Mensch, Tier, Natur, alles Leben auf Erden, aber auch Wirtschaft, Politik, Freizeit und Reisen sind Wechselwirkungen ausgesetzt. Alles hängt zusammen in diesem globalen System. Verändert man das Gleichgewicht an einer Stellschraube, bleibt das in anderen Bereichen nicht ohne Folgen. Wir erleben das beim Klimawandel und der Erwärmung der Meere. Und das nicht erst seit den vergangenen zehn Jahren, in denen die Klimaforschung vor desaströsen Folgen warnt. Schon seit den 1970 Jahren hat man das in Grönland gespürt. Die fast unbemerkte Erwärmung der Gewässer rund um die größte Insel der Welt zwang die Robben weiter nach Norden auszuweichen. Die Robbe war die Lebensgrundlage der Grönländer. Ihr nahrungsreiches Fleisch lieferte den Menschen der Arktis die Energie, in der harten Natur zu überleben, ihr Fell schützte vor Kälte, der Tran sorgte für das Licht in den langen Winternächten.
Doch die Meereserwärmung bot dem Kabeljau und dem atlantischen Lachs ein neues Habitat. Die Grönländer wandten sich fortan verstärkt dem Fischfang zu. Und jetzt komme ich zu dem in der letzten Luftpost erwähnten Bing Crosby, seinen „Jingle Bells“ und seinem „White Christmas“. Der amerikanische Schlagersänger und Filmschauspieler war nämlich passionierter Sportfischer. Zu jeder Gelegenheit flog er mit einigen seiner Millionärsfreunden zu seiner Blockhütte an einem See im Norden Kanadas. Auch einflussreiche Politiker waren seine Gäste. Über die Jahre stellte er fest, dass der Lachsbestand in den Flüssen und Seen der kanadischen Wildnis abnahm. Schuldige waren schnell gefunden: Die Grönländer fischten die Lachse ab! How dare they! Bing Crosby nutzte seine Popularität und forderte den Kongress auf, über die kanadische Regierung Druck auf Dänemark auszuüben, den Grönländern den Fischfang zu verbieten! Wütend verbot die dänische Regierung stattdessen den Verkauf von Bing Crosbys Platten in ihrem Land. Den Sänger störte das jedoch wenig, seine Platten erfreuten sich weltweiter Beliebtheit. Er bearbeitete verstärkt seine politischen Freunde.
Im Februar 1971 setzte der US-amerikanische Kongressabgeordnete Richard Buck ein Embargo gegen Produkte von Staaten durch, die in den Gewässern rund um Grönland fischten. Das traf unter anderem die Norweger. Henry Kissinger fürchtete inzwischen um den Zusammenhalt der NATO und verstärkte den Druck auf Dänemark über vertraute Kanäle. 1972 knickte zuerst die dänische Regierung ein, zwei Monate später gaben auch die Norweger nach. Schließlich traf es auch die Kanadier selbst, die ihre Netze nicht mehr in Gewässern zwischen Grönland und Kanada auslegen durften.
Als meine Frau und ich im Winter 1974 nach Grönland reisten, war der Lachskrieg noch in vollem Gang. Die Grönländer waren nur noch mit 6% am lebenswichtigen Fischfang in ihren eigenen Gewässern beteiligt. Kein Wunder, dass man dort auf Bing Crosby, auf Jingle Bells, Mele Kalikimaka und alle seine anderen Weihnachtsschnulzen schlecht zu sprechen war. Fröhliche Weihnacht heißt auf grönländisch übrigens „Juullimi Pilluaritsi„. Wenn schon, denn schon, Mr. Crosby!
Andreas Fecker