Ich will es ja gar nicht verschweigen. Als heranwachsender junger Mann, bin ich selbstverständlich abends in die Diskothek oder in Lokale gegangen, in denen Live Music gespielt wurde. Die hießen Tenne, Hades oder Underground. Die Musik war toll, das Licht war schummrig, Drogen waren gemeinhin noch kein Thema, die Stimmung war trotzdem toll. Man konnte auch das Bier oder die Cola unbeobachtet stehen lassen, während man seiner Partnerin beim Steh-Blues nette Sachen ins Ohr flüsterte. Man begleitete sie anschließend zu Fuß nach Hause, bevor man sich schließlich – alleine – auf den Weg in die elterliche Wohnung machte, die Treppe hoch auf Strümpfen, die Schuhe in der Hand, man wusste auch, welche Stufen knarrten und welche nicht. Sweet memories!
Heute läuft das irgendwie anders. Statt Lautsprecher installiert man in den Discos offenbar Schallkanonen und Nierensteinzertrümmerer, romantisches Ohrgeflüster wird durch Sprachlosigkeit oder lautes Gebrüll ersetzt, klopfender Techno strapaziert die Trommelfelle, Headbanger und Kopfschüttler verdrängten den romantischen Steh-Blues auf der Tanzfläche. Die Getränke müssen bewacht oder noch hastig in den Kopf geschüttet werden, bevor jemand K.O.-Tropfen hinzugibt. Und irgendwann, morgens gegen vier fährt man benommen, besoffen oder zugekifft nach Hause. Oder in die nächste Disco, die erst um fünf Uhr schließt. Den Weg dorthin weisen nach oben gerichtete Laser, Skybeamer oder Xenon-Himmelsscheinwerfer, Space Cannons mit bis zu 16.000 Watt, fest oder beweglich. Offenbar geht es uns zu gut. Vor allem ältere Menschen werden an Flakscheinwerfer erinnert. Sie tasten die Wolken ab und rufen sich bei aufgedrehten, erlebnishungrigen Jugendlichen ins Bewusstsein: Hier ist eine Disco! Da wartet dann der nächste Kick, und sei der Schuppen 30 km weit entfernt. In klaren Nächten sieht man das Licht bis an den Horizont. Und irgendwann, irgendwo, rasen sie sich in den Tod, löschen das Leben von Mitfahrern oder Unfallgegnern aus, oder machen sie zu Krüppeln. Das ist dann der erste Schritt ins richtige Leben!
Auszug aus einem Bericht des statistischen Bundesamtes: In der Tagespresse sind nach einem Wochenende häufig Berichte über Straßenverkehrsunfälle junger Fahrer mit schwerwiegenden Folgen zu lesen. Dieses hohe Unfallrisiko junger Menschen, vor allem auch am Wochenende zeigt: In den späten Abend- und Nachtstunden des Wochenendes, ab 22 bis 24 Uhr sowie samstags und sonntags zwischen 0 und 7 Uhr verunglückten sehr viele junge Leute tödlich. In diesen 20 Stunden des Wochenendes kam mehr als jeder fünfte (22,5 %) der 493 im Jahr 2013 bei Verkehrsunfällen getöteten 18- bis 24-Jährigen ums Leben, aber nur 6,9 % der Getöteten der übrigen Altersgruppen. Viele dieser nächtlichen Unfälle von jungen Erwachsenen dürften so genannte „Disco-Unfälle“ sein.
Ich habe in den letzten Jahren meiner Dienstzeit als Fluglotse in der Frankfurter Regulierungsbehörde versucht, diese Skybeamer gänzlich verbieten zu lassen. Ich habe Flugsicherheitsgründe bemüht und habe Unterstützer bei der Vereinigung Cockpit gesucht. Ich wollte den Bund Naturschutz gewinnen, der ja Störungen des Orientierungssinns bei Zugvögeln durch diese beweglichen Scheinwerfer beklagt. Außerdem sterben Nacht für Nacht in Deutschland eine Milliarde Insekten an der Hitze der Scheinwerfer, die sonst Nahrung für nachtaktive Singvögel sein könnten. Auch die Arbeit von Forschern in Sternwarten wird durch die Lichtschleudern beeinträchtigt. Im Bereich von Städten ist sowieso kaum noch ein Sternenhimmel zu sehen.
Doch Länder und Kommunen entscheiden über die Genehmigung unterschiedlich. Wenigstens müssen Anlagen über 4000 Watt bei den Luftfahrtbehörden angemeldet werden. Im 10 km Umkreis von Flughäfen und Landeplätzen von Rettungshubschraubern sind gen Himmel gerichtete Scheinwerfer verboten. Besser wäre es, wenn man die Nacht wieder Nacht sein ließe und unnötige Lichtquellen abschaltet. So werden vielerorts Straßenbeleuchtungen auf LED-Leuchten umgerüstet, deren Streuung umweltfreundlicher ist.
Vielleicht findet dieser Appell den Weg zu den verschiedenen Genehmigungsbehörden, die diese Initiative aufgreifen und auf den richtigen Weg bringen können. Schützenhilfe gäbe es sogar von der UNESCO, die weltweit für eine Reduzierung der Lichtverschmutzung wirbt. Besonders nach oben gerichtetes Licht soll gedämpft oder abgeschirmt werden. Und wenn man die Lichtverschmutzung nicht geltend machen kann, dann vielleicht den Jugendschutz? Ich will wirklich niemandem den Spaß verderben. Ich will eigentlich nur Leben retten. Und eine Lanze für einen romantischen Sternenhimmel brechen.
Von Andreas Fecker
Nach der Schießerei in der Konstanzer Discothek vergangenes Wochenende, die morgens um 04:30 Uhr stattfand, frage ich mich, wie klug es ist, um diese Zeit noch von einer Disco zur nächsten zu ziehen. Müdigkeit, Alkohol, Leichtsinn und die Angst vor der häuslichen Langeweile haben doch längst die Oberhand über logisches Denken und Vernunft erlangt.