Luftpost 328: Beinahe-Absturz

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Foto: Fecker

Turbulenzen sind im Luftverkehr üblich. Über Jahre hinweg waren alle Zeichen auf Wachstum gestellt. Die Flugzeugbauer hatten volle Auftragsbücher, der Rückstau reichte auf Jahre hinaus, um die Belegschaften in Toulouse und Seattle zu beschäftigen. Die Zulieferindustrie boomte, Airbus konnte von den beiden Max-8-Unglücken von Boeing profitieren. Fliegendes Personal trat fast jährlich in den Streik, um seine Teilhabe am Reiseboom zu fordern. Und dann kam dieses beschissene kleine Virus und stellte die ganze Welt auf den Kopf. Airlines standen still, motteten ihre Flotten ein, schalteten auf Notbetrieb. Bestellungen wurden storniert, um Staatshilfen oder Kredite gebettelt. Crews verzichten auf Gehalt, um ihre Jobs zu retten. Von 22.000 Entlassungen ist bei der Lufthansa die Rede. Regierung, Airline, Mitarbeiter und Gewerkschaften verhandeln derzeit über verschiedene Szenarien.

Arabischen Fluggesellschaften standen im Ruf, Piloten und Cabin Crews bessere Bezahlung bei besseren Bedingungen zu bieten. Dazu lebte man auch noch steuerfrei in einem luxuriösen Firmenapartment in Abu Dhabi, wo das Benzin bekanntlich billiger ist als Trinkwasser. Doch vielen von ihnen flatterte nun ein Brief ins Haus, der sich las wie ein böser Traum, vor allem was die Fristen betrifft. Solch ein Schreiben liegt mir vor, datiert vom 9. Juni 2020. Darin wird die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses ausgesprochen. Die Kündigungsfrist läuft ab dem 15. Juni 2020 und beträgt 90 Tage. Am 13. September 2020 ist also Schluss. Bis zu diesem Tag wird das Gehalt noch bezahlt. Der nächste Vorgesetzte würde entscheiden, ob der Arbeitnehmer in dieser Zeit noch fliegerischen Dienst zu leisten hat. Ein Einspruch gegen diese Kündigung sei nicht möglich.

Weiter im Text: Am letzten Arbeitstag verfällt auch das Arbeitsvisum in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Innerhalb von 29 Tagen muss der Empfänger dann ausreisen. Sollte dies wegen Einreise- und Quarantänebestimmungen im Heimatland nicht möglich sein, wird das Visum nur solange verlängert, bis die Ausreise möglich ist. Das Gehalt reduziert sich in dieser Zeit auf 25% der letzten monatlichen Grundbezüge.

Ist es nur ein halbes Jahr her, dass allerorts Piloten gesucht und Flugzeuge bestellt wurden? Und schon schlägt das Pendel mal wieder in die andere Richtung. Und es trifft so ziemlich jede Airline der Welt. Während Flugzeugführer zum Beispiel regelmäßig für Gehaltsanpassungen nach oben gestreikt hatten, bieten dieselben Piloten der Lufthansa nun einen Gehaltsverzicht von bis zu 45% für zwei Jahre an. Hauptsache, sie werden nicht entlassen. Auch die Kabinencrews werden nicht ungeschoren davonkommen, wenn die Fluggesellschaften ihre Flotten teilweise dreistellig verkleinern.

2001 versetzte ein Terroranschlag den gesamten Weltluftverkehr mit einem donnernden Ereignis und spektakulären Fernsehbildern in eine lange Krise. Nun ist es ein für das Auge unsichtbares Virus, das noch viel schlimmere Folgen hat!

Andreas Fecker

2 Antworten zu “Luftpost 328: Beinahe-Absturz”

  1. Sascha Weiß sagt:

    Moin Andy, ja, aber schaue dir mal bitte die Aktienkurse der größten Fluggesellschaften und den beiden größten Flugzeugbauern der letzten beiden Wochen an! Hier kann/konnte man richtig Geld verdienen, und was sagt man über die Börse: Sie handelt mind. 6 Monate im Voraus, was und wie die Wirtschaft steht! Vielleicht wird es doch nicht ganz so arg mit dem Abschwung und den Fluggesellschaften. Aber es gilt natürlich auch, nichts ist sicher an der Börse! Euch ein erholsames Wochenende. Viele Grüße und bitte bleibt gesund, A&S

  2. Ja, Sascha, ich weiß, warum ich nicht zocke. Warren Buffett hat gerade selbstkritisch alle seine Airline Aktien verkauft…
    https://www.forbes.com/sites/sergeiklebnikov/2020/05/02/warren-buffett-sells-airline-stocks-amid-coronavirus-i-made-a-mistake/#447e26df5c74