Luftpost 323: Reboot

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Foto: Archiv Fecker

Weltweit sitzen derzeit etwa 290.000 Piloten zu Hause und spielen Mensch-ärgere-dich-nicht statt zu fliegen. Das Üben am heimischen Microsoft Flugsimulator ist nicht unproblematisch. Dem MH370 Captain wurde zum Beispiel nach Auslesen seiner Computer-History unterstellt, er habe eine Entführung geplant. Vielleicht hat er aber nur Notlandungen an verschiedenen Ausweichflughäfen geübt? Vor allem ist die Daddelkiste zu Hause kein Ersatz für einen richtigen Simulator mit richtigem Cockpit. Und sie ist schon gar kein Ersatz für aktives Fliegen. Seit Corona die Welt in den Stillstand zwang, steht etwa 90 Prozent der Weltflotte mit Ausnahme der Frachtmaschinen am Boden. 40 Airlines haben ihre Flugzeuge eingemottet und stehen bei Lufthansa Technik Schlange, um Passagiermaschinen zu Frachtern umrüsten zu lassen. Da die Flughäfen nicht genügend Parkflächen haben, wurden sogar Pisten stillgelegt und als Parkplätze missbraucht.

Derzeit rumort es in allen Staaten. Irgendwann, in ein paar Wochen oder Monaten wird die Zeit kommen, dass der Flugbetrieb nach und nach wieder aufgenommen wird. Und spätestens dann stehen die Airlines vor einem riesigen Problem: Sind die Piloten dann noch qualifiziert, Tag und Nacht zu fliegen? Um sein Rating aufrecht zu halten muss ein Flugzeugführer in den vergangenen 90 Tagen mindestens drei Starts und drei Landungen durchgeführt haben. Außerdem muss er alle sechs Monate einen Überprüfungsflug absolvieren. Für manche Flughäfen in schwieriger Lage braucht man eine Sonderqualifikation. Er muss Notfalltraining im Simulator durchlaufen. Derzeit sind aber noch viele Simulatoren geschlossen. Sind diese Checks in den Corona-Stillstand gefallen, werden diese Piloten wohl erst einmal ausfallen. Sobald die Simulatoren wieder geöffnet werden, wird es einen Ansturm auf Slots geben. Die komplexen Geräte müssen aber auch während des Übungsbetriebs gewartet werden. Nach jeder Session wird so ein Simulator komplett gereinigt und desinfiziert. Man braucht auch Operator und Check-Piloten, die ebenfalls auf den betreffenden Mustern current sein müssen. Und man braucht Kopiloten. Manche Airlines haben Verträge mit Simulator-Betreibern im Ausland. Aber auch dort gab es Corona-Fälle, worauf auch gesunde Crews in Quarantäne mussten. Simulatorstunden können die Praxis sowieso nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.

Zusätzlich müssen Survival Training, Evakuierungsübungen, Brandbekämpfung, Erste Hilfe aufgefrischt werden, all das sind Aktivitäten, die in Zeiten der Kontaktbeschränkung nicht durchgeführt werden konnten. Der medizinische Check-up ist zu absolvieren. Das wird kein einfacher Reboot wie Strg+Alt+Del! Hier kommt ein Tsunami an Organisation auf die Airlines zu, den Außenstehende gar nicht erfassen können. Denn auch die Flugbegleiter müssen ihre periodischen Proficiency Checks absolvieren. Und auch die sitzen derzeit zu Hause. Manche helfen in Krankenhäusern und Pflegeheimen aus.

Die Frachtpiloten haben es da einfacher, weil ganz besonders die Cargo-Airlines während der Krise gebraucht wurden wie nie zuvor. Aber auch die kamen nicht ungeschoren über die Zeit. An einigen Destinationen durften sie ihre Zimmer im Hotel nicht verlassen. Der Türschlüssel in Singapur funktionierte zum Beispiel nur einmal! Und wenn sie etwas zu essen bestellten, wurde es an die Türklinke gehängt, der Kellner klopfte und verschwand, bevor geöffnet wurde. In Hongkong mussten sie darüber hinaus bei sich selbst zweimal am Tag Fieber messen und dies protokollieren. Dieses Protokoll musste bei der Ausreise vorgelegt werden.

Wie kürzlich zu lesen war, verliert die Lufthansa stündlich eine Million Euro. STÜNDLICH! Da wird noch einiges mehr dazukommen. Und dabei ist noch nicht berücksichtigt, wie sich die Kunden nach Corona verhalten werden und welche Auflagen die Staaten in Bezug auf die Mittelsitze stellen werden. Was sagte doch Richard Branson, der Chef von Virgin Atlantic Airlines auf die Frage, wie man Millionär wird? „Du fängst als Milliardär an und betreibst eine Airline. Dann geht alles ganz schnell.“ Auch Branson hat inzwischen fast seine ganze Flotte am Boden stehen und überlegt den Verkauf von Virgin Atlantic!

Andreas Fecker