LUFTPOST: Aufmerksamkeitsgesteuerte Wahrnehmung

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Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Andreas Fecker

Ein Phänomen, das den Flughäfen zu schaffen macht, ist die »aufmerksamkeitsgesteuerte Wahrnehmung«. Als einst in London Heathrow die ersten Testflüge der Concorde stattfinden sollten, veröffentlichte der Flughafen am Donnerstag zuvor einen Hinweis an die Bevölkerung, dass es am Freitag ab 9.00 Uhr aus diesem Grund etwas laut werden könnte. Da aber das Wetter an dem Tag schlecht war, verschob man die Testflüge auf die folgende Woche. Trotzdem gingen schon freitags die ersten Lärmbeschwerden ein, dass der Lärm des neuen Flugzeugs unerträglich gewesen sei.

Auf dieses Phänomen hat Heathrow natürlich kein Monopol. Das gibt es auch in Deutschland in Form semiprofessioneller Flugspurenbeobachter. Seit nämlich diese Flugspuren öffentlich zugänglich sind, werden Verlauf, Lage und Höhen der einzelnen Flugzeuge akribisch verfolgt. Jedes Überschießen, jede scheinbar unnötige Kurve, jede Kursänderung wird von den Laienfluglotsen kommentiert mit „Praktikanten im Tower“, „Rücksichtslosigkeit der Piloten“, „Unvermögen der Luftaufsicht“ etc., dokumentiert mit Flugnummer, Flugzeugtyp, Registrierung, Datum und Uhrzeit auf die Sekunde. Da beschwert man sich gegen Flugzeuge, die die Beobachter nie gesehen oder gehört haben, schon weil sie gar nicht dort wohnen, wo diese Maschinen gerade entlang flogen.

Gäbe es die aufmerksamkeitsgesteuerte Wahrnehmung nicht, man müsste sie schon wegen der Fernsehwerbung erfinden. Die Pharmaindustrie muss den Konsumenten ja erst einmal darauf aufmerksam machen, dass er etwas gegen die Fältchen unter den Augen tun kann, die er noch gar nicht bemerkt hat. Oder dass der nächtliche Harndrang ein Problem sei, das man – einmal als solches erkannt – mit einem Mittelchen lösen kann. Und auf den Stress im Alltag einmal aufmerksam gemacht, erhält man auch gleich die Lösung aus der Apotheke angeboten.

Jemand sieht Flugzeuge am Himmel? Egal wie hoch, dann muss da auch Fluglärm sein. Und seit man ihm eingeredet hat, dass Fluglärm zwingend krank macht und dass man deshalb früher stirbt, fühlt er sich ohnmächtig und wütend als „Opfer der Luftfahrtindustrie“, so die neue Sprachregelung. Und Ärger macht bekanntlich krank. Die Aufmerksamkeit wird fremdgesteuert. Genau wie bei den Opfern der Fernsehwerbung.