Sind Sie etwa der Kapitän? – 25 Jahre Frauen im Cockpit der Lufthansa

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Kapitän Claire Lindner am FMO Foto: Dierk Wünsche

„Are you a Madam, Sir?“ Dieser Funkspruch, den ein afrikanischer Towerlotse vor Jahrzehnten an Evi Hetzmannseder, eine der ersten Lufthansa-Pilotinnen, richtete, ist immer wieder für einen Lacher gut. Auch Claire Lindner, Kapitän eines 70-sitzigen CRJ 700 Jets bei der Lufthansa CityLine, muss schmunzeln, als sie diese Anekdote im Restaurant des Flughafens Münster/Osnabrück erzählt. „Mein Name ist Claire Lindner und ich bin ihr Kapitän auf diesem Flug“, so wird sie sich heute per Ansage aus dem Cockpit auf dem kurzen Flug von Münster/Osnabrück nach Frankfurt den Fluggästen vorstellen. Den weiblichen Begriff „Kapitänin“ – er wurde bei der Lufthansa im Jahr 2000 extra eingeführt – nutzen in der Regel die Flugbegleiter bei der Verabschiedung nach der Landung, sagt Lindner.

Weibliche Mitglieder der Cockpitbesatzung eines Verkehrsflugzeugs: Für manchen Fluggast stellt das auch heute noch etwas Besonderes dar, weiß die Pilotin zu berichten.„Aber Sie fliegen doch nicht? Kriegen Sie das auch hin? Sind Sie etwa der Kapitän?“, solchen skeptischen Erkundigungen, mögen sie auch manchmal nur provokant scherzhaft gemeint sein, kann man schon mal von Passagieren hören, die durch die beim Boarding offen stehende Cockpittür schauen. „Noch interessanter ist es natürlich, wenn zudem der First Officer weiblich ist“, berichtet Lindner amüsiert.

25 Jahre sind vergangen, seitdem Frauen bei der Lufthansa regelmäßig am Steuerhorn sitzen, um die Gäste sicher durch die Lüfte zu befördern. Am 23. August 1988 traten Nicola Lisy und Evi Hetzmannseder ihren Dienst bei der Kranichairline an. Eine Männerdomäne war erobert. Heute spricht die Lufthansa ganz gezielt junge Frauen an. So wirbt der Luftfahrtkonzern mit einer Vielzahl von Arbeitszeitmodellen, damit Beruf und Familie besser vereinbart werden können. Sechs Prozent beträgt der Anteil der Pilotinnen bei der Lufthansa, das sind 300 Mitglieder aller Cockpitbesatzungen. Damit liegt die Kranichairline im Vergleich mit anderen Fluglinien (zum Beispiel Air France 4 %, British Airways 5 %) vorn. Prozentual genauso hoch ist auch der weibliche Anteil der 658 Piloten der 100-prozentigen Tochtergesellschaft Lufthansa CityLine, bei der Claire Lindner unter Vertrag steht.

Den Entschluss, beruflich in die Lüfte zu gehen, fasste Claire Lindner mit 21 Jahren. Das Abitur, diverse Jobs und eine lange Reise mit dem Bulli bis nach Südafrika lagen hinter ihr. „Drei Kriterien mussten den Einstieg in mein Berufsleben erfüllen“, berichtet Lindner. „Der Beruf sollte eine Herausforderung sein, etwas mit Technik zu tun haben – ich wollte ursprünglich Maschinenbau studieren – und mir das Reisen ermöglichen. Alles traf genau auf den Beruf des Piloten zu.“ Der erste Schritt: Aus den Gelben Seiten suchte sich Lindner eine Flugschule aus, um die Privatpilotenlizenz PPL zu machen. Parallel bewarb sie sich um eine Ausbildung bei der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa am Flughafen Bremen. Anfang 1999, die junge Frau war inzwischen zweifache Mutter und hatte als Pilotin sowie im Büro für eine kleine Gesellschaft gearbeitet, kam der nächste wichtige Schritt: Sie ging bei Lufthansa CityLine als Co-Pilotin an Bord.

Heute ist Claire Lindner vom rechten auf den linken Sitz im Cockpit gewechselt und seit Jahren als Kapitän eines Regionaljets europaweit unterwegs. Ihr Standort ist München, wo auch Lufthansa CityLine einen großen Teil ihrer Flugzeuge und Crews stationiert hat. „Anders als bei der Langstreckenfliegerei der Lufthansa habe ich jeden Arbeitstag mehrere Starts und Landungen an verschiedenen Flughäfen. Das bietet viel Abwechslung. Und ich bin auch öfters daheim bei meiner Familie.“ Denn das Streckennetz von Lufthansa CityLine ist weit gefächert. Mehr als 375 Flüge täglich zu über 116 Zielorten in Europa bietet die Gesellschaft von und zu den großen Drehkreuzen Frankfurt und München an. Betrachtet man alle Fluggesellschaften im Lufthansa-Verbund (Lufthansa, Austrian Airlines, Brussels Airlines, Germanwings und Swiss) so zählt das Angebot im Winterflugplan 2013/2014 zusammen 274 Ziele in 106 Ländern auf vier Kontinenten.

Kurz bevor es aufs Vorfeld des FMO zum wartenden Jet geht, gibt Claire Linder noch einen Rat: „Wer sich für die Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer, so lautet die offizielle Bezeichnung, interessiert, der sollte technisches Verständnis mitbringen, mathematisches und physikalisches Grundwissen haben, wie es bis zum Abitur gelernt wird, und über gute Englischkenntnisse verfügen. Zudem ganz wichtig: Team- und Kommunikationsfähigkeit.“ Damit sind die ersten Grundlagen für vier goldene Streifen am Ärmel eines marineblauen Jacketts, das Rangabzeichen der Kapitäne bei der Lufthansa, gelegt – ganz egal ob, es ein Mann oder eine Frau trägt. Denn es kommt allein auf die Fähigkeiten an.

Bombardier CRJ700 der Lufthansa CityLine am FMO Foto: Dierk Wünsche

von Dierk Wünsche