Luftpost 375: Quarantäne

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Archiv Fecker

Die Quarantäne ist ein Damokles Schwert für jeden Urlauber. Sie ist geeignet, ihm jegliche Urlaubsfreude zu vermiesen. Manchmal sind es Einreise-Bestimmungen im Urlaubsland, die sich über Tagesfrist ändern können. Ist es nicht großartig, nach dem Einchecken das Hotel eine Woche lang nicht verlassen, das abgespeckte Frühstücksbüffet nur einzeln und mit Maske inspizieren zu dürfen? Aus früheren Jahren hatte man das Büffet vielleicht für seine Üppigkeit in Erinnerung! Und kaum ist die Quarantäne vorbei, entdeckt man, dass der halbe Urlaubsort geschlossen ist, und um 19 Uhr ist womöglich Sperrstunde. Von da an nagt die Ungewissheit: Was erwartet mich bei der Rückreise? PCR-Test nicht älter als 48 Stunden, in überfüllten Testzentren am Urlaubsort zum Wucherpreis von 150 Euro? Und dann bin ich noch immer nicht zuhause in den eigenen vier Wänden! Hat mein Arbeitgeber Verständnis oder sieht er meine Reise als grobe Fahrlässigkeit? Also, ich für meinen Teil lasse es nicht darauf ankommen. Mir ist die Zeit zu kostbar, um sie in einem Hotelzimmer zu vergammeln und dafür auch noch Geld zu bezahlen.

Diese Gedanken braucht sich der Dienstreisende erst mal nicht zu machen, denn seine Reise ist ja nicht freiwillig. Trotzdem ist auch das alles andere als angenehm. Sogar die Flugzeugbesatzungen werden schon mal wie Aussätzige behandelt: „Wenn wir zum Beispiel nach Bangkok, Hongkong oder Singapur  fliegen, werden wir direkt aus dem Flugzeug durch den Flughafen zum Hintereingang des jeweiligen Flughafenhotels geleitet und müssen DIREKT aufs Zimmer. Dies dürfen wir nicht mehr verlassen, bis wir abfliegen. Auch wenn der Abflug erst in drei Tagen sein sollte. Essen bekommen wir aus der Hotelküche, lauwarm und in Plastikverpackung, bzw. auf Plastiktellern samt Plastikbesteck vor die Tür auf einen Stuhl gestellt. Man hat panische Angst davor, dass wir Viren in das Land bringen könnten. In Bangkok müssen wir sogar für den Weg zwischen Rezeption und Zimmer Schuhüberzieher tragen, damit wir ja den Teppich im Flur nicht „verseuchen“. Und über dem Zimmerteppich liegt Linoleum – Der Geruch von Sagrotan & Co hängt überall.“

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One Night in Bangkok! Müllsäcke zur Entsorgung von Speiseresten. Die Mahlzeiten müssen in diesem Hotel im Zimmer eingenommen werden. – Alle Fotos J. Fischer

Der Begriff Quarantaine de jour (40 Tage) hat ihren Ursprung in der Zeit der Pest, als Venedig Schiffen aus pestverseuchten Ländern vierzig Tage lang die Hafeneinfahrt verweigerte. Der Zeitraum geht auf Hippokrates zurück, der entdeckt haben will, dass es nach 40 Tagen einen Wendepunkt im Verlauf einer Krankheit gibt. Im Laufe der Jahrhunderte wurde dieser Sicherheits-Zeitraum von Krankheit zu Krankheit zwar verkürzt, das Wort allerdings beibehalten. Jeder Staat regelte das selbst. Australien hat im vergangenen Jahr seine eigenen Bürger einfach nicht ins Land gelassen. Die hockten dann um die Welt verteilt in Hotels, mit abgelaufenen Visa, überzogenen Konten und ließen nichts unversucht, einen der wenigen Flüge ins Down Under zu ergattern. Dasselbe erleben gerade wieder Australier, die sich beruflich oder privat in Indien aufhalten.

Aber eines müssen wir uns eingestehen: Nur die Länder sind inzwischen Corona-frei, die zumindest zeitweise einen brutalen Quarantänekurs mit konsequenten Ausgangsbeschränkungen und untergeordnetem Datenschutz gefahren haben. Beispiel Taiwan, Portugal, Australien, Neuseeland und Singapur. Und natürlich – impfen, impfen, impfen.

Derzeit besteht wieder Grund zur Hoffnung, dass wir die dritte Welle überstehen, die Inzidenzen drücken, und bis Ende dieses Jahres mit einem halbwegs normalen Leben rechnen können, ohne dass alles wieder von vorne anfängt. Es steht und fällt mit der Geduld, Vernunft und Eigenverantwortung von jedem von uns Bürgern, nicht mit der Kakophonie von sechzehn wahlkampfbewegten Ministerpräsidenten.

Andreas Fecker

4 Antworten zu “Luftpost 375: Quarantäne”

  1. Karl Seiler sagt:

    Lieber Andreas, weil meine drei Jüngeren Enkel mit ihren Eltern seit eineinhalb Jahren in Singapur leben und dort alle die German European School Singapur GESS besuchen bzw. dort unterrichten. kenne ich die Situation dort etwas detaillierter:
    Die Quarantäneregelungen sind strikt und klar, aber nicht brutal – weder roh, gefühllos und gewalttätig, noch schonungs- oder rücksichtslos.
    Ausgangsbeschränkungen gibt es innerhalb des Stadtstaates k e i n e und die Schule war in den letzten 15 Monaten genau drei Wochen geschlossen.
    Der Datenschutz wird durchaus beachtet, aber nicht übertrieben: Die (seit 20. März 2020 funktionierende) App Trace Together haben inzwischen 65 Prozent der Singapurianer auf ihrem Smartphone und weitere 30 Prozent (auch meine Enkel) nutzen ein kostenloses Token mit den gleichen Funktionen. Dabei funktioniert die App ohne GPS und ermöglicht keine „Bewegungsprofile“, speichert aber mögliche Kontakte für 29 Tage und diese können nicht nur von der Gesundheitsbehörde ausgelesen werden – sie werden notfalls auch von Amts wegen benachrichtigt und Singapur verlässt sich damit nicht auf eine „freiwillige“ Aktion. Seit 5. Januar ist auch bekannt, dass die Polizei in schweren (!) Kriminalfällen auf die Daten zugreifen darf – und dies in den ersten acht Monaten einmal machte!
    Auf dem Smartphone mit der App oder dem Token ist ein QR-Code angebracht, der mit den Daten des Personalausweises NRIC (National Registration Identity Card) – den auch in Singapur lebende Ausländer haben – verknüpft ist. Ein- und Auslesen dieses QR-Codes ermöglicht die einfache Registrierung beim Besuch von Geschäften, Restaurants, Freizeiteinrichtungen und Behörden – die alle geöffnet sind! Mißbrauch der App-Daten ist mit ca. 3.000 € Geldstrafe oder Haft bedroht.
    Schließlich wird am 26. Mai auch die (schon sechs Monate geplante) Air Travel Bubble ATB starten, die zuerst einmal Quarantäne-freies Reisen zwischen Singapur und Hongkong erlaubt.

    • Andreas Fecker sagt:

      Danke für die Details. Die Wortwahl ist natürlich unglücklich. Streiche für diese Länder „einen brutalen Quarantänekurs“ und setze „einen konsequenten Quarantänekurs mit Ausgangsbeschränkungen und untergeordnetem Datenschutz“.

      • Karl Seiler sagt:

        NIX FÜR UNGUAT – hoffe jetzt nur, dass ich wenigstens im Herbst noch einmal nach Singapur komme und der LPC vielleicht 2022 wieder Aktivitäten starten kann.

  2. Andreas Fecker sagt:

    Bildnachtrag zur Quarantäne: „One night in Bangkok“