Porträt: Philippine Airlines

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A 321 Philippine Airlines Foto: Bildarchiv Airbus

Am 12. Juli 2013, nach 13 Jahren auf der Schwarzen Liste der EU, erhielt Philippine Airlines wieder die Erlaubnis, in die EU zu fliegen. Herzlichen Glückwunsch, denn das war ein Kraftakt, wie man ihn der über Jahrzehnte hinweg durch Korruption gebeutelten Airline nicht mehr zugetraut hätte. Zu diesem Anlass ist ein Rückblick auf die 70-jährige Geschichte der Fluggesellschaft angebracht. Denn nur so kann man verstehen, wie eine so renommierte Airline überhaupt auf diese Schwarzen Liste gelangen konnte.

Die ersten 20 Jahre

Andres Soriano y Roxas war ein kleiner Buchhalter in der 1890 gegründeten Fabrica de Cerveza de San Miguel in Manila, der ältesten Bierbrauerei Asiens. Nachdem er sich vom Buchhalter zum Präsidenten der Brauerei hochgearbeitet hatte, kaufte er ein Flugzeug und stellte einen Piloten ein: Paul Gunn. 1941 empfahl er ihm, ein Lufttaxiunternehmen aufzubauen und mit der Fliegerei Geld zu verdienen. Soriano brachte das Geld und sein eigenes Flugzeug, eine Beech 18, in die Firma ein und wurde Präsident der Philippine Airways, während Gunn sich fortan als Operational Director bezeichnete. Schon 14 Tage später schloss Soriano einen Vertrag mit seiner eigenen Firma und fungierte fortan als Präsident der Philippine Airlines (PAL). Mit zwei kleinen Flugzeugen flogen Gunn und ein amerikanischer Kollege Geschäftsleute zwischen Manila und immer weiter entfernten Zielen im philippinischen Archipel. Bald musste ein drittes Flugzeug her, dann ein viertes und ein fünftes.

Als am 8. Dezember 1941 der Krieg im Pazifik ausbrach, requirierte der amerikanische General Douglas MacArthur die kleine Airline und ließ sie Ambulanzflüge zwischen den Philippinen und Australien durchführen. Aber auch Kriegsaufgaben wurden Gunn und seinen Piloten nach und nach übertragen. Zwei Flugzeuge wurden dabei von den Japanern abgeschossen, ein drittes am Boden zerstört. Gunn half fortan bei der amerikanischen Luftwaffe aus. Einmal wurde seine B-17 von einer japanischen Mitsubishi Zero in der Luft gerammt. Nach einer Notlandung machte er sich daran, das beschädigte Flugzeug zu reparieren und flog es schließlich weiter nach Australien. Soriano und Gunn dienten fortan in General MacArthur’s Stab. Das gab Gunn, mittlerweile im Rang eines Majors, die Gelegenheit wichtige Leute zu treffen, wie zum Beispiel Jack Frye, den Präsidenten der TWA. Mit diesem machten Gunn und Soriano fortan Pläne für die Zeit nach dem Krieg. Soriano erfreute sich zudem der uneingeschränkten Unterstützung des mächtigen Generals. So soll die USAF einmal 20 Tonnen Flaschenverschlüsse für Sorianos Bierbrauerei eingeflogen haben, um ihm über einen Engpass zu helfen.

Jack Frye hatte mittlerweile Howard Hughes dazu überredet, bei Philippine Airlines mit 28% einzusteigen. Mit fünf C-47, die man zu zivilen DC-3 umgerüstet hatte, nahm PAL den Flugbetrieb wieder auf. Der Bedarf, so kurz nach dem Krieg, war so groß, dass die Fluggesellschaft weitere Flugzeuge mieten musste um ihn decken zu können. Als auch noch PanAm wegen Differenzen mit der amerikanischen Luftfahrtbehörde CAB ihre Dienste nach Manila einstellte und ein Streik den Schiffsverkehr lahmlegte, war die PAL-Verbindung von Manila, über Guam, Kwajalein (Marschallinseln) und Honolulu, für einige Zeit die einzige Verbindung in die USA.

