Luftpost 166: Olympische Logistik

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

1953 kam der Film „Blondinen bevorzugt“ mit Marilyn Monroe in die Kinos, der Originaltitel war „Gentlemen Prefer Blondes“. Er begann mit zwei wasserstoffblonden Showgirls, die mit dem Dampfer von New York in Richtung Frankreich unterwegs waren. Der Zufall wollte es, dass sich die amerikanische Olympiamannschaft ebenfalls an Bord befand, und die war – seltsam, seltsam – durchweg männlich. Der turbulente Fortgang der Komödie soll hier keine Rolle spielen. Vielmehr will ich vor Augen führen, wie sich die Welt durch den Luftverkehr verändert hat.

1956 brachte die kolumbianische Fluggesellschaft AVIANCA die Olympiamannschaft des Landes ins australische Melbourne. Die Equipe war mit 26 Athleten überschaubar, die Reise in der Lockheed Super Conny nicht. Sie dauerte schon wegen mehrerer Tankstopps insgesamt 61 Stunden! Diese Strapaze durchzuhalten wäre eigentlich eine Goldmedaille wert gewesen. War es der breite Hintern vom Hinflug oder die Angst vor dem Rückflug, dass kein Kolumbianer in Melbourne auf den vorderen Plätzen zu finden war?

Die Mannschaften haben sich bis Rio vergrößert, die Anreisezeiten stark verkürzt. Die Kolumbianer reisten heuer mit 147 Mann an, Brasilien ist Kolumbiens Nachbarstaat. Die 422 australischen Sportler waren immerhin schon nach 18 Stunden Flug und einem Tankstopp in Südamerika. Auch die Olympischen Spiele selbst haben sich verändert. In Rio de Janeiro traten 10.000 Athleten aus insgesamt 206 Nationen in 28 Sportarten gegeneinander an.

Im Rahmen dieser größten Sportveranstaltung der Welt, bei der alleine die deutsche Equipe 449 Athleten umfasste, wurde auch ein Haufen Material bewegt. Über 60 Einzelteile für jede Gelegenheit umfasste die offizielle Olympia-Ausrüstung eines jeden DOSB Athleten. Ein Outfit für offizielle Anlässe, legere Teamkleidung und einheitlicher Dress für das Siegerpodest. Dazu kamen die privaten Koffer.  Für Beach Volleyball mag ja nicht so viel Ausrüstung anfallen, aber Hochsprungstäbe, Speere, Kajaks und Ruderboote vom Einer bis zum Achter, Segelboote, Surfbretter, Fechtausrüstung, Anzüge, Sportkleidung, Trikots, Bälle, Fahrräder, Sportwaffen, Pferde, Sättel und Zubehör, medizinisches Equipment? Laut dem Logistikunternehmen DB Schenker gingen für die Ausstattung des Olympischen Dorfes, die Deutsche Olympiamannschaft, das Deutsche Haus, die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie und das VIP Catering an den Stadien insgesamt 1030 Standardcontainer auf die Reise. Darunter befand sich eine komplette Backstraße für das Deutsche Haus, 7000 Flaschen Wein, 2100 Flaschen Sekt, 90 Fünfzig-Liter-Fässer Bier, 32.500 Gläser. Sechs 40-Fuß Container mit Segelbooten und Zubehör, Werkstattausrüstung und Mannschaftsapotheke reisten per Schiff, 60 Tonnen Fracht per Flugzeug. Auch die Fernsehanstalten schickten tonnenweise Technik für die provisorischen Studios vor Ort.

Allein der Transport der ca. 300 Pferde aus allen Teilen der Welt ist ein Streifzug wert: Jedes Pferd wiegt zwischen 500 und 650 kg. Für jedes Pferd werden 40 Liter Wasser mitgeführt, dazu tonnenweise Heu. Jedes Pferd hat seine eigene Box. Um Unruhe im Frachtraum zu vermeiden fliegen die Hengste vorne, die Stuten hinten. Mit an Bord sind Veterinäre, Betreuer und Transportspezialisten.

Während der letzten Olympiaden machte sich die Erkenntnis breit, dass sich die Spiele zu einem solch kommerziellen und logistischen Mega-Event ausgewachsen haben, dass der olympische Gedanke auf der Strecke zu bleiben droht. Nicht nur die Zeiten von Marilyn Monroe und ihren testosterongeladenen Modellathleten auf Überseedampfern sind offenbar vorbei…

Von Andreas Fecker

Datenquelle: DB Schenker