Was Ryanair so treibt – Und was die Lufthansa davon hält

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Ryanair: Wo die Iren starten, ist meist ordentlich was los. Foto: Peter Henrichmann

Ryanair, der Name sorgt für Schlagzeilen. Immer wieder. Im Jahr 2010 haben die Iren 72 Millionen Tickets verkauft. Und einen Umsatz von ca. vier Milliarden Euro erzielt.  
Die – manchmal bei genauem Hinsehen doch gar nicht so – billige Fluglinie sucht sich gezielt „billige“ Plätze aus, von denen aus die Flieger abheben. Ryanair kommt gibt Flughäfen einen Push, Ryanair geht bedeutet immer einen Knick in den Zahlen. Den Passagierzahlen und den Bilanzzahlen. Einige Schlagzeilen aus den vergangenen Wochen, die www.airportzentrale.de veröffentlicht hat, verdeutlichen das:  

Lübeck: Ryanair streicht den Flugplan zusammen. Die lokal größte Airline will nur noch 16 wöchentliche Abflüge anbieten (vorher 56). Und das obwohl der Flughafen modernisiert und die Landebahn technisch neu ausgestattet wurde. Angesichts der Einschnitte rechnet man in Lübeck für 2011 mit höchstens 400.000 Passagieren.  

Altenburg (bei Leipzig): Nach London, Barcelona und nach Alicante ging es – in einigen Jahren kamen 800.000 Fluggäste zusammen. Im Sommer des neuen Jahres 2011 könnte damit aber Schluss sein: Linienflüge könnte es dann nicht mehr geben. Im Frühjahr laufen die Verträge aus, es sieht so aus, als mache sich Ryanair aus dem Staub.  

Bremen: Ryanair bedient künftig direkt ab Bremen sechs neue Ziele: Fuerteventura, Gran Canaria, Ibiza und Teneriffa sowie Tallinn und Marrakesch.  

Cochstedt (bei Magdeburg): Ryanair will dort starten. Zunächst sollen vier Routen angeboten werden. Es geht in Richtung Süden: Malaga, Alicante, Barcelona-Girona, und Las Palmas (Gran Canaria) stehen auf dem Programm. Rund 100.000 Fluggäste will man in Cochsted abfertigen – im ersten Jahr. Die Ryanair-Flüge sind erst möglich gemacht worden durch die Landesregierung in Sachsen-Anhalt. Die hat in das 80 Hektar große Areal des ehemaligen Militärflughafens investiert.  

Weeze (Niederrhein): Eine Erfolgsgeschichte! Ryanair für eine unglaubliche Expansion gesorgt. Jetzt geht es andersrum: Wegen der neuen Luftverkehrsabgabe will der Billigflieger das Streckennetz ausdünnen. Im Sommer 2011 sollen zwei Flieger abgezogen werden. Das kostet 13 Verbindungen, die ab Weeze gestrichen werden. Unter anderen wegfallen werden Berlin, Breslau, Danzig, Göteborg, Saragossa und Valladolid.  

Der Lufthansa Politikbrief  

Die Deutsche Lufthansa steht Ryanair – Konkurrenz – kritisch gegenüber. Im Politikbrief der LH (ein firmeneigener Informationsdienst für Entscheider in Politik, Medien und Wirtschaft), der jüngst im Internet veröffentlich wurde, wirft die auch Lufthansa einen Blick auf die Ryanair-Aktivitäten. Darin heißt es: „Kleinstflughäfen setzen oftmals ausschließlich auf Ryanair & Co. Die „At-Others-Cost-Airlines“ haben dabei leichtes Spiel, Standorte gegeneinander auszuspielen, öffentliche Gelder abzukassieren und Millionengewinne in die eigenen Unternehmenskassen umzuleiten. Seit Jahren werden diese Praktiken von der EU-Wettbewerbsbehörde untersucht. Verwunderlich, dass Kleinstflughäfen trotz der
wiederkehrenden Problematik daran festhalten. Doch das Kartenhaus beginnt massiv zu wackeln: Ryanair strich im Winterflugplan alle innerdeutschen Strecken.
Und das soll noch lange nicht alles gewesen sei – glaubt man Aussagen von Firmenchef O’Leary. Alarmzustand statt Aufbruchstimmung an deutschen Kleinstflughäfen.  

