Vereinigung Cockpit mit neuem Vorstand – Offener Brief

Werbung
Vorstand Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher Joerg Handwerg Vereinigung Cockpit

Die Vereinigung Cockpit, der Berufsverband der Verkehrsflugzeugführer in Deutschland, hat am 24. April 2012 einen neuen Vorstand gewählt. Als neuer Präsident wird Flugkapitän Ilja Schulz den Verband in den nächsten drei Jahren gemeinsam mit seinem Team führen. Der 44jährige fliegt seit 2001 als Kapitän bei Lufthansa Cargo. Der Vorstand umfasst neun weitere Mitglieder und wurde bei einer Wahlbeteiligung von 47 Prozent in sein Amt gewählt. Ilja Schulz dankte dem scheidenden Präsidenten Winfried Streicher für seinen unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz für die Interessen der deutschen Verkehrspiloten.

Nach seiner Wahl stellte Ilja Schulz den Mitgliedern der Vereinigung Cockpit die Schwerpunkte seiner Amtszeit vor. Neben tarifpolitischen Zielen und politischen Herausforderungen benannte er die Einführung der europaweit harmonisierten Flugdienst- und Ruhezeitregelungen als das zentrale Thema der nächsten Monate: „Die Sicherheit im Luftverkehr darf nicht dem Profit der Fluggesellschaften untergeordnet werden. Gemeinsam mit den anderen Pilotenverbänden in Europa werde ich alles daran setzen zu verhindern, dass die Flugsicherheit in Deutschland und Europa durch die neuen Regelungen Schaden nimmt.“

Um ihrer Sorge um die geplanten Flugdienstzeitregeln Ausdruck zu verleihen, wendet sich die Vereinigung Cockpit gemeinsam mit der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation und dem Deutschen Fliegerarztverband in einem Offenen Brief an die deutsche Politik. Die Verbände appellieren darin an die Verantwortlichen, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Verpflichtung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit nach dem höchstmöglichen Sicherheitsstandard Wirklichkeit werden zu lassen. Sie fordern, dass die neuen Bestimmungen für das Fliegende Personal die vorhandenen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse über die menschliche Leistungsfähigkeit berücksichtigen und die wirtschaftlichen Interessen der Airlines im Sinne der Sicherheit hintenan stellen. Ein Rückschritt, wie er nach derzeitiger Planung vorgesehen wäre, verstößt gegen die Statuten der EU, sowie der internationalen zivilen Luftfahrtorganisation ICAO, zu deren Einhaltung sich die europäischen Staaten verpflichtet haben, und gefährdet somit die Flugsicherheit.

Die Vereinigung Cockpit ist der Berufsverband des Cockpitpersonals in Deutschland. Er vertritt die berufs- und tarifpolitischen Interessen von derzeit rund 8.300 Mitgliedern bei deutschen Airlines und sieht darüber hinaus seine Aufgabe in der Erhöhung der Flugsicherheit in Deutschland.

Quelle: PM VC

23. April 2012
An die
Abgeordneten des Deutschen Bundestages
insbesondere die
Berichterstatter der Bundestagsausschüsse
für Verkehr, Tourismus, Verbraucherschutz und
Arbeit und Soziales

Offener Brief
Sicherheit vor Profit!
Ein Appell für verantwortungsvolle Flugdienstzeiten

Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) überarbeitet derzeit die
Flugdienstzeit-Regeln für das Cockpit- und Kabinenpersonal. Leider ignoriert die
EASA dabei grundlegende wissenschaftliche Forschungserkenntnisse, vor allem
solche, die die Auswirkungen von Müdigkeit und Erschöpfung auf die
Leistungsfähigkeit des Flugpersonals betreffen.
Die Übermüdung des Flugpersonals birgt für die Flugsicherheit der Passagiere ein
erhebliches Risiko, wie es zahlreiche wissenschaftliche Studien bereits belegt
haben. Sowohl Reaktionsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeit, als auch die Fähigkeit,
Informationen zu verarbeiten, lassen bei zunehmender Ermüdung nach. Die Folgen
von Ermüdung sind also vergleichbar mit denen des Alkoholkonsums. Eine Studie
der US-Luftfahrtbehörde FAA zeigt, dass das Unfallrisiko nach einem Flugdienst
von über 13 Stunden mehr als fünfmal höher ist als nach 9 Stunden.
Sowohl nach den Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO ist
die EASA sogar verpflichtet, die Flugdienst- und Ruhezeit-Regelungen auf Basis
neuester medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse festzulegen, wie sie auch
nach EEC No 3922/91 dazu verpflichtet ist, den höchsten existierenden
Sicherheitsstandard eines EU-Landes nicht zu unterschreiten. Trotzdem
berücksichtigt der Entwurf der EASA diesen Forschungsstand nicht, wie folgende
Beispiele exemplarisch veranschaulichen:
• Zu lange Nachtflüge: Die wissenschaftlich verantwortbare Höchstlänge für
Nachtflüge liegt bei 10 Stunden, danach drohen kritische
Erschöpfungszustände. Die EASA plant dennoch, die Flugdienstzeit für
Nachtflüge auf 11 Stunden festzulegen.
• Starts und Landungen: Der Beginn und das Ende sind die anstrengendsten
Phasen eines Fluges und erfordern höchste Konzentration. Die Wissenschaft
fordert daher, die maximale Flugdienstzeit ab dem zweiten Flugabschnitt um
30-45 Minuten pro Start zu reduzieren. Die EASA schlägt lediglich eine
einmalige Kürzung um 30 Minuten ab dem dritten Flugabschnitt vor. Das
resultiert, beispielsweise an einem Tag mit vier Flügen, in Kombination mit
den deutlich zu langen maximalen Gesamt-Einsatzzeiten von 14 Stunden, die
die EASA vorsieht, in Dienstzeiten, die mehr als drei Stunden bzw. 33 Prozent
länger sein dürfen, als wissenschaftlich empfohlen.
• 110 Stunden in 14 Tagen: Von der EASA selbst in Auftrag gegebene
wissenschaftliche Gutachten raten an, die in einem Zeitraum von 14 Tagen
zulässige Flugdienstzeit auf 95 bis 100 Stunden zu begrenzen. In England
gelten heutzutage bereits 95 Stunden. Die EASA ignoriert jedoch ihre eigens
angeforderten Studien und hält 110 Stunden für vertretbar.
Die Liste mit Beispielen ließe sich mühelos fortsetzen.
Umfragen unter Piloten in mehreren EU-Staaten belegen, dass Übermüdung bei
Flugzeugbesatzungen bereits heute Realität ist. 50 bis 54 Prozent der befragten
Piloten gaben an, trotz hoher Motivation, wach zu bleiben, schon einmal im Cockpit
unbeabsichtigt eingeschlafen zu sein. Ihre Erschöpfung beeinträchtigt die
Flugsicherheit, wie die höchst alarmierenden Umfrageergebnisse der Vereinigung
Cockpit belegen: Wer schon einmal unbeabsichtigt im Cockpit eingeschlafen ist,
war auch signifikant häufiger in sicherheitsrelevante Zwischenfälle verwickelt.
Die Unterzeichnenden sehen mit großer Sorge, dass auch das für die EASA als EUBehörde
und speziell für die Luftfahrt grundlegende Präventionsprinzip nicht
beachtet wird. Wir sind überzeugt, dass die EASA ihrer Verantwortung für die
Flugsicherheit der Passagiere und des Fliegenden Personals in Europa mit der
Neuregelung daher nicht gerecht wird. Die deutlichen Empfehlungen renommierter
Wissenschaftler und die konsequente Anwendung des Präventionsprinzips müssen
die klare Richtlinie für dieses neue Regelwerk sein!

Die Vereinigung Cockpit, die Unabhängige Flugbegleiter Organisation und der
Deutsche Fliegerarztverband fordern Sie auf, als Politiker der größten
Wirtschaftsnation Europas auf die europäischen Gesetzgeber einzuwirken –
im Interesse und zum Schutz der Passagiere, des Personals und des
europäischen Luftverkehrs! Nutzen Sie alle Ihnen zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten und setzen Sie sich für eine Neuregelung der Flugdienstzeiten
ein, die auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert sowie der
konsequenten Anwendung des Präventionsprinzips! Nur so kann die
Sicherheit im Luftverkehr gewährleistet werden.
Bedenken Sie dabei bitte auch, welche Signalwirkung eine neue europäische
Gesetzgebung auf andere Staaten haben wird.
Es darf nicht sein, dass erst eine Reihe fataler Unfälle durch Piloten-
Ermüdung – wie in den USA – die Verantwortlichen in der EU dazu bringt, die
Sicherheitsinteressen der Passagiere und Besatzungen über wirtschaftliche
Erwägungen und das Profitstreben der Airlines zu stellen!

Mit freundlichen Grüßen

Ilja Schulz
Vizepräsident
Vereinigung Cockpit e.V.

Nicoley Baublies
Vorsitzender des Vorstands
Unabhängige Flugbegleiter
Organisation e.V.

Dr. Hans-Werner Teichmüller
Präsident
Deutscher Fliegerarztverband e.V.

Quelle: PM VC