Luftpost 476: Air Force One

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Andreas Fecker – Foto: Fecker

Egal in welches Flugzeug der US Air Force der amtierende amerikanische Präsident steigt, ihm wird sofort das Rufzeichen Air Force One zugeteilt. Ist es eine Hubschrauber der US Marines wird er zur Marine One, ein Flugzeug der US Army wird zur Army One, bei der US Navy zur Navy One. Benutzt er ein ziviles Flugzeug wird das zur Executive One. Die Air Force betreibt derzeit zwei Präsidentenmaschinen, die nahezu identisch ausgestattet sind. Das Grundmuster ist (noch) die alte Boeing 747-200B mit der militärischen Bezeichnung VC-25A, Registriernummern 28000 und 29000. Diese Flugzeuge sind mehr als nur luxuriöse Fortbewegungsmittel. Sie sind mit modernster Kommunikationstechnik ausgestattet, bergen Lage- und Besprechungsräume, Aufenthaltsräume für den Präsidenten und seine Familie, zwei Bordküchen, eine Intensivstation, sogar mit einem OP-Tisch.

„What a spiffy ride“, sagte Präsident Obama nach seinem ersten Flug mit der Air Force One, „was für ein schicker Flug!“ Obama an Bord der Air Force One – Official White House  – Foto: Pete Souza / USA Regierung

Die Flugzeuge sind luftbetankbar und können daher tagelang in der Luft bleiben. Sie haben eine Besatzung von 26 Personen und bieten Platz für bis zu 76 Fluggäste. Nur wenn der Präsident an Bord ist, ist das Rufzeichen „Air Force One“. Sonst fliegt sie als „SAM + Registriernummer“. Die Anspielung auf Uncle Sam ist sicher kein Zufall. SAM steht jedoch offiziell für „Special Air Mission“. Als Präsident Nixon 1974 zurücktrat, um seinem Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen, ließ er sich am letzten Tag von der Air Force One nach Kalifornien fliegen. Als sein Nachfolger Gerald Ford in Washington D.C. seinen Amtseid ablegte, fand über Jefferson City, Missouri, der folgende einmalige Dialog statt „Kansas City, von der ehemaligen Air Force One. Bitte ändern Sie unser Rufzeichen in Sierra Alpha Mike (SAM) 27000.”
Die beiden derzeitigen Präsidentenmaschinen kosteten pro Stück um die 325 Mio USD und wurden 1990 in Dienst gestellt. Als Ersatz für die alternden Flugzeuge erwog das Weiße Haus den Airbus A380. Da Airbus dann aber den Amerikanern die Baupläne und die elektronischen Details hätte eröffnen müssen, zog der Hersteller seine Bewerbung zurück. So zumindest war die Verlautbarung von Airbus. Der wahre Hintergrund dürfte der latente Streit zwischen Boeing und Airbus wegen staatlicher Zuschüsse gewesen sein. Die amerikanische Volksseele hätte es nicht verstanden, wenn IHR Präsident mit einem EUROPÄISCHEN Flugzeug auf Staatsbesuche fliegen müsste. Derzeit werden zwei neue Boeing 747-8 umgerüstet. Unabhängig davon gab die US Air Force im September 2020 bekannt, dass sie die Firmen Exosonic, Hermeus und Boom beauftragt hat, Überschallflugzeuge als mögliche Präsidentenmaschinen zu entwickeln.

Foto: MACDILL AIR FORCE BASE, Fla. — Air Force One  (U.S. Air Force photo )

Donald Trump und seine Familie haben die Air Force One genutzt, wie kein anderer Präsident vor ihm. Die Flugstunde mit der AF1 kostet ca. 170.000 Dollar. In den vier Jahren seiner Amtszeit flog er damit 127 mal von Washington zu seinem Resort in Florida. Er machte außerdem 295 Besuche auf einem seiner Golfplätze, sowie vier Jahre lang Wahlkampf-, Entertainment- und Selbstdarstellungsveranstaltungen. Die Trumpschen Wochenendtrips ins In- und Ausland kosteten den amerikanischen Steuerzahler $141,450,266 US Dollar. Die Mannschaften des Secret Service reisten stets mit und mussten 547 mal zu Wucherpreisen in Trump-eigenen Hotels absteigen. So zahlte der Staat 1,4 Millionen USD an die Trump-Organisation für die Übernachtung der Agenten, die den Präsidenten notfalls mit ihrem Leben schützen mussten.

Viele Anekdoten existieren um den Einsatz der Air Force One. In deutschen Flugsicherungskreisen erzählt man sich vom Staatsbesuch des früheren Präsidenten Bush in Berlin. Es ist nicht unüblich, dass der Tower vorher Besuch vom amerikanischen Secret Service bekommt, der natürlich mit den eigenen Sicherheitsleuten auf dem jeweiligen Flughafen in Kontakt ist. Als die Air Force One etwas vor der geplanten Zeit gelandet war, befand sich auch ein verspäteter Airbus der deutschen Luftwaffe im Anflug, der eigentlich schon vor einer Stunde hätte ankommen sollen. Der Mann vom Secret Service wollte diese Landung unter gar keinen Umständen zulassen. Nach kurzem Disput drehte sich der Towerlotse zu dem Amerikaner um und sagte: „Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Präsident und seine Frau vor einem leeren roten Teppich stehen, dann hören wir jetzt auf mit dem Theater. In der Luftwaffenmaschine sitzt nämlich Bundeskanzler Helmut Kohl, der Mr. Bush gerne mit Würde empfangen möchte.“

Deutsches Regierungsflugzeug. Airbus A350 der Flugbereitschaft der Bundeswehr – Foto: Bundeswehr/Miriam Altfelder

Deutschland nutzte als Präsidentenmaschine lange eine Boeing 707 „Konrad Adenauer“, Rufzeichen German Air Force 001. In den späten 1970er Jahren saß ich in Büchel am Präzisionsradar und hatte die GAF 001 für einen Übungsanflug auf der Frequenz. Plötzlich unterbrach der Pilot meine Sinkfluganweisungen und beschwerte sich, dass gerade eine amerikanische Phantom vor seinem Cockpitfenster vorbeigeflogen war. Ich brachte den Anflug zu Ende, griff zum Telefon und rief Eifel Radar, eine Anflugkontrollstelle, die von Amerikanern betrieben wurde. Ich gratulierte dem Controller zu seinem Glück, dass er gerade einen Beinahezusammenstroß mit unserer Air Force One fabriziert hatte. Keine fünf Minuten später rief der amerikanische Kommandeur an und ließ sich den Zwischenfall berichten. Er wollte auch wissen, ob der Präsident an Bord war, was ich verneinen konnte. Aber die Geschichte dürfte das arme Schwein noch eine Weile verfolgt haben.

Andreas Fecker