Dauerthema: Lärmschutz am Flughafen BER

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Foto: Floyd

Der Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) hat in seiner Sitzung am vergangenen Freitag die nächsten Schritte bei der Realisierung des Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt erörtert. Dabei ging es auch um die Folgen des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg (OVG) zum Schallschutz für die Flughafenanwohner.

OVG-Beschluss widersprüchlich zur bisherigen Rechtsprechung
Nach dem OVG-Beschluss (siehe PM vom 15.06.2012) ist das Schallschutzprogramm so zu bemessen, dass im Tagschutzgebiet ein Maximalpegel von 55 dB(A) im Rauminneren nicht überschritten werden darf. Diese Geräuschentwicklung ist vergleichbar mit einem normalen Gespräch.

Das Schutzziel des Planfeststellungsbeschlusses ist hingegen die Sicherstellung einer ungestörten Kommunikation im Rauminneren. Das Bundesverwaltungsgericht hatte eine Abwägung auf Basis eines maßgeblichen äquivalenten Dauerschallpegels von 45 dB(A) als sachgerecht angesehen, um das Schutzziel zu erreichen. Ein Dauerschallpegel ist ein rechnerisch ermittelter Wert, der alle innerhalb eines gegebenen Zeitraumes auftretenden Einzelschallpegel zu einem Durchschnittswert verrechnet. Das Maximalpegelkriterium diente lediglich als ergänzendes Kriterium, mit dem das Auftreten besonders lauter Einzelschallereignisse verhindert werden soll. Anders als in der Nacht ist ein Maximalpegelkriterium am Tage deshalb nicht wesentlich, weil tags auch nicht der Schlaf der Betroffenen zu schützen ist.

Ein Präzedenzfall
Mit der Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg wird das ergänzende Kriterium Maximalpegel zum maßgeblichen Schutzkriterium im Tagschutz. Rechnet man die Vorgabe des OVG in einen Dauerschallpegel um, so ergibt sich ein Wert deutlich unterhalb von 27 dB (A), also deutlich unterhalb der 45 dB(A) des eigentlichen Schutzziels „ungestörte Kommunikation“.

Es ist aus Sicht der FBB nicht nachvollziehbar, dass im Tagschutzgebiet ein Maximalpegel von 55 dB(A) nicht überschritten werden darf. In der Umsetzung des Schallschutzprogrammes würde eine derartige Regelung gerade nicht dazu führen, dass den Anwohnern ein angemessener, erforderlicher Schallschutz gewährt wird. Vielmehr wären bei den meisten Häusern im Umland nur noch finanzielle Entschädigungen möglich, da baulicher Schallschutz nicht mehr sinnvoll machbar wäre. Gleichzeitig ginge die Regelung weit über die bislang gängige Praxis von Schallschutz an anderen Flughäfen hinaus.

Im Übrigen sind Einzelkriterien in der Fluglärmschutzverordnung zum novellierten Fluglärmgesetz für den Tagschutz generell nicht vorgesehen. Auch die Fluglärmschutzverordnung sieht hier die Berücksichtigung eines Mittelwertes vor. Setzt man die Regelungen des aktuellen Fluglärmgesetzes, das unter anderem in Frankfurt angewendet wird und zu Dauerschall-Innenpegeln tags zwischen 37 und 42 dB(A) führt, in Bezug zur Situation am BER, so wären bei gleichem Schutzniveau am BER deutlich mehr als 16 Einzelpegel von 55 dB(A) im Rauminnern möglich.

Risiken für die Flughafengesellschaft und weiteres Vorgehen
Neben dem Widerspruch zum Planfeststellungsbeschluss ergibt sich für die Flughafengesellschaft aus dem jüngsten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg ein zusätzliches Kostenrisiko. Nach erster Abschätzung wäre es bei 85 Prozent der rund 14.000 Häuser im Tagschutzgebiet technisch nicht mehr sinnvoll möglich, den geforderten Schallschutz einzubauen. Stattdessen würde die Entschädigungsregelung des Planfeststellungsbeschlusses greifen (= Entschädigung in Höhe von 30 Prozent des Verkehrswertes des Hauses). Bei 15 Prozent der Häuser wären weitere, technisch aufwändige Schallschutzvorrichtungen einzubauen. Die Mehrkosten für diese Maßnahmen bzw. Entschädigungsleistungen im Tagschutz veranschlagt die Flughafengesellschaft in einer ersten Schätzung mit 591 Millionen Euro.

Der Aufsichtsrat hat am vergangenen Freitag die FBB beauftragt, alle juristischen Möglichkeiten zur Minderung der Risiken auszuschöpfen. Dazu zählt insbesondere eine Klage gegen den zu erwartenden Bescheid des zuständigen brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) zur sofortigen Umsetzung des OVG-Beschlusses. Zugleich wird die Flughafengesellschaft den Klarstellungsantrag (siehe Pressemitteilung vom 19. April 2012) aufrecht erhalten.

Wie ist an anderen Flughäfen der Schallschutz am Tag geregelt?
Ein Vergleich bei den Vorgaben und der praktischen Umsetzung (Vollzug) mit anderen Flughäfen zeigt, dass der Schutz für die BER-Anwohner weitreichend ist:
– Frankfurt
Die aktuelle Planfeststellung verweist hinsichtlich des Schallschutzes auf das Fluglärmgesetz. Danach ist nur nach dem gemittelten Dauerschallpegel am Tage zu schützen. Eine Berücksichtigung von Maximalpegeln erfolgt nicht.
– München
In München gibt es ein Maximalpegelkriterium. Laut geltender Rechtslage am Flughafen München darf der Maximalpegel beim Schallschutz am Tag bis zu 6x55dB(A) überschritten werden. Hierbei handelt es sich um eine „Auslegung im Vollzug“ (seit 1995), auch wenn der Planfeststellungsbeschluss von 1979 eigentlich von „keinmal mehr als 55“ spricht. Nach dem Planfeststellungsbeschluss für die 3. Start- und Landebahn würden neue Betroffene in München ausschließlich nach Fluglärmgesetz geschützt.
– Düsseldorf
Laut einer Änderungsgenehmigung (09.11.2005) ist in Düsseldorf innerhalb des Tagschutzgebietes durch baulichen Schallschutz sicherzustellen, „dass ein Maximalpegel von 55 dB(A) in Aufenthaltsräumen bei geschlossenen Fenstern regelmäßig nicht überschritten wird“. „Regelmäßig“ wird in Düsseldorf mit 16 Überschreitungen des Maximalpegels von 55 dB(A) im Rauminnern tagsüber umgesetzt.
– Hamburg
Die Verfahrensweise legt hinsichtlich des Schallschutzes das Fluglärmgesetz zugrunde. Danach ist nur nach dem gemittelten Dauerschallpegel am Tage zu schützen. Eine Berücksichtigung von Maximalpegeln erfolgt nicht.
– Wien
Der Vergleich des Schallschutzes an den Flughäfen BER und Wien (VIE) ist nicht belastbar, da dem Schallschutz unterschiedliche Berechnungen zugrunde liegen. So wird in Wien eine Mischform – ein energetisch gemittelter Maximal-Pegel – darstellt und nicht ein Einzelereignis wie am BER. Daher ist der dortige Grenzwert 52/53 dB(A) weniger streng zu werten als das 0x55 dB (A) Kriterium nach OVG-Rechtsprechung am BER.

Quelle: PM Flughafen Berlin-Brandeburg

Eine Antwort zu “Dauerthema: Lärmschutz am Flughafen BER”

  1. Fam.Wegner Mahlow sagt:

    Wir gehen davon aus, dass sich BER nicht an den Gerichtsbeschluss halten wird.