Hahn: Abhängigkeit wird zum Verhängnis – Prominentes Opfer ist der Flughafen auf dem Hunsrück. Ryanair hat jeden dritten Flug eingestellt, neun Strecken werden nicht mehr bedient. Die Abhängigkeit
von den Iren, die den Airport nahezu exklusiv nutzen und rund 95 Prozent der dortigen Passagiere befördern, droht Hahn damit zum Verhängnis zu werden.
Laut Aussage der Airline sind von dem Abzug rund 1 000 Jobs indirekt bedroht. Hartes und illoyales Geschäftsgebaren von Ryanair ist den Flughafenmanagern
nicht neu. Anfang 2009 brachte Ryanair ein gänzlich neues Flughafenentgeltsystem zu Fall. Danach sah der Flughafenbetreiber Fraport keine Chance mehr,
den Airport jemals wirtschaftlich betreiben zu können und gab seinen 65-Prozent-Anteil für einen Euro an das Land Rheinland-Pfalz ab. Die Steuerzahler des
hoch verschuldeten Bundeslandes werden weiterhin pro Jahr ein zweistelliges Millionendefizit des Airports ausgleichen.  

Lübeck: Ryanair bricht Wort – Auch in Lübeck zieht sich Ryanair zurück. Drei Strecken im Sommerflugplan und fünf weitere Verbindungen im Winterflugplan sind passé. Aus Aufsichtsratskreisen
des Airports heißt es, dass die Kürzungen hätten verhindert werden können. Einzige Bedingung der Iren: Der Flughafenbetreiber möge doch einfach die
deutsche Luftverkehrsabgabe übernehmen. Gezahlt hätte dies der Steuerzahler, da der Airport 2009 rückverstaatlicht wurde.
Ein Possenspiel besonderer Qualität ist die Ausbaudebatte. Der Airport-Aufsichtsrat will diese 67-Millionen-Investition wegen der hohen Verluste auf
Eis legen. Anders Bürgermeister Saxe, der am Ausbau festhält. Ryanair hatte seinerzeit in Aussicht gestellt, an der Ostsee eine Basis aufzubauen – ein leeres
Versprechen, an das sich die Iren heute nicht mehr gebunden fühlen. Übrigens: Der Flughafen hat bereits über 60 Millionen Euro öffentliche Gelder verschlungen.mber 2010  

Altenburg: Studie bestätigt Sackgasse – Ryanair bietet in Altenburg als einzige Fluggesellschaft eine Strecke an. Dieses
Mobilitätsangebot hat der Freistaat Thüringen seit 1992 mit 17 Millionen Euro gefördert. Wenig überraschend: Eine vom Erfurter Wirtschaftsministerium in
Auftrag gegebene Studie rechnet vor, dass die Konzentration auf Billigflieger Defizite erzwingt: „Alle Szenarien, in denen der Lowcostverkehr aufrecht erhalten
oder erweitert wird, sind betriebswirtschaftlich (…) nicht tragfähig.“ Ein Ende der Dauersubventionierung ist in Sicht: Das Land ist nicht bereit, Anteile an der Piste
zu übernehmen. Und eine 250 000-Euro-Förderung pro Jahr fließt nur, wenn der Flughafen ein tragfähiges Konzept vorlegt.  

Cochstedt: Mühlstein für wirtschaftlichen Airportbetrieb – Seit März 2010 will ein dänischer Airportbetreiber den brachliegenden Standort
Cochstedt in Sachsen-Anhalt wiederbeleben. Mit Dumping-Preisen sollen Fluggesellschaften unter anderem von Leipzig/Halle und Erfurt angelockt werden.
Dabei leiden die genannten Flughäfen jetzt schon unter zu wenig Nachfrage. Absurd: Die öffentliche Hand hat rund eine Milliarde Euro in den komplett erneuerten
Flughafen Leipzig-Halle investiert und die beteiligten Länder sehen tatenlos zu, wie in unmittelbarer Nähe ein komplett überflüssiger Flughafen den Markt
zerstört. Übrigens sollte die Piste in „Berlin-Magdeburg International“ umbenannt werden – die Hauptstadt liegt 200 Kilometer entfernt. Eine Narretei.
Kleinstflughäfen: Ohne Bedarf kein Ausbau Subventionen für Kleinstflughäfen, bei denen keine wirtschaftliche Nachfrage besteht, sind eine horrende Verschwendung von Steuergeldern
und schaden der Volkswirtschaft. Dieser Umstand ist im Flughafenkonzept der Bundesregierung 2009 bestätigt
worden.“ Quelle: u.a. Lufthansa Politikbrief / – Peter Henrichmann