Zusätzliche Routen nach Hongkong, Bangkok und Shanghai ergänzten das Streckennetz und schufen weitere Nachfrage. Im Januar 1947 durfte PanAm wieder nach Südostasien fliegen. Dies fegte PAL’s ärgsten Konkurrenten endgültig vom Markt, dessen Flugzeuge Soriano günstig übernehmen konnte. Im Mai 1947 erteilte das CAB den Philippinern die Streckenrechte in die USA. Einen Monat später gab Präsident Truman auch noch den lukrativen Luftpostvertrag, den man PanAm weggenommen hatte, an Philippine Airlines. Neue Flugzeuge wurden angeschafft, und die Zeit der DC-6 war angebrochen. 1950 kaufte sich die Regierung der Philippinen mit 54% der Anteile in das Unternehmen ein, womit sich Sorianos Anteil auf 22 % reduzierte. Im selben Jahr stieg Paul Gunn nach Differenzen mit Andres Soriano aus dem Unternehmen aus und begann – wiederum mit einer Beech 18 – ein eigenes Unternehmen aufzuziehen. Tragischerweise kam er sechs Jahre später bei einem Absturz ums Leben.

Mittlerweile hatte sich Philippine Airlines nach Europa ausgedehnt. Alle wichtigen Städte standen auf dem Flugplan. Gleichzeitig gab es jedoch heftige Unruhen im Süden des Inselreiches. Die Regierung entschied daher gegen den Willen Sorianos, die von ihm geforderten DC-7 nicht zu beschaffen und stattdessen das Inlandsnetz auszubauen. Bereits am folgenden Tag wurden mit Ausnahme der Strecke nach Hongkong alle internationalen Destinationen gestrichen, und alle viermotorigen Flugzeuge zum Verkauf ausgeschrieben. Stattdessen kaufte die Gesellschaft fünf DHC-6 Twin Otter, um dem Inlandsnetz mit Buschflügen feinste Kapillaren hinzuzufügen. Als 1960 mehrere Flugzeuge bei Dunkelheit verunglückten, verbot der philippinische Präsident Carlos Garcia bis auf weiteres alle Nachtflüge. Die Unfalluntersuchungen wurden von der Presse über Wochen hinweg durch Vorwürfe begleitet, bis Andres Soriano seinen Job hinwarf. Der alte Pionier nahm zum 31. März 1961 seinen Abschied. Der Nachfolger hatte eine Flotte von 19 DC-3, vier Viscounts, drei Fokker-27, drei Twin Otter und drei Twin Pioneer zur Verfügung.

Korruption

Am 24. August 1965 verkündete die Regierung ihre mehrheitlichen Anteile an den Vorstandsvorsitzenden Toda zu verkaufen. Das undemokratische Vorgehen zog einen Aufschrei der Presse nach sich. Die Börse von Manila musste eine Versteigerung ansetzen. Toda erhielt nur 49% der Anteile, aber einer seiner Strohmänner kaufte fünf Prozent. Drei Prozent davon gab er an Toda ab. Alles war nun wieder beim alten: Toda war Mehrheitseigner. Andreas Soriano Junior erhielt einen Platz im Direktorium, womit der Fortbestand der Soriano Dynastie gesichert war. Doch wer die meisten Anteile hatte, und das war Toda, hatte im Unternehmen das Sagen. Es ging darum, wer was kaufen durfte und wer am meisten davon profitierte. Die Korruption bei PAL suchte ihres gleichen. Für viele Millionen von Dollar wurden Ersatzteile für Flugzeuge gekauft und gelagert, die schon lange nicht mehr in der Flotte flogen. Ausstattungs- und Gebrauchsgegenstände stapelten sich, als gäbe es kein morgen mehr. Die Airline hatte zum Beispiel einen Vorrat von 750.000 Damenbinden eingelagert. Für den Betrieb notwendige Bodengeräte hingegen waren in einem so erbärmlichen Zustand, dass sie nur noch Schrottwert hatten. Da die Tickets viel zu teuer für den Durchschnittsverdiener waren, wurde das meiste Geld nicht mit den Passagieren, sondern mit der Fracht und der Postbeförderung verdient. Während sich Unfälle bei PAL besonders in den 1960er Jahren immer mehr häuften, wurde die Gesellschaft in den 1970ern immer mehr zum Ziel von Anschlägen. Allein in den Jahren zwischen 1960 und 1978 „passierten“ 35 Unfälle. Die meisten davon endeten mit Totalschäden, viele mit Opfern.

