Luftpost 362: Vulkanasche

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Andreas Fecker

Am 24. Juni 1982 durchflog eine Boeing 747 der British Airways auf dem Flug nach Neuseeland unweit von Jakarta in der Dunkelheit in 11.000 m Höhe eine Wolke aus feiner Vulkanasche. Die Asche erstickte die Verbrennung in allen vier Triebwerken. Sie ließen sich auch nicht wieder starten. Der Jumbo hat eine Gleitflugfähigkeit von 15 km pro 1.000 m Höhe. Das Flugzeug wäre also in der Lage gewesen, antriebslos etwa 160 km weit zu segeln. Allerdings würde man im Kurvenflug mehr Höhe verlieren, was die Strecke verkürzen würde. Die Verständigung mit Jakarta war schwierig und missverständlich. So war die indonesische Flugsicherung der Auffassung, dass Triebwerk Nummer vier ausgefallen sei, und nicht alle vier Triebwerke. Die Kabinenluft wurde immer schlechter und dünner, die Sauerstoffmasken fielen von der Decke. Der Copilot bemerkte, dass seine Maske defekt war. So entschloss sich der Käpten, die Sinkgeschwindigkeit zu erhöhen, was auf Kosten der verbleibenden Strecke ging. Radarunterstützung war von Jakarta nicht zu bekommen. In 4.000 m Höhe versuchte die Crew nochmal, die Triebwerke zu starten, diesmal gelang es zumindest bei Nummer 1, 3 und 4. Allerdings liefen die Triebwerke nicht rund. Zu allem Überfluss war der Gleitwegsender des Instrumentenlandesystems von Jakarta Airport defekt, der Jumbo musste weitgehend nach Sicht gelandet werden. Das gestaltete sich aber schwierig, weil die Vulkanasche die Frontscheiben verkratzt hatte. Nur ein kleines Eck oberhalb des Scheibenwischers erlaubte klare Sicht nach außen. Der Käpten landete das Flugzeug halb im Stehen!

Während bei modernen Mantelstromtriebwerken bis zu 80 Prozent der Luft in den Nebenstrom gehen, der das Flugzeug letztendlich vorantreibt, gehen 170 Kubikmeter pro Sekunde durch den Verdichter in die Brennkammer. Wenn diese Luft nun vulkanischen Auswurf mitführt, der aus Asche und Sand mit einem Schmelzpunkt von 1100° Celsius besteht, schmilzt dieser in der 1400° Celsius heißen Brennkammer und haftet an den kühleren Triebwerkschaufeln und an den Brennerdüsen an. Diese Anhaftungen stören nicht nur den Fluss der Luftströme, sie verstopfen auch die Kühlbohrungen der Turbinenschaufeln. Das führt in kürzester Zeit zu Leistungsverlust und zu hoher Turbineneintrittstemperatur und schließlich zur Abschaltung des Triebwerks.

Endlich zogen die Verantwortlichen ihre Lehren. Immerhin gibt es 1500 tätige Vulkane weltweit, 30 alleine in Kamtschatka, 40 in Alaska.  Nach dem Zwischenfall in Indonesien wurden Lufträume rund um Vulkanausbrüche großräumig geschlossen. So auch in Alaska, wo der Mount Redoubt ausgebrochen war. Am 15.12.1989 geriet trotzdem ein KLM-Jumbo in seine Aschewolke. Es war der erste Flug, der das Gebiet nach dem Ausbruch wieder durchfliegen durfte, nachdem die örtliche FAA die Gefahr als gering einschätzte. Viel zu früh, wie sich zeigen sollte, und selbst die Piloten im Cockpit hatten die Gefahr unterschätzt.

