Luftpost 253: Silvester³

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Die Concorde in Toulouse – Archiv Fecker

Vor 42 Jahren flog die Concorde zum ersten Mal. Seitdem gibt es über dieses Flugzeug scheinbar unendlich viele Geschichten und Legenden, erzählt von Passagieren, Crews, Medien, Flughafenanwohnern und Flottendisponenten. Phil Collins zum Beispiel trat 1985 im Londoner Wembley Stadion bei Bob Geldorfs Kontinent-übergreifenden Live Aid Konzert für Afrika auf. Es wurde von Fernsehsendern aus der ganzen Welt live über den Globus übertragen und begann wegen der Zeitverschiebung in London. Unter anderen traten damals unter Verzicht auf Gage die Boomtown Rats, Freddy Mercury mit Queen, U2, Bob Dylan, Elton John, Bryan Adams, Four Tops, Joan Baez, Santana, Tina Turner, Neil Young, The Who, Eric Clapton, die Beach Boys, Dire Straits, Led Zeppelin, Madonna, Mick Jagger, Paul McCartney und David Bowie auf. 1,5 Milliarden Menschen schalteten ihre Fernsehgeräte ein. British Airways nutzte die weltweite Aufmerksamkeit, holte Phil Collins mit einem Hubschrauber am Wembley ab und flog ihn mit einer Concorde und Mach 2 nach Philadelphia. Nach seiner Ankunft auf der Bühne setzte er sich ans Klavier und eröffnete seinen Auftritt mit dem Song „Against all Odds“ und den werbewirksamen Worten „Ich war vorhin noch in England…“. Das Konzert spielte 200 Millionen Dollar an Spenden aus der ganzen Welt ein.

Eng, gedrängt und so gar nicht, was man für ein Erste-Klasse-Ticket plus 20% Überschallzuschlag erwarten könnte. – Foto: Fecker

Betrat man die Concorde, war sie enttäuschend klein und erinnerte fast an eine alte DC-3 aus den 1940er Jahren. Man saß eng nebeneinander und konnte sich nur geduckt durch den Gang bewegen. Von der Beinfreiheit, wie man sie heute in den Premiumklassen von modernen Maschinen antrifft, konnte man noch nicht einmal träumen. Entertainment-System? Fehlanzeige. Aber man konnte dafür in drei Stunden von London oder Paris nach New York fliegen. Ein Doktor-Schiwago-Film dauert länger. Von außen gesehen war sie das aerodynamischste und eleganteste, was die Flugzeugindustrie zu bieten hatte. So sehr das Flugzeug nach langen Jahren der Reifeprüfung von den Airlines erwartet wurde, so schnell stornierten die Fluggesellschaften ihre Bestellungen, weil die Concorde einen infernalischen Krach an den Flughäfen veranstaltete, vom Überschallknall und den hohen Betriebskosten ganz zu schweigen.

Seltenes Zeitdokument, die Concorde in den Farben der Singapore Airlines – Foto: Postkarte SIA

Der Pool der Passagiere rekrutierte sich vornehmlich aus Prominenten, Künstlern, Geldadel und Luxuspassagieren von Kreuzfahrt-Paketen, die im argentinischen Ushuaia, in Buenos Aires, Rio de Janeiro, Caracas, Miami oder New York begannen. Die Tickets wurden mit einem Aufschlag von etwa 20% auf den Erste Klasse Tarif verkauft. Das Angebot des US-Reiseveranstalters Concorde Spirit Tours bot zum Jahrtausendwechsel gleich drei Silvesterfeiern in drei Zeitzonen an, nur durchführbar mit der Concorde. Plätze bei dieser Party kosteten etwa 130.000.- DM! Air France konterte mit dem Angebot, das Jahr 2000 zweimal zu begrüßen: Nach Mitternacht in Paris losfliegen, vor Mitternacht in New York ankommen. Pauschalpreis war damals um die 15.000.- DM. Pro Strecke.

Sechs Monate später passierte dann der Startunfall der AF 4590 in Paris, bei dem alle 109 Menschen an Bord ums Leben kamen. Darunter waren 33 deutsche Kreuzfahrtpassagiere, die in New York an Bord eines Schiffes gehen wollten. Glück im Unglück hatte der Schauspieler und Kabarettist Günther Pfitzmann, der auf dem Kreuzfahrtschiff als Entertainer auftreten sollte, das Engagement aber wegen eines kurz zuvor erlittenen Herzinfarktes stornieren musste. Die Concorde-Flotten von Air France und British Airways wurden nach dem Unfall stillgelegt und schließlich komplett aus dem Verkehr gezogen.

Die Concorde, zeitlos schön aber unzeitgemäß teuer – Foto: Air France

Seit zwei Jahren redet man allerdings wieder von einer Neuauflage des Überschallreisens. Drei verschiedene Startups, Aerion, Spike Aerospace, and Boom Supersonic gaben Pläne für einen Concorde-Nachfolger bekannt. Ob das aber in den Zeiten von Klimawandel noch Akzeptanz finden wird, wage ich zu bezweifeln. Das Umweltbewusstsein wächst, man reist nur noch, wenn es wichtig ist.

Ich wünsche allen Lesern einen friedlichen Übergang in das neue Jahr 2019, ganz ohne Überschallknall.

Andreas Fecker