Luftpost 320: Fly Navy

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Foto: Bildarchiv Fecker

Stopp! Liebhaber klassischer Klaviermusik, sollten diesen Artikel besser nicht lesen! Auch wer sein Instrument hegt und pflegt und mit Sorgfalt behandelt, könnte ein paar Zeilen weiter unten seelischen Schaden erleiden. Die Royal Navy Großbritanniens hat nämlich eine alte Tradition, Klaviere zu verbrennen! Klären wir erst einmal, was das mit Fliegerei zu tun haben soll.

Im Offizierskasino eines jeden britischen Marinefliegergeschwaders steht traditionell ein Klavier. Schon seit jeher, schon seit dem ersten Weltkrieg. Die Legende will es, dass ein britischer Pilot nicht nur ein begabter Flieger war, sondern auch ein begabter Pianist. Nach jedem Feindeinsatz traf man sich im Casino und er brachte seine Fliegerkameraden wieder auf andere Gedanken. Natürlich half dabei auch das eine oder andere Glas Bier dazu, die erlittenen Todesängste zu vergessen.

Eines Tages, während der Luftschlacht um England im Jahr 1940, wurde der musikalische Pilot von der deutschen Luftwaffe abgeschossen. An jenem Tag herrschte Trauer im Casino, und vor allem Stille. Jemand sagte, wozu brauchen wir noch das Klavier, wenn es niemand mehr spielt? Kurzerhand schob man es hinaus ins Freie, übergoss es mit Benzin und zündete es an. Die Fliegerkameraden standen im Kreis darum herum und ertränkten ihren Verlust mit Guinness, Ale oder Stout.

Daraus entstand ein Brauch. Einmal im Jahr spendierte jedes Kampfgeschwader ein Klavier. Mit Hubschraubern wurden die Instrumente zum Sportplatz eines Fliegerhorstes geflogen. Jedes Geschwader stellte eine Mannschaft, die einerseits möglichst viele Klaviere der anderen in Brand stecken, andererseits das eigene Piano verteidigen sollte. Gewonnen hatte die Mannschaft, deren Klavier am Ende noch unversehrt war.

In abgewandelter Form hat die deutsche Luftwaffe später den Brauch übernommen. Allerdings waren das keine offizielle Veranstaltungen, sondern man versuchte mit List und Tücke, das Casino-Klavier eines Partnergeschwaders zu „entführen“ und mit viel Bier, Gefeixe und Gejohle in Brand zu stecken. Man kann eigentlich nicht darüber streiten, dass das nichts als grober Unfug war. Und ich bin mir auch fast sicher, dass dieser Brauch inzwischen ausgestorben ist, seit es nur noch eine Handvoll Jetgeschwader gibt und jeder Cent fünfmal umgedreht werden muss.

Den Vogel abgeschossen hatte einst die Crew des britischen Flugzeugträgers HMS Royal Ark. Als er zu seiner letzten Reise in See stach, lud der Admiral die BBC ein, um die feierliche Außerdienststellung zu dokumentieren. Als letztes hievte man das Bordpiano, einen schwarzen Flügel auf das Flugzeugdeck und schob ihn auf das Startkatapult. Die BBC freute sich auf die Bilder des Jahrhunderts. Da trat der Käpten hinzu und schickte sich an, einen Sticker darauf zu kleben, auf dem der Werbespruch der Königlichen Marine stand: „Fly Navy“. Der Aufnahmeleiter verhinderte das mit dem Hinweis, das könnte negative Folgen bei den steuerzahlenden Untertanen Britanniens haben. Daraufhin verfügte der Kapitän, „Dann schießen wir das Ding nicht ab.“ Es dauerte keine 60 Sekunden, da klebte der Aufnahmeleiter den Sticker selbst auf das Klavier. Diese Aufnahme wollte er sich um keinen Preis in der Welt entgehen lassen.

Und ab ging‘s. Auch eine Art von Luftpost! Und ein Flügel, der schon viel Freude bereitet hatte, fand ein würdiges Seemannsgrab.

Andreas Fecker

Eine Antwort zu “Luftpost 320: Fly Navy”

  1. Markus sagt:

    HI Andy, TOLL! Das C-Wort hängt mir aus jedem Loch raus. Da tut Abwechslung gut, und erst recht dieser Brüller! Toll & DANKE !