Auszug aus der Tonbandabschrift:
Pilot — »KLM 867 heavy is reaching flight level 250 heading 140.«
Anchorage Center— »Okay, Do you have good sight on the ash plume at this time?«
Pilot — »Yeah, it’s just cloudy, it could be ashes. It’s just a little browner than the normal cloud.«
Pilot — »We have to go left now…  it’s smoky in the cockpit at the moment, Sir.«
Anchorage Center— »KLM 867 heavy, roger, left at your discretion.«
Pilot — »Climbing to level 390, we’re in a black cloud, heading 130.«
Pilot — »KLM 867 we have flame out all engines and we are descending now!«
Anchorage Center— »KLM 867 heavy, Anchorage?«
Pilot — »KLM 867 heavy, we are descending now. . . we are in a fall!«
Pilot — »KLM 867, we need all the assistance you have, Sir. Give us radar vectors please!«

Nach der Landung mussten alle vier Triebwerke und die Frontscheiben ausgetauscht werden. In jedem der Triebwerke hatten sich ca. 80 kg Asche angesammelt. Der Schaden am Flugzeug belief sich auf 80 Millionen Dollar. Die ICAO richtete daraufhin weltweit neun Volcanic Ash Advisory Centers ein, die sich um nichts anderes zu kümmern hatten, als sämtliche Vulkane der Welt zu überwachen und den Zug der Asche vorherzusagen. Versuche haben gezeigt, dass schon bei einer konstanten Konzentration von nur einem Milligramm Aschepartikel pro Kubikmeter Luft immerhin zehn Gramm Vulkanasche pro Minute ins Triebwerk gelangen. Berücksichtigt man nun, dass der Luftdurchsatz eines zivilen Großtriebwerks wie dem CF6-80 zwischen 1.000 und 1.300 Kubikmeter pro Sekunde beträgt, kann man sich vorstellen, welche Auswirkungen selbst kleinste Aschepartikel haben können.

Es gab viel Polemik besonders von Seiten der Airlines, als nach Ausbruch des Eyjafjallajökull die europäischen Verkehrsminister ab dem 15. April 2010 den Luftraum über Europa für fast einen Monat immer wieder schlossen. Fast der gesamte Weltluftverkehr war damals davon betroffen. Diese Maßnahme war von Vorsicht, viel Unsicherheit und mangelnden Forschungserkenntnissen geprägt, aber auch durch die vergangenen Erfahrungen von British Airways und KLM. Denn auch wenn ein einmaliges Durchfliegen der Wolke mit geringer Aschekonzentration nicht zu einem Aussetzen der Triebwerke führen würde, so kumulieren die Anhaftungen bei wiederholten Starts und Landungen womöglich doch und führen zu den oben beschriebenen Ausfällen. Ganz sicher ist, dass die winzigen Kühlbohrungen an den Schaufeln mit der Zeit verstopfen und langfristig zu Hitzeschäden führen.

Grafik: Volcanic Ash Advisory Center (VAAC) – Grafik: Public Domain

Die ICAO baute 1993 ein globales Netzwerk von Volcanic Ash Advisory Centers (VAAC) auf, das in ihrer jeweiligen Region die Vulkantätigkeit überwacht und den internationalen Luftverkehr rechtzeitig warnt. Das hat dann Einfluss auf Überflug- und Anflugrouten. Das für Europa und Afrika zuständige VAAC Toulouse warnte erst Ende Januar dieses Jahres nach einem Ausbruch des Ätnas vor Vulkanasche:

ETNA – 2021-01-18 20:52 utc
VA ADVISORY
DTG: 20210118/2052Z
VAAC: TOULOUSE
VOLCANO: ETNA 211060
PSN: N3744 E01500
AREA: ITALY
SUMMIT ELEV: 3330M
ADVISORY NR: 2021/10
INFO SOURCE: INGV, VONA AND WEBCAM
AVIATION COLOUR CODE: RED
ERUPTION DETAILS: ERUPTION AT 20210118/2021Z ASH FALLOUT IS REPORTED ON FLERI
OBS VA DTG: 18/2021Z
OBS VA CLD: SFC/FL130 N3745 E01500 – N3730 E01515 – N3730 E01445 – N3745 E01500 MOV S 15KT

Ätna – Foto: NASA

Andreas Fecker
(Mit einem Auszug aus „Strahltriebwerke“ im Motorbuchverlag)

Eine Antwort zu “Luftpost 362: Vulkanasche”

  1. Andreas Fecker sagt:

    Eruption des Ätna vom 16. Februar 2021
    https://www.youtube.com/watch?v=kNVPYgygVEU