Luftpost 440: Landungen

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Foto: Fecker

Welches ist die kritischste Phase eines Fluges? Die Hälfte aller Flugunfälle passieren bei der Landung. Die Startphase ist nur mit etwa 20% bei Flugzeugunglücken vertreten. Fünf Prozent ereignen sich am Boden. Unterwegs und während des Sinkflugs vor der Landung passieren je ca. zwölf Prozent der Unfälle. Während des Fluges können sich die Piloten im Cockpit entspannen. Der Autopilot hält Höhe, Richtung und Geschwindigkeit. Erst bevor der Sinkflug zum Zielflughafen beginnt, steigt die Anspannung wieder. Der Luftraum füllt sich mit anderen Maschinen, die Kommunikation mit der Flugsicherung ist hochkonzentriert, jede Anweisung, jede Information, jedes Wort ist wichtig. Das Flugzeug muss zur Landung vorbereitet werden, die Aerodynamik konfiguriert, alle Systeme überprüft. Angespannt lauscht man auf den Sound der Triebwerke, überwacht die Anzeigen von Temperatur, Spritdurchfluss, Entfernung zur Piste, Höhe und Geschwindigkeit. Die Checklisten werden abgearbeitet, die Crew konzentriert sich auf die Piste, die irgendwo vor einem liegt, und die es zu treffen gilt, exakt in der Aufsetzzone. Dort soll das Flugzeug aufhören zu fliegen, aus dem Flugzeug wird wieder ein Bodenfahrzeug, das nun mit 250 km/h die Runway hinunterrast, und welches es abzubremsen gilt. In der letzten Phase spielt der Wind eine immer entscheidendere Rolle, besonders wenn er von der Seite kommt. Man hat schon Landungen erlebt, bei denen sich das Flugzeug fast rechtwinklig in den Wind stemmen musste, während es langsam in Richtung Piste driftet. Im letzten Augenblick erst muss dann das Fahrwerk mit der Piste ausgerichtet werden, damit die Räder das Flugzeug auf dem Asphalt halten können. In diesem Augenblick gilt es zu verhindern, dass ein Windstoß unter die Tragflächen fährt und die labile Maschine von der Bahn wirft. Dann spielt der Zustand der Piste eine Rolle, ist sie griffig, nass oder gar glatt? Wieviel tausend Fuß Ausrolldistanz habe ich beim Kampf gegen den Seitenwind verschenkt? Greifen die Bremsen, reicht der Umkehrschub?

In den allermeisten Fällen kriegt der Passagier nichts davon mit. Und moderne Flugzeuge verfügen über einen Landecomputer, der den Piloten die meiste Arbeit abnimmt. Besonders auf Ballermannflügen ist die Kabine mit flugunerfahrenen Nach-der-Landung-Klatschern besetzt, die meinen, es gehöre zum guten Ton, dem Captain nachträglich das Misstrauen auszusprechen („Donnerwetter, das hätte ich ihm gar nicht zugetraut“). Es gibt aber tatsächlich Fälle, in denen ein Applaus angebracht ist, zum Beispiel beim Qantas Flug QF32.
Gelegentlich steht beim Aussteigen der Passagiere der Captain in der geöffneten Cockpittüre und verabschiedet seine Kunden. Dazu wird eine nette Geschichte überliefert: Nach einer durch heftige Turbulenzen bedingten harten Landung fragt eine ältere Lady: „Captain, sind wir gelandet oder wurden wir abgeschossen?“
Andreas Fecker