Die Marcos Jahre

Am schlimmsten war es in den Marcos Jahren zwischen 1966 bis 1986. Es ist mittlerweile bekannt, dass die First Lady, Imelda Marcos, mit ihrer Prunksucht das Land geplündert hatte. Und das beschränkte sich nicht nur auf ihre 2.500 Paar Schuhe und über 1.000 Handtaschen. Sie beanspruchte eine eigene DC-8, die mit Bett und Bad ausgestattet war, und machte auch nicht vor goldener Badeinrichtung im Flieger halt. Sie benutzte das Flugzeug, um zu den Partys von Berühmtheiten rund um den Globus zu jetten. Oft wurde eine zweite Maschine für das Gepäck benötigt. Die Airline wurde immer weiter herabgewirtschaftet, was den Abgang von Fachpersonal zur besser bezahlenden Konkurrenz beschleunigte. Um dieses Personal wieder einzufangen und die Schulden der Airline zu verschleiern, befahl der Diktator 1973, dass sich alle philippinischen Fluggesellschaften bis zum Jahresende zu verschmelzen hatten. Als sich Air Manila und Filipinas Orient Airways dieser Anordnung widersetzten, wurde ihr Vermögen beschlagnahmt und PAL zugeführt.

Die Korruption war mittlerweile so offensichtlich, dass sogar der nicht gerade zimperliche Benny Toda dem Präsidenten das Angebot machte die Hälfte der Millionenbeträge zu übernehmen, den seine Frau verursachte, wenn Marcos den anderen Teil bezahlen würde. Daraufhin forderte Imelda, dass die Airline verstaatlicht würde. Im Klartext: in das Eigentum der Marcos’ überginge. Da Toda nun Angst hatte, dass er alles verlieren könnte, einigte er sich mit Marcos auf einen symbolischen Preis, von dem man weiß, dass die Regierung sogar diesen noch schuldig blieb. Als die Opposition im Land immer stärker wurde, verhängte Marcos das Kriegsrecht. Dies war nichts als eine weitere Verschleierung der Korruption. Das Vermögen der Marcos’ wurde mittlerweile auf mindestens eine Milliarde US-Dollar geschätzt.

Die Zeit nach Marcos

Nach dem Sturz und der Vertreibung der Marcos-Familie gab sich die Philippine Airlines einen neuen Anstrich. Als die neue Staatspräsidentin Corazon Aquino zu ihrem Antrittsbesuch nach Washington flog, war sie die erste Politikerin des Landes, die für ihr Ticket bezahlte. 1988 schuf die Regierung eine unabhängige Luftfahrtbehörde, die die Luftfahrt im Lande beaufsichtigen sollte. Präsidentin Aquino ordnete außerdem die Deregulierung an, und entließ die zwangsvereinigten Airlines wieder in ihre private Unabhängigkeit. Der neue Präsident der Philippine Airlines, Dante Santos, schaffte es in den beiden folgenden Jahren ein Plus zu erwirtschaften. Doch bald wurde klar, dass dies nur das Resultat einer kreativen Buchführung war. Nach nur vier Jahren im Amt wurde Santos ausgewechselt. Mit ihm nicht weniger als 22 Vizepräsidenten, Direktoren und Abteilungsleiter. Ihnen wurden genau die gleichen Praktiken vorgeworfen, die die Fluggesellschaft derart herabgewirtschaftet hatten.

Reprivatisierung

1992 sollte PAL wieder privatisiert werden. Also gab die Regierung bei der Asian Development Bank eine 350.000 Dollar teure Studie in Auftrag, wie man dabei am besten vorgehen sollte. In der Studie wurde empfohlen ausländische Investoren einzuladen und ein internationales Management zu installieren. Dies gefiel der philippinischen Regierung jedoch nicht. Also gaben sie eine zweite Studie bei der Weltbank in Auftrag. Auch diese kam zu dem Ergebnis, dass zumindest ein Drittel des Kapitals vom Ausland kommen müsste, nicht zuletzt um die Altlasten der Airline in Höhe von über einer halben Milliarde Dollar an Auslandsschulden zu tilgen. Auch diese Studie wurde prompt ignoriert. Schließlich nahm die Regierung ein Angebot der AB Capital & Investment Corporation über fast zehn Milliarden Dollar an. Unter dieser Gesellschaft verbarg sich ein Konsortium der beiden mächtigsten Familienklans der Philippinen: den Soriano und den Cojuangco. Ein Drittel verblieb beim Staat. Damit gehörte die Airline genau den Familien, in deren Besitz sie von Anfang an gewesen waren, und die für die korrupte Misswirtschaft verantwortlich waren. Veränderung geht anders.

Misswirtschaft

Von den elf Boeing 747-200 hatten sechs Triebwerke von General Electric, die anderen waren von Pratt & Whitney. Die Flotte war zu klein. Pro Woche gab es 14 Flüge in die USA, während die amerikanische Konkurrenz doppelt so viele schaffte. Die Flotte verglich man schon mit fliegenden Schrotthaufen, deren Reichweite zudem limitiert war. Ein Trip von Manila nach London glich einer Homer’schen Odyssee mit Zwischenlandungen in Bangkok, Abu Dhabi und Frankfurt. Natürlich wurden bei jedem Tankstopp auch Landegebühren fällig, was den Verdienst pro Passagier schmälerte. Unrentable Inlandsstrecken mussten weiterhin bedient werden. Laxe Aufsicht bewirkte, dass Angestellte Ersatzteile verkauften, Cateringbetriebe arbeiteten in die eigene Tasche, Schalterpersonal „erstattete“ abgeflogene Tickets. An einem Außenposten wurde eines Tages sogar eine Kerosinpipeline entdeckt, die in einen privaten Haushalt führte. Die Airline war in Händen zweier „Herren“, die im Krieg miteinander lagen: dem Konsortium und der Regierung.

1995 gab PAL die Bestellung von mehreren Dutzend Airbus-Flugzeugen in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar bekannt, finanziert durch mehrere asiatische Banken. Darunter waren A330, A340 und A320. Von dieser Bestellung wurden jedoch etliche Maschinen wieder storniert. Gleichzeitig wurde die Bürokratie entrümpelt: Die Zahl der Vizepräsidenten wurde auf 15 (!) halbiert. Die 14.000 Angestellten sollten in Zukunft einer gründlicheren Schulung unterzogen werden. Zusätzliches Kabinenpersonal wurde eingestellt. 1998 begab sich PAL in Gläubigerschutz. Im September 2000 übernahm die Lufthansa Technik die Wartung der Flugzeuge in Manila. Die Airline besitzt mittlerweile eine Flotte mit einem Durchschnittsalter von unter acht Jahren. Über sich selbst sagte Philippine Airlines zum Ausgang des vergangenen Jahrtausends in Anspielung auf die Leitwerkbemalung, sie sei „die sonnigste Airline Asiens“. Zumindest kann man ihr ein sonniges Gemüt bescheinigen. Ob die erkennbar guten Veränderungen Bestand haben werden, wird die nähere Zukunft zeigen.

Neue Flotte

Mit Ausnahme ihrer je 5 Boeing 747-400 und 777-300ER fliegt Philippine Airlines nun ausschließlich Airbus. Derzeit ist der Gesamtbestand knapp 50 Maschinen, weitere 60 sind in Toulouse bestellt.

von Andreas Fecker

Philippine Airlines internationales Streckennetz Foto und Karte: Archiv Fecker