Luftpost 379: Zeitenwende – Reloaded

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Dies ist die Neubewertung der Luftpost 322, „Zeitenwende“, verfasst vor einem Jahr, am 1. Mai 2020. Damals versuchte die IATA noch die Luftfahrtindustrie zu beruhigen, man könne den Betrieb in ein paar Monaten wieder aufnehmen. Mittlerweile rechnet man mit einer „Normalisierung“ nicht vor 2024. Trotzdem warnen Experten, dass die Zahlen aus der prä-coronaren Zeit nicht mehr erreichbar sein werden. Das ist eine bittere Erkenntnis für alle, deren Jobs direkt oder indirekt von der Luftfahrt abhängen, vom Logistiker bis zum Gebäudereiniger. Die Air Transport Action Group in Genf rechnet vor, die Pandemie könnte weltweit zumindest zeitweilig 46 Millionen der 66 Millionen Luftfahrt-Jobs kosten. Auch im Tourismusgewerbe in Zielländern rechnet man mit 26 Millionen Jobverlusten, weitere 15 Millionen betreffen Zulieferbetriebe.

Ereignisse, die die Luftfahrtindustrie stark beeinflussten. – Grafik: Fecker

Ausgangs des letzten Jahrhunderts wuchsen die Passagierzahlen alle zehn Jahre in Milliardenschritten, so dass sich Airbus ermutigt sah, den A380 aufzulegen. 2007 wurde er in Dienst gestellt. Besonders Emirates Airlines rechnete sich mit dem Flugzeug aus, Passagierströme über Dubai führen zu können. Emirates bestellte deshalb 162 (!) dieser Dickschiffe. Die Idee dahinter war natürlich eine umsatzreiche Reiseunterbrechung im Luxusemirat, Einnahmen aus dem größten Dutyfree Shop der Welt,  und ein Weiterflug-Angebot zu Fernzielen von Australien und Neuseeland über Südostasien, Indien bis Japan. Viele große Airlines sprangen auf den Trend auf. Als dann 2019 die Corona-Krise begann, wurden genau diese Riesenvögel als erstes stillgelegt und bald darauf abgestoßen. Während sich frühere Krisen wie 9/11 oder SARS nur in kleinen Wachstumsdellen niederschlugen, kollabierte dieses Mal gleich der ganze Weltmarkt. Der Passagierverkehr brach um 90 Prozent ein. Kaum jemand wagt derzeit eine seriöse Prognose, wie es weitergeht. IATA und Luftfahrtunternehmen äußern zwar Zuversicht (Zweckoptiminsmus?) bis 2025, andere Beobachter haben ernsthafte Zweifel. Alles hängt davon ab, wie die Welt die Pandemie mit all ihren Varianten und Mutanten (ooops!) in den Griff bekommt, und wie geduldig und vernünftig die Bevölkerung in den verschiedenen Regionen sein wird. Wo religiöse Rituale oder fanatische Fankulturen die Inzidenzen hochtreiben, entstehen neue Herde. Dank unserer weltweiten Vernetzung schwappen diese über Grenzen und Kontinente hinweg.

Singapore Airlines war Erstkunde beim Airbus A380 – Foto: Andreas Fecker

Allzu oft ließen Wachstumsoptimismus die Bäume schon in den Himmel wachsen. Flugzeuge, sogar im Überschallbereich wie die Concorde wurden prognosengerecht entwickelt, Flotten geplant, Personal eingestellt und geschult, Freizeit- und Erlebnisangebote entwickelt, Hotels und Flughäfen erweitert, um dann von einer ganz anderen Realität erwischt zu werden. Die Neue Züricher Zeitung prophezeiht: Unternehmen werden nach der Krise zumindest schon mal auf viele Geschäftsreisen verzichten müssen. Angestellte werden im nüchternen Home-Office bleiben, denn die virtuellen Möglichkeiten haben einen grossen Effizienzgewinn mit sich gebracht. Airlines, Hotels oder Innenstadtlokale müssen sich anpassen, wenn sie überleben wollen.

Andreas Fecker

2 Antworten zu “Luftpost 379: Zeitenwende – Reloaded”

  1. Dithmar sagt:

    … da trifft es sich „gut“, dass gerade über A. Feckers Kolumne eine Anzeige über Lokführer (M/W/X) geschaltet ist. Mit freundlichen Grüßen

  2. Peter Längle sagt:

    Hallo Andy,
    Deinen Bericht habe ich mit Interesse gelesen.
    Ich bin gespannt, wie es in der Luftfahrt weitergeht. Ich glaube, der Luftverkehr war in den letzten Jahren stark überhitzt und pendelt sich nun möglicherweise auf einem tieferen = vernünftigeren = stabileren Niveau ein. Es kann ja auch nicht gesund sein, dass man für einen Apfel und ein Ei sinnlos in der Gegend herumfliegt und das Einmalige am Fliegen fast so alltäglich wird wie ein WC-Besuch.
    Liebe Grüße
    Peter