Wirbelschleppen zwingen Piloten kleinerer und mittlerer Flugzeuge bisher einen Sicherheitsabstand von rund zehn Kilometern zu vorausfliegenden schwereren Maschinen einzuhalten. Bald könnten bei gutem Wetter bis zu doppelt so viele Verkehrsflugzeuge eine Landebahn anfliegen, ohne sich gegenseitig zu gefährden. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben am 29. und 30. April erstmals ein Verfahren unter realen Flugbedingungen erprobt, das die potentiell gefährlichen Wirbelschleppen beim Anflug auf die Landebahn deutlich schneller zerfallen lässt. Dafür verwendeten sie eine patentierte Konfiguration parallel angeordneter Bodenplatten sowie ein lasergestütztes Wirbelschleppenmesssystem.
„Der Bau neuer Start- und Landebahnen auf etablierten Flughäfen ist mit einem immensen Aufwand verbunden, auch schon in der Planungs- und Entscheidungsphase. Oft ist der Platz knapp und zudem sind Siedlungsgebiete von den Erweiterungen betroffen“, sagt der DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Johann-Dietrich Wörner. „Wenn es gelingt, unter voller Gewährleistung der Sicherheit, Flugzeuge zukünftig dichter hintereinander landen zu lassen und damit Bahnerweiterungen zu vermeiden sowie bestehende Systeme effektiver zu nutzen, ist das ein Gewinn für die Flughäfen und deren Anwohner. Die jetzt erfolgten Forschungsflüge des DLR sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung.“
Wirbelnde Flügelspitzen
Wirbelschleppen sind langlebige Luftwirbel, die jedes Flugzeug hinter sich erzeugt. Sie rollen sich an den Flügelspitzen auf, wo der Unterdruck der Tragflächenoberseite und der Überdruck der Tragflächenunterseite zusammentreffen. Die mächtigen Wirbel können dicht nachfolgende Maschinen empfindlich auf ihrer Flugbahn stören und auch am Boden an Gebäuden zu Schäden führen. Kleinere Maschinen sind besonders gegenüber Wirbelschleppen großer Jumbojets sensibel. Sie müssen einen erweiterten Sicherheitsabstand einhalten.
Der Trick mit den Platten
Während die Wirbel in höheren Luftschichten meist schnell absinken, verdriften und sich schließlich auflösen, verharren sie gelegentlich einige Zeit kurz vor der Landebahn, knapp über dem Boden. Genau dort setzen nachfolgende Flugzeuge zur Landung an. Projektleiter Dr. Frank Holzäpfel vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre erklärt den Vorteil des neuen Verfahrens: „Um die zirkulierenden Wirbel vor einer Landebahn schneller abzuschwächen, haben wir ein System parallel hintereinander angeordneter Platten, die sogenannte Plate Line, entwickelt. An den etwa vier Meter langen Platten bilden sich Sekundärwirbel, die die eigentlichen Wirbelschleppen deutlich schneller zerfallen lassen.“
Das DLR-Forschungsflugzeug HALO, eine modifizierte Gulfstream G550, überflog die Plattenreihen während der Messkampagne in nur 22 Meter Höhe. Die Forscher konnten durch Rauch über dem Versuchsfeld veranschaulichen, wie die eigentlich unsichtbaren Wirbelschleppen sich schneller über den Platten abschwächen. Mit einem Lasermessgerät (Lidar) zeichneten sie das Verhalten der Wirbelschleppen detailliert für nachfolgende Auswertungen auf. „Auch bisher hat das bereits patentierte Verfahren ausgezeichnet im Labor und in der numerischen Simulation funktioniert“, freut sich Holzäpfel über die gelungene Demonstration.
Wirbelschleppen-Warnsystem
Ein Wirbelschleppen-Warnsystem soll die Anwendung der neuen Bodenplatten zu einem Gesamtkonzept für mehr Wirbelschleppensicherheit vervollständigen. „Um dieser zusätzlichen Gefahr bei enger gestaffelten Anflügen zu begegnen, haben wir ein Wirbelschleppen-Vorhersage- und Beobachtungssystem entwickelt, das bereits erfolgreich an den Flughäfen in München und Frankfurt/Main erprobt wurde“, fügt Holzäpfel hinzu.
Nach der ersten Demonstration sollen die Plattenreihen zukünftig an Verkehrsflughäfen getestet werden. Die Größe der Platten muss dann entsprechend der stärkeren Wirbelschleppen schwerer Verkehrsmaschinen angepasst werden. Ziel ist es, ein von den Luftfahrtbehörden zugelassenes System zu entwickeln, das schrittweise an Flughäfen installiert wird.
Das Forschungsflugzeug HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaates Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ, des Forschungszentrums Jülich und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Quelle: DLR