Luftpost 367: Howard Hughes

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Foto: Archiv Fecker

Howard Hughes war einer der reichsten Männer der Welt. Er hatte das Glück mit der Hughes Tool Company eine Gans zu besitzen, die goldene Eier legte. Das Geld, das er mit seinen verschleißresistenten Ölbohrköpfen verdiente, steckte er in seine mannigfaltigen Projekte, vom Fliegen, zum Flugzeugbau, zur Airline, zur biomedizinischen Forschung, zum Filmgeschäft, das ihm mehrere Oskar-Nominierungen bescherte. Er entwickelte für die CIA sogar ein Tiefsee-Uboot, um ein vor Hawaii gesunkenes russisches Uboot zu bergen.

Er kaufte die Transcontinental & West Airline, machte die TWA daraus und führte sie fast 30 Jahre lang. Hughes lieferte auch die Grundidee zur Lockheed Constellation. Er kaufte die Air West und machte die Hughes Airwest daraus. Aus ihr entstand die Republic, die allerdings der Deregulierung zum Opfer fiel. 1937 stellte er auf der Strecke von Los Angeles nach New York City in 7 Stunden, 28 Minuten und 25 Sekunden einen neuen Rekord auf. Im darauf folgenden Jahr flog er in 91 Stunden um die Welt. Allerdings nicht entlang des Äquators, sondern ziemlich weit nördlich, was die Strecke verkürzte.

Sein interessantestes Vermächtnis aber entstand durch den Uboot Krieg 1942, mit dem die Deutsche Marine den Nachschub über den Atlantik unterbrach. Nachdem die USA gerade wieder mehrere Handelsschiffe verloren hatten, schlug ein Reeder namens Henry Kaiser vor, die Truppen mit großen Flugzeugen über den Atlantik zu transportieren. Die beiden gründeten die Hughes Kaiser Corporation und erhielten einen 18 Millionen Dollar Vertrag vom Staat, drei Flugzeuge zu entwickeln, mit denen man jeweils 750 Soldaten über den Atlantik fliegen kann. Es gab aber noch eine weitere Bedingung: Das Flugzeug musste aus Holz gebaut werden, da Metall zu kriegswichtig war.

Unter Zeitdruck wurde also ein Flugboot von einer Größe entwickelt, die man sich bis dahin noch nicht vorstellen konnte. 8 Motoren mit je 3.000 PS sollten den Giganten antreiben. Die „Spruce Goose“ würde lange Zeit das größte Flugzeug der Welt bleiben. Hughes ließ eine neue Technik der Steuerkraftübertragung entwickeln. Bewegungen der Steuersäule wurden hundert- bis tausendfach verstärkt. Für die Holzverkleidung benutzte er eine Art von formbarem Sperrholz, das sich als leichter und stärker als Aluminium erwies.

Aber all die akribische Forschungsarbeit, die in das Projekt ging, hielt natürlich den Fortgang der Arbeit auf. 1944 stieg Henry Kaiser aus dem Projekt aus, weil ihm Hughes zu pedantisch wurde und die Pläne stets aufs Neue überarbeitete. Der ehrgeizige Milliardär investierte weitere Millionen von seinem eigenen Vermögen. Nach Kriegsende unterstellte man ihm in Washington, die Spruce Goose wäre ein Abschreibungsprojekt gewesen, ein vorsätzlich herbeigeführter Flop. Howard Hughes wurde vor ein Senats-Hearing geladen. Mittlerweile hatte das Team des genialen Konstrukteurs das Flugboot am Trockendock von Long Beach zusammengebaut. Der Milliardär fuhr wütend nach Los Angeles zurück, befahl, dass man das Flugboot zum ersten Schwimmtest unter eigener Motorkraft fertig machen sollte. Am 2. November 1947 setzte er sich selbst ans Steuer. Die ersten beiden Tests verliefen erfolgreich. Beim dritten Anlauf setzte er die Klappen auf 15 Grad und hob den Riesenvogel aus dem Wasser. Eine Meile weit flog er, 30 Meter über dem Wasser, und bewies der Welt, dass seine Konstruktion funktionierte.

Die Hughes H-4 „Spruce Goose“ – Foto: gemeinfrei

Doch es gab keinen Bedarf mehr für das Riesenschiff, also ließ es Hughes im Hafen von Los Angeles in dem eigens dafür gebauten Hangar liegen, befahl aber, dass es zu jederzeit startklar gemacht werden könne. Das kostete ihn eine Million Dollar pro Jahr. Als Hughes 1976 starb, ging die Spruce Goose an eine gemeinnützige Einrichtung und war fortan neben der Queen Mary von der Allgemeinheit zu besichtigen. 1990 wurde das Flugboot nach McMinnville (Oregon) transportiert. Dort ist es mittlerweile der Star des Evergreen Aviation Museums in einer eigens gebauten Ausstellungshalle.

Die Technologie der Dämpfer und Actuator, der Servomotoren, der tausendfach verstärkten Kräfte wurde damals entwickelt. Seither hat man das natürlich verfeinert und verkleinert, aber so entstand ein ganz neuer Approach für den Bau großer Flugzeuge. Die Hughes Aircraft Company mit all ihren zahlreichen Tochterfirmen wuchs zum größten privaten Luftfahrt- und Rüstungskonzern der USA. Nach seinem Tod kaufte Boeing viele davon auf.

Um Steuern zu sparen investierte Hughes in Las Vegas. 1966 zog er dazu ins Desert Inn und mietete die beiden obersten Etagen. Als man ihn nach zehn Tagen wegen der bevorstehenden Ankunft von Stammgästen für Sylvester rausschmeißen wollte, kaufte er kurzerhand das ganze Hotel. Zwei Jahre lang verließ er sein 23 m² großes Schlafzimmer nicht. Er war in dieser Zeit stets unbekleidet und ließ auch kein Hotelpersonal in sein Zimmer. Er kaufte auch noch die Hotelcasinos Landmark, New Frontier, Castaways und Sands. Und weil die Leuchtreklame des Silver Slipper Casinos  in sein Schlafzimmer schien, kaufte er es kurzerhand und ließ den Strom abstellen.

Der umtriebige, vielseitig talentierte Milliardär war ein lebendes Beispiel dafür, dass Genie und Wahnsinn dicht beieinander liegen. Seine Angst vor Bakterien äußerte sich in sonderbaren Marotten. Gegenstände, die er anfassen wollte, mussten von sieben Mormonen zuvor mit Papiertaschentüchern bedeckt werden, er hörte auf, sich zu waschen und ließ sich die Haare nicht mehr schneiden. Niemand durfte ihn ansprechen.

Er wurde am 24. Dezember 1905 geboren und sagte im Alter von 20 Jahren zu seinem väterlichen Freund und Generalbevollmächtigtem Noah Dietrich: „Mein erstes Ziel ist es, der beste Golfspieler, zweitens der beste Flieger und drittens der berühmteste Filmproduzent der Welt zu werden. Und dann will ich, dass Sie mich zum reichsten Mann der Welt machen“. Howard Hughes wurde 71 Jahre alt. Er hatte 71 Jahre auf der Überholspur gelebt. Er mag zwar nicht der reichste Mann der Welt gewesen sein, aber er gehörte ganz sicher dazu. Jedenfalls war er zielstrebig. Und er hat der Luftfahrt der Welt ein Erbe hinterlassen, von dem Boeing und andere Hersteller noch heute profitieren. Aber psychisch war er ein Wrack, seine Angst vor Bakterien fraß ihn auf. Seine Fingerspitzen hatte er mit Zellophan umwickelt. Als er 1976 an Krebs und Organversagen auf einem Flug in seinem Privatjet nach Texas starb, wog er trotz seiner stattlichen Körpergröße von 1,93 m nur noch 46 kg.

Andreas Fecker

2 Antworten zu “Luftpost 367: Howard Hughes”

  1. Schlatt sagt:

    Wow, ganz toller Typ, wenn auch etwas überdreht. Ist wohl der von dem Film Aviator mit DiCaprio

    • Andreas Fecker sagt:

      In der Tat. Ich hatte in den 1970er Jahren das Buch von Noah Dietrich über Howard Hughes gelesen und war beeindruckt, wie gut der Film gemacht war. Ich könnte noch viele weitere Episoden über den Mann erzählen, aber das würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen.