Luftpost 485: DACT

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DACT ist die Abkürzung für Dissimilar Air Combat Training. Es handelt sich hier um das Zusammenwirken verschiedener Flugzeugtypen aus verschiedenen Nationen, wie sie gerade bei der größten Luftwaffenübung in der Geschichte der NATO trainiert wird. Damit soll die Effektivität gesteigert werden. Früher einmal war es üblich, dass Flugzeuge gleicher Bauart und gleichen Typs, womöglich sogar vom gleichen Geschwader gegeneinander Luftkampf übten. Das wurde längst als unrealistisch erkannt. Heute könnte ein Szenario so aussehen: Vier oder acht Jagdbomber eines Geschwaders erhalten den Auftrag, ein bestimmtes Ziel zu zerstören. Sie werden von einer Eskorte eigener Jagdflugzeuge begleitet. Im Pulk befinden sich auch Flugzeuge, die durch elektronische Störmaßnahmen gegnerisches Radar blind machen können. Je nach Art des Auftrags und der Kräfte- und Waffenverhältnisse kann der Angriff von Erdkampfflugzeugen wie der gepanzerten A-10 oder von Kampfhubschraubern unterstützt werden. Die gegnerischen Kräfte wiederum patrouillieren ihren Luftraum und versuchen im Zusammenwirken mit eigenen Bodentruppen einen erfolgreichen Angriff zu verhindern.  All dies wird überwacht und gesteuert von einem fliegenden Kommandostand an Bord einer AWACS hoch über dem Geschehen. Gefechtslagen, Flugsituationen und simulierte Abschüsse werden elektronisch aufgezeichnet. 25 Nationen üben die gemeinsame Reaktionsfähigkeit ihrer Luftstreitkräfte in einer Krisensituation. Deutschland übernimmt dabei die führende Rolle und ist logistische Drehscheibe. Die Gastmaschinen fliegen von Lechfeld, Wunstorf, Geilenkirchen, Schleswig, Hohn, Spangdahlem und Neuburg.

Norwegische F-35 – Foto: RNAF

Die Übung dauert vom 12. bis 23. Juni 2023 und verspricht spannende Erkenntnisse, da 250 Flugzeuge und 10.000 Soldaten aus Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan, Kroatien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Rumänien, Schweden, Slowenien, Spanien, Tschechien, der Türkei, Ungarn, den USA und dem Vereinigten Königreich erstmals zusammen oder gegeneinander fliegen werden. Die US Air Force verlegt allein 190 Flugzeuge aus 35 US-Bundesstaaten nach Europa! Dazu kommen zahlreiche Truppentransporter und Tankflugzeuge.

Das geht nicht ohne Auswirkungen auf den zivilen Luftverkehr. Jeder Staat im Bereich von EUROCONTROL betreibt nämlich eine zivil-militärisch besetzte „Airspace Management Cell (AMC)“. Dort werden ruhende militärische Lufträume über Europa entweder zeitlich aktiviert oder aktive geschlossen, wenn sie nicht gebraucht werden. Somit stehen dem zivilen Luftverkehr Abkürzungen offen, und sie brauchen nicht die dichten Routen zwischen anderen zivilen Beschränkungsgebieten zu folgen. In diesen zwei Wochen ist also nicht, wie gewohnt, flexibel und planbar mit zivilen Durchflügen und Abkürzungen zu rechnen. In der Vergangenheit stießen solche Einschränkungen eines vermeintlichen Gewohnheitsrechts nicht immer auf Verständnis. Flugschulen, Segelflug- und Fallschirmspringervereine drohten mit Klagen, weil sie zu 14 Tagen Stillstand vergattert wurden. Dabei geht es bei einer solchen fliegerischen Übung eben nicht um privates Freizeitvergnügen, sondern um eine bierernste Übung, deren Wichtigkeit uns allen gerade vorgeführt wird. Und Piloten, die ihre Hochleistungsmaschinen im Tiefflug an ein Ziel bringen müssen, brauchen die Vigilanz eines Formel-1 Fahrers. Für den Daddy, der genüßlich seinen Segelflieger vor ihrem Cockpit durch die Thermik schraubt, haben sie in diesem Moment wenig Verständnis.

Andreas Fecker