel Tinian notlanden. Er stieß dabei gegen einen großen Stein, der Stein rammte den Motorblock in sein Gesicht. Hillblom verlor ein Auge, eine Strebe drang in seine Lunge, Hillblom rang mit dem Tod. Eine Klinik für Plastische Chirurgie in San Francisco rettete, was zu retten war und baute sein Gesicht neu auf. Bei dieser Gelegenheit entfernte man auch ein Stück Haut mit einem Leberfleck, der aus irgendwelchen Gründen in Wachs konserviert wurde. Dieser sollte später noch eine Rolle spielen.

Am 21. Mai 1995 stürzten Hillblom und zwei weitere Personen mit einem Wasserflugzeug zwischen Pagan und Saipan ab. Seine Leiche wurde nie gefunden. Wie sich die Kunde von seinem Tod über den Pazifik verbreitete, häuften sich die Vaterschaftsklagen von Frauen und Kindern aus dem ganzen pazifischen Raum. Nun wurde auch in nicht eingeweihten Kreisen bekannt, dass der unverheiratete Womanizer „nichts anbrennen ließ“. Seine Vorliebe für blutjunge Prostituierte im gesamten nordpazifischen Raum gipfelte darin, dass bald Dutzende von Rechtsanwälten die Gerichte in Saipan beschäftigten.

Seine letzte Partnerin kämpfte mit harten Bandagen gegen alle Ansprüche. Um jegliche DNA-Tests zu verhindern, vernichtete sie alle Kleidung und Habseligkeiten Hillbloms und säuberte das Haus in Saipan forensisch steril. Sogar die Abflüsse der Waschbecken wurden mit Salzsäure gereinigt. Die Forensiker fanden nichts, bis sie eines Tages die Gärten des riesigen Anwesens umgruben. Dort stießen sie auf Zahnbürsten und persönliche Gegenstände, die aber als DNA-Vergleich offenbar nicht mehr zu gebrauchen waren. Doch irgendjemand erinnerte sich an das konservierte Muttermal in San Francisco. Und das lieferte schließlich den Beweis für die Ansprüche von gerademal vier Klägerinnen. Jedes seiner Kinder erhielt 90 Millionen Dollar zugesprochen. Der Rest des Vermögens in Höhe von 240 Millionen Dollar ging laut Testament an die Universität von Kalifornien.

Wenn also demnächst das Auto von DHL vor Ihrem Haus hält, denken Sie doch mal kurz an den Gründer Larry Hillblom, wie sein mutiges Unternehmertum sich die Fliegerei zunutze machte, und dass Licht und Schatten, Genie und Wahnsinn oft dicht beieinander liegen.

Von Andreas Fecker

3 Antworten zu “Luftpost 111: Larry Hillblom”

  1. Wolfgang Zimber sagt:

    Wieder mal eine faszinierende Story, die Andreas Fecker ausgegraben hat.
    Klasse, bin begeistert.
    Wolfgang Zimber

  2. Dörthe Rossberg sagt:

    Sehr geehrter Herr Fecker
    Haben Sie sich schon einmal überlegt, Ihre Luftpost gesammelt als Buch herauszugeben? Mein Mann und ich lesen Ihre Geschichten mit viel Interesse und wir möchte sie gerne unseren Fliegerkameraden zum Geschenk machen. Einen Internet-Link kann man nicht verschenken, ein Buch schon.
    MfG
    Dörthe R.

  3. Andreas Fecker sagt:

    Liebe Dörthe
    Danke für die Ermutigung. Das plane ich tatsächlich.
    A. Fecker