Luftpost 441: Die Anreise Teil I

Werbung
„Einer trage des andern Last“ – Foto: Archiv Fecker

In den 1980er Jahren arbeitete ich auf dem Tower des Militärflughafens Decimomannu auf der Insel Sardinien. Nicht gerade der schlechteste Ort für eine hochwertige Work-Life-Balance. Außer man muss die Insel dringend verlassen. Ich verbrachte damals meine Jahresurlaube als Reiseleiter und Tourguide für ein Münchener Trekkingunternehmen. Für den Sommer 1987 hatte ich zugesagt, in München und Frankfurt 16 Kunden zu übernehmen, in die USA zu fliegen und eine dreiwöchige Trekkingreise durch Arizona zu führen. Es sollte der schwierigste Trip meines Lebens werden, denn schon die Anreise stand unter einem schlechten Stern. Mein Plan war, am Dienstagmorgen die Versorgungsmaschine von meinem sardischen Stützpunkt Decimomannu nach Landsberg zu nehmen, ein Militärflughafen unweit von München. Dann nach München zum Reiseveranstalter zu reisen, am Mittwoch in aller Ruhe acht Zwei-Mann-Zelte und Kochutensilien, Reiseapotheke, allen möglichen Outdoorkram in sieben Seesäcke zu verpacken und schließlich den ersten Teil der Gruppe zu treffen, der direkt nach München zum Flughafen Riem kam. Von dort sollte der Flug nach Frankfurt erfolgen, wo ich den Rest der Gruppe treffen würde. Dann Boarding in den Flieger nach San Francisco, und von dort weiter nach Las Vegas. Soweit der Plan. Ich hatte genügend Zeitpuffer vorgesehen. Und dann kam alles anders.

Montag. Die Transall der Luftwaffe landete pünktlich am Montagabend in Deci.
Dienstag. Morgens um 8 Uhr sollten wir nach Landsberg starten. Das war, als die Mechaniker ein Hydraulikleck entdeckten. Alles wieder aussteigen, das würde heute nichts mehr werden. Die Flugbereitschaft des BMVg würde eine Challenger mit Hydraulikspezialisten und Ersatzteilen schicken, die die Transall reparieren würden. Die Challenger würde sofort nach dem Abladen der Techniker wieder zurück nach Deutschland fliegen, allerdings nach Köln. Ich arrangierte, dass ich mitfliegen konnte, allerdings nach Köln. Von dort würde ich dann mit dem Zug nach München fahren. Soweit der geänderte Plan. Dann passierte es. Eine deutsche F-4 Phantom landete, bekam Bugradflattern, die Maschine kam von der Bahn ab, holperte über das Gras. Als sie auf eine gesperrte Verbindungsfläche krachte, riss das Bugrad ab. Dort waren gerade Bauarbeiten im Gange. Ein Arbeiter an einem Presslufthammer konnte sich noch retten, der Hammer steckte noch im Boden, als die Phantom zum Erliegen kam. Das linke Hauptfahrwerk bohrte sich neben dem Presslufthammer durch die Tragfläche. Menschen kamen keine zu Schaden. Aber der Flugplatz wurde erst einmal geschlossen. Die Challenger war noch irgendwo über dem Mittelmeer.

Nach einer halben Stunde entschied die italienische Flugplatzleitung, den multinationalen Übungsflugbetrieb wieder zuzulassen. Außer der deutschen Luftwaffe. Kein deutsches Flugzeug durfte starten. Wir sollten dafür sorgen, dass die Phantom geborgen wird. Hätten wir auch gerne. Hinter dem Tower war zu diesem Zweck ein von den vier ständigen Nutzernationen beschaffter Autokran von gigantischer Tragkraft geparkt. Der durfte aber nicht benutzt werden, weil die italienischen Platzbetreiber mit der letzten Leasingrate in Verzug waren. Schließlich stand die Landung der Challenger an. Der italienische Commander entschied, sie darf zwar rein, aber danach nicht wieder raus, bis die havarierte Phantom weg ist. Das nutzte mir gar nichts. Soweit mein Plan B.

Mittwoch Plan C war eine britsche VC-10 der Royal Air Force. Die durften starten, würde aber nach Wildenrath fliegen, eine RAF Basis bei Mönchengladbach. Dort betrat ich abends deutschen Boden. Öffentliche Verkehrsmittel von der abgelegenen Militärbasis zum Hauptbahnhof gab es keine. Also trampte ich in die Stadt zum Bahnhof. Irgendwann um Mitternacht war ich dann in München. Der Reiseveranstalter hatte mir ein Hotel gebucht und den Schlüssel für das Materiallager deponiert, denn am Donnerstag war Feiertag. Nach ein paar Stunden Schlaf fuhr ich mit dem Taxi in die Firma und begann hastig für 16 Personen zu packen. Mit zwei Taxis fuhr ich dann zum Flughafen. Ich wuchtete die sieben Säcke plus meinen eigenen auf einen Gepäckwagen und schob ihn ins Terminal. Da stoppten mich zwei Grenzschützer. „Was haben wir denn da?“ „Zelte, Küche, Campingzeug.“ „Dann packen Sie doch bitte mal alles aus.“ Geduldig breitete ich eine Zeltplane auf dem Boden aus und begann mehrere Seesäcke zu entleeren. Nach dem dritten oder vierten Sack sagt einer „Okay, okay. Sie können alles wieder einpacken.“ Ich kniete auf dem Boden zwischen all den Sachen und antwortete: „Wissen Sie, eigentlich sollte ich sauer sein. Bin ich aber nicht. Ich weiß Ihre Arbeit nämlich zu schätzen.“ Spontan reagierte einer der BGS-Beamten: „Und weil Sie so anständig sind, helfen wir Ihnen jetzt.“

Später, im Laufe der Reise gestand mir eine Kundin: „Als wir Dich vor dem Abflug getroffen haben, sagte wir untereinander, „Das kann ja eine Reise werden. Der Typ ist ja jetzt schon total fertig!“ Dabei waren die Hindernisse, die ich bis zum Start nach Frankfurt zu überwinden hatte, nichts – aber auch gar nichts gegen das, was noch folgte. Doch das erzähle ich nächste Woche.

Andreas Fecker

Eine Antwort zu “Luftpost 441: Die Anreise Teil I”

  1. Dr. Jörg Heyer sagt:

    Starker Cliffhanger, Andy!