Luftpost 462: White Christmas

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Fortbewegung auf Kufen, unser Autor in Alaska – Foto: Eric Schmitt, Anchorage

Besonders zur Weihnachtszeit können sich Fluggäste auf amerikanischen Flughäfen vor der Dauerberieselung mit „Jingle Bells“, „I’ll be home for Christmas“, „Winter Wonderland“ und „White Christmas“ nicht retten. Angesichts der weihnachtlichen Schneekatastrophe in den USA um den 24. Dezember 2022 und zigtausend gestrichenen Flügen, geschlossenen Bahnhöfen, vereisten Straßen, Temperaturen von minus 40 Grad und darunter, Eisstürmen und großflächigen Stromausfällen dürften diese Songs nicht gut ankommen. Hundertausende von Passagieren sitzen auf Flughäfen zwischen Florida und Kanada fest, manche blieben auf den Zubringerstraßen in Massenunfällen stecken. Southwest Airlines alleine stornierte 15.750 Flüge, eine Million ihrer Passagiere verbrachten Weihnachten in den Flughäfen. Gepäck stapelte sich in zusätzlich angemieteten Hallen. Die wichtigsten Drehkreuze waren betroffen: Denver, Chicago, Las Vegas, Dallas, Nashville, Baltimore und Washington International. Da amerikanische Klimaleugner immernoch davon reden, die sogenannte globale Erwärmung sei ein Streich („Hoax“) der Demokraten um der Bevölkerung Angst einzujagen, dürfte diese Schneekatastrophe ein Schlag gegen den Kampf um die Emmissionsbegrenzung und den Klimawandel sein.

Die Flughäfen von Denver und Chicago sind aufgrund ihrer Fläche und dem hohen Verkehrsaufkommen die wahrscheinlich größte Herausforderung für die Schneeräumer in den USA – Foto: Denver International Airport

Die Flughafenbetreiber können aber nicht schulterzuckend resignieren. So waren die Schnee- und Eisräumbereitschaften Tag und Nacht im Einsatz, um wenigstens eine Chance zu haben, irgendwann einen Flugbetrieb wieder aufnehmen zu können. In Chicago zum Beispiel gilt es 21 Pistenkilometer in einer Breite zwischen 46 und 61 m, 83 km Rollwege und ca. 2 Millionen m² Vorfeldfläche von der weißen Pracht zu räumen. Dafür stehen 255 Schneepflüge und Radlader zur Verfügung. Für diesen Flughafen wurde spezielles Räumgerät entwickelt: Schneepflug, Fräse, Bläser und Bürste in einem Fahrzeug. Es bläst 7.500 Tonnen Schnee pro Stunde zwischen 25 und 50 m weit zur Seite, während die Trucks mit 50 km/h die Runway entlangfahren. Die Kehrfahrzeuge arbeiten sogar mit 65 km/h. Besonderes Merkmal dieser Fahrzeuge: sie haben auch an den Seitenscheiben beheizte Scheibenwischer. Aber die Schneemassen müssen auch irgendwohin! Elf mobile Schneeschmelzanlagen stehen zur Verfügung. Chicago O’Hare hat zusätzlich 133 externe Firmen unter Vertrag, die mit 150 Räumgeräten einspringen. 400 Fahrer arbeiten im Schichtdienst. 39 Mechaniker stehen bereit, um aufgetretene Schäden am Fuhrpark sofort zu reparieren.

Bing Crosby’s Welthit „I’m dreaming of a White Christmas” dürfte also ein Song sein, der den einen oder anderen der gestrandeten Zigtausend Passagiere zu Wutausbrüchen gebracht haben dürfte. Wie einst die Menschen in Grönland, wenn sie den Namen Bing Crosby hörten. Doch das ist Gegenstand der nächsten Luftpost.

Andreas Fecker