DLR: Studierende der Universität Stuttgart starten Raketen Marke Eigenbau

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Nach drei Jahren intensiver Vorbereitungen sollen am 17. und 22. April 2023 die zwei baugleichen Experimentalraketen N2ORTH vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Schweden in den Himmel über dem Nordpolarkreis starten. Das HyEnD-Team von Studierenden der Universität Stuttgart hat die beiden beim Start rund 200 Kilogramm schweren Raketen im Rahmen des STERN-Programms (Studentische Experimental-Raketen) der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR selbst entwickelt, gebaut und getestet. Das Programm ermöglicht den Teilnehmenden bereits während des Studiums erste Erfahrungen mit einem „echten“ Raumfahrtprojekt zu sammeln. Angetrieben werden die beiden rund acht Meter langen Experimentalraketen bei ihrem Flug mit einer Kombination aus flüssigem Lachgas und einem Festbrennstoff und erreichen dabei mehrfache Schallgeschwindigkeit.

Mit Leichtbauweise zu maximaler Flughöhe

Damit die rund 200 Kilogramm schweren Raketen eine möglichst große Höhe erreichen, hat das HyEnD-Team die entscheidenden Komponenten in Leichtbauweise aus Kohlefaserverbundwerkstoffen hergestellt. „Eine besondere Herausforderung war die Konstruktion des rund drei Meter langen Lachgastanks“, erklärt Karsten Lappöhn, STERN-Programmleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur. „Er besitzt eine Außenhülle aus Kohlefaser sowie eine Innenbeschichtung aus Teflon-ähnlichem Material. Hierdurch verringert sich das Leergewicht der Rakete im Vergleich zur sonst üblichen Aluminium-Innenbeschichtung um rund sieben Kilogramm.“

300 Grad Celsius an der Außenhaut der Rakete

Während des Fluges entsteht durch die Luftreibung an der Außenhaut der Rakete eine Temperatur von circa 300 Grad Celsius. Um die empfindlichere Raketenstruktur vor diesen Temperaturen zu schützen, ist die Raketenhülle mit einer zusätzlichen Schicht aus Kork und Kunstharz umgeben. Die Wirksamkeit dieses Schutzes wurde durch Tests im Heißluft-Windkanal des DLR in Lampoldshausen von den Studierenden nachgewiesen. Auch der von den Studierenden entwickelte Raketenmotor wurde am DLR-Testzentrum für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen geprüft und ist der bisher leistungsfähigste seiner Art innerhalb des STERN-Programms. Bis zur Fertigstellung durchlief allein das Triebwerk 60 Heißläufe.

Am Fallschirmsystem sicher zu Boden

Das Bergungssystem von N2ORTH ist sehr komplex, denn es besitzt neben dem Hauptfallschirm noch einen Überschallfallschirm, der die Rakete beim Eintritt in die dichteren Luftschichten zusätzlich abbremst. Der von den Studenten selbst genähte Fallschirm muss dabei die hohen Temperaturen und mehrfache Schallgeschwindigkeit überstehen, bevor sich in drei Kilometern Höhe der größere Hauptfallschirm öffnet. „Wir haben sowohl das Öffnungs- und Bremsverhalten des Schirms, als auch das Leinen- und Befestigungssystem auf Herz und Nieren getestet“, erläutert Florian Merz vom HyEnD-Team. „Für die Erprobung des Gesamtsystems haben wir dann einen mit Messelektronik bestückten rund 80 Kilogramm schweren Testkörper aus einem Flugzeug über dem Truppenübungsplatz Heuberg abgeworfen.“

Nach dem Start der ersten N2ORTH-Rakete werden die Flugdaten ausgewertet und mit den Ergebnissen aus vorherigen Computersimulationen verglichen. Dies dient auch zur Vorbereitung des zweiten Fluges. Zu diesem Zweck werden die wichtigsten Daten per Funk zur Bodenstation übertragen und die Datenträger an Bord der Rakete nach erfolgreicher Landung und Bergung ausgelesen. Mit den so gewonnenen Messdaten ist eine deutlich genauere Flugbahnvorhersage für den zweiten Start möglich.

Das STERN-Programm

Am STERN-Programm haben bisher fünfzehn Hochschulen mit weit über 600 Studierende teilgenommen. In vier Kampagnen wurden dabei neun Raketenstarts durchgeführt. Im Jahr 2016 konnten Studierende der Universität Stuttgart mit 32,3 Kilometern einen europäischen Höhenrekord für Experimentalraketen und den Weltrekord für eine Hybrid-Studentenrakete aufstellen.

Ziel des Programms ist es, den Teilnehmenden bereits während des Studiums erste Erfahrungen mit einem „echten“ Raumfahrtprojekt zu ermöglichen. Innerhalb von drei Jahren entwerfen, bauen und starten die Studierenden eine eigene Rakete und führen sämtliche Tests durch. Begleitet werden sie dabei von den Experten der Mobilen Raketenbasis des DLR (MORABA) und vom Institut für Raumfahrtantriebe am DLR-Standort in Lampoldshausen. Technische Mindestanforderungen sind, dass die Rakete eine Flughöhe von mindestens drei Kilometern sowie Schallgeschwindigkeit erreicht und über ein Bergungs- und ein Telemetriesystem verfügt. Neben dem Ingenieurswissen und dem technischen Verständnis ist vor allem auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Teams wichtig. Das Programm wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) umgesetzt.

Quelle: PM DLR

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