Europas Luftraum: Spielwiese einer Patchwork-Familie

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Foto: Dierk Wünsche

Europas Luftraum: Spielwiese einer Patchwork-Familie

ein Beitrag von Andreas Fecker

Airlines, Flugsicherungsorganisationen, Pilotenvereinigungen und Luftfahrtindustrie beklagen regelmäßig die stagnierende Harmonisierung des europäischen Luftraums. Einst war EUROCONTROL vorangegangen, rief alle Staaten zusammen und entwickelte ein Konzept „One Sky“. Schrittweise sollten von unten nach oben Verfahren, Entwicklungen, Lufträume, Routen, Ausbildung von Technikern und Controllern, Standards, militärische und zivile Interessen, Luftraumplanung und –Organisation harmonisiert werden, bis man an einem „barrierefreien“ Luftraum mit einer einheitlichen, flächendeckenden Klassifizierung ankommen würde. Doch irgendwann verlor sich die Roadmap in nationalen Eifersüchteleien und Interessen. Also einigten sich die Verkehrsminister auf EU Ebene das Endergebnis zu beschließen und beauftragten ihre Ministerien und untergeordneten Organisationen in festgelegten Zeitplänen sich zu einigen.

Vielversprechende, grenzübergreifende Luftraumblöcke wurden entwickelt, innerhalb derer die Flugsicherungsorganisationen zusammenarbeiten sollten, die Ausbildung harmonisieren etc. Doch auch dieser Approach scheint zu stagnieren, zu unüberwindlich sind offenbar die nationalen Interessen.
Physikalisch betrachtet ist der Luftraum über Europa ein Kontinuum. Politisch betrachtet ist er aber ein Flickenteppich mit 44 verschiedenen Mustern, denn kein Staat mag von seinem Luftraum lassen, den er sich einstmals auf seine eigenen Bedürfnisse zugeschnitten hatte. Da spielten Berge eine Rolle, die Größe des Landes, seine Lage zu benachbarten Staaten, Art und Rolle seiner Flughäfen und die Natur des Luftverkehrs, wie sie sich im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hatte. Statt des vereinten Europa mit harmonisierten Regeln und Standards sehen sich die Luftraumnutzer einem dreidimensionalen Chaos an fragmentierten Lufträumen und Sperrgebieten, Öffnungs- und Schließungszeiten, unterschiedlichen Regeln, rund 50 Behörden, über 60 Kontrollzentralen und den unterschiedlichsten Gebühren ausgeliefert. Der Europäische Wirtschaftsausschuss rechnet vor, dass sich die Kosten für dieses Chaos im Jahr 2011 auf fast vier Milliarden Euro summiert hatten. Zudem wurden 12 Millionen Minuten Flugverspätungen und ein überhöhter CO2-Ausstoß produziert. National gesehen hatte das einst alles seine Berechtigung, international oder interkontinental gesehen verhindern wir Europäer einen reibungslosen Luftverkehr und einen kosteneffektiven Service.

Zum Vergleich: In den USA wickeln 20 Kontrollzentralen in einem einheitlich gestalteten Luftraum ähnlicher Größe 18 Millionen Flüge pro Jahr mit einem Kostenaufwand von acht Milliarden Euro ab. In Europa sind es gerade mal neun Millionen Flüge, doch der Kostenaufwand ist wegen der 60 Kontrollzentralen gleich hoch.

Wer durchschlägt den gordischen Knoten? Wer hat die Vision, das diplomatische Geschick, den politischen Rückhalt, die Überzeugungskraft, all diese nationalen Hindernisse zu überwinden und endlich einen europäischen Luftraum zu schaffen, der diesen Namen auch verdient?

Luftraum-Chaos Foto: Bildarchiv Andreas